Text: David Schnapp Fotos: Nik Hunger
Ruhe auf der Weide. «Das sind schöne, ruhige Tiere», sagt Bauer Peter Hunkeler und schaut auf eine Herde von rund zwanzig schwarz glänzenden Rindern, die auf einem Schräghang weiden. Tatsächlich geht eine auffallende Ruhe von der Gruppe aus, als wäre man in einem buddhistischen Kloster und nicht auf einer Kuhweide. Den Tieren zuzusehen, wie sie erst die runtergefallenen Birnen unter einem Baum fressen und sich dann gemächlich und unaufgeregt wieder dem grünen Gras zuwenden, hat eine fast schon meditative Wirkung.
117 Wagyu-Rinder. Dass sich Bauer Hunkeler seit 2012 der Aufzucht der alten japanischen Rasse widmet, hat auch damit zu tun: «Gute Haltung und gute Fütterung ist nichts Besonderes, das kann jeder bieten. Den Unterschied machen die Gene der Tiere», sagt er und meint damit auch deren ruhiges Wesen. Auf seinem grossflächigen Betrieb im Luzerner Götzental wachsen zurzeit 117 Wagyu-Rinder in Mutterkuhhaltung heran. Die Kälber bleiben rund acht Monate auf dem Feld oder im Stall bei den Kühen, danach kommt die gleiche Gruppe zusammen auf eine andere Wiese. «Weil sich die Tiere kennen, gibt es auch keinen Streit», erklärt Hunkeler.
«Wir denken langfristig» Gefüttert wird das «Swiss Premium Wagyu» mit Gras, Braugerste, Mais und Weizen aus eigenem Anbau, rund drei Jahre dauert es, bis ein Tier schlachtreif ist. «Wir denken langfristig», sagt Peter Hunkeler dazu. Der innovative Bauer war einer der ersten in der Schweiz, die auf Angus Rinder gesetzt haben, aber irgendwann wollte er etwas Neues wagen und begann sich der schwarzen japanischen Rasse zu widmen, dem «Ferrari unter den Rindern».
Zart und aromatisch. Der einzige Unterschied zu Wagyu-Fleisch der Fett-Marmorierungsstufe A5 aus Japan sei, dass man diese Qualität eigentlich nur mit Tierquälerei erreichen könne, sagt Hunkeler. Kobe-Rinder, die aus der Region von Kobe stammen, leben fast ohne Bewegung in einer Stall-Box, damit ihr Fleisch diesen hohen Fettanteil entwickeln kann, während die Götzentaler Wagyu den Grossteil ihres Lebens im Freien verbringen. Die guten Gene, von denen Züchter Hunkeler schwärmt, sorgen dennoch dafür, dass das Fleisch aus Luzern stark marmoriert, aussergewöhnlich zart und aromatisch wird.
100 Jahre Tradition. Den ersten Abnehmer seines exklusiven Fleischs fand Bauer Hunkeler im zwei Autominuten entfernten Udligenswil: Der «Frohsinn» von Peter Röthlin ist ein Traditionslokal mit einem ausgezeichneten Ruf, über 100 Jahren Geschichte und 14 Punkten. Röthlin ging das Experiment ein kaufte einen Teil des ersten Tiers, das Hunkeler schlachten liess und bestellt seither alle paar Monate ein halbes Wagyu-Rind.
Eine Brücke nach Japan. Das Fleisch übergibt er vertrauensvoll seinem Küchenchef Clemens Pfister. Der gebürtige Voralberger Koch mit Schweizer Wurzeln geht mit der gebotenen Sorgfalt an die Verarbeitung des Luxusfleisches heran und baut mit japanischen oder thailändischen Aromen gewissermassen eine Brücke von der pittoresken Luzerner Landschaft in fernöstliche Welten. Das wunderbar marmorierte Fleisch des Filets etwa, brät er im sehr heissen Öl ganz kurz an, schneidet es dann in Scheiben und serviert es, dünn aufgeschnitten, als Tataki mit einem Rettichsalat und einer hausgemachten Ponzu aus Dashi und Yuzusaft: ein leichtes, perfekt balancierte Gericht mit einer Fleischqualität, die in der Schweiz ziemlich einmalig sein dürfte. Ausgelassenes Wagyufett benutzt der Koch übrigens an Stelle des traditionellen Gänsefetts, um beispielsweise Rotkraut zu aromatisieren.
Siedfleisch, Thai-Bowl, «Güggeli». In den «Frohsinn» geht man seit 1880 wegen der «Güggeli», in alten Gusseisentöpfen gebratenes Geflügel, das mit brauner Butter serviert wird. Cordon-Bleu ist ebenso im Angebot, aber Küchenchef Pfister schafft erstaunlich mühelos den Spagat zwischen traditioneller Beizen-Karte und zeitgemässer Küche. So steht das Wagyu-Siedfleisch mit klassischer Zwiebel-Schnittlauch-Vinaigrette friedlich neben einer Thai-Bowl auf der Karte. Für diesen Soulfood-Teller würzt der Küchenchef einen Rinderfond mit Chili, Enoki-Pilzen und Hoisin-Sauce, gibt Sobanudeln und Wasserspinat hinzu und legt schliesslich kurz gebratenes Wagyu-Entrecôte obenauf.
Wagyu aus dem eigenen Online-Shop. Für Rinderzüchter Peter Hunkeler ist es «super, wenn du im Dorf so einen hast», wie er über Philipp Röthlins «Frohsinn» sagt. Neben wenigen weiteren Gastronomiebetrieben vermarktet der schlaue Bauer sein Wagyu-Fleisch auch über den eigenen Online-Shop, und geht auch hier eigene Wege. Verschickt werden die Bestellungen in einer speziellen Styropor-Box, gekühlt wird die edle Ware dafür mit gefrorenem Knutwiler Mineralwasser. Nach dem Auftauen ist dieses natürlich trinkbar, und auf die Depotgebühr von 70 Franken für die Box zahlt Hunkeler seinen Kunden erst noch 7 Prozent Zins, wenn die Transportkiste retourniert wird.
Dreiecksbeziehung. Ein innovativer Bauer, ein Gastronom mit Sinn für Qualität und ein Küchenchef mit dem richtigen Gespür für die Handhabung eines erstklassigen Produkts – das Beispiel «Wagyu aus dem Götzental» kann in dieser Art von Dreiecksbeziehung als sehr gutes Vorbild herangezogen werden.