Interview: David Schnapp I Fotos: Pascal Grob, Valeriano Di Domenico
Marlene Halter, Sie hören nach sieben Jahren als Gastronomin und Metzgermeisterin auf. Welche Bilanz ziehen Sie über Ihre Arbeit an der Langstrasse in Zürich?
Für mich ist es eigentlich kein Moment, um Bilanz zu ziehen. Auf dem Weg in die Landwirtschaft führe ich meine Arbeit fort und widme sie weiterhin dem Thema Fleisch und Ernährung. Ich bin sehr glücklich über die Zeit in der «Metzg», es hat mir viel Spass gemacht, aber es geht jetzt anderswo weiter.
Sie wollen weiter Würste herstellen und gleichzeitig näher an den Ursprung der Produkte gelangen. Erfüllen Sie mit dem eigenen Bauernhof einen Traum?
Es ist schon teilweise ein Traum, der vielleicht eines Tages in Erfüllung geht. Aber man ist als Bäuerin auch mit harten Realitäten konfrontiert – dem Klimawandel zum Beispiel. Das Kochen hat bei mir ausserdem sehr viele Fragen aufgeworfen, auf die ich jetzt Antworten suche. Wie kann ich zum Beispiel wirklich gutes Rindfleisch produzieren, ohne Kraftfutter zu verwenden? Einfache Lösungen gibt es nicht, die Realität ist komplex, und man muss Kompromisse machen. Ich freue mich darauf, wieder mehr draussen zu sein und weniger planen und managen zu müssen, wie das im Restaurant der Fall war.
Hat sich eigentlich um Sie herum viel verändert, seit Sie mit der «Metzg» ihren Ort für «alternative Fleischkultur» 2015 eröffnet haben?
Vor allem habe ich mich verändert, und ich habe durch das Kochen sehr viel gelernt. Ich würde heute zum Beispiel kein Côte de Boeuf mehr auf die Karte nehmen, weil es ein falsches Signal aussendet. Und unsere Spare Ribs wurden so beliebt, dass sie bis zum letzten Tag auf der Karte bleiben. Weil wir aber so grosse Mengen davon brauchen, bekommen wir sie nicht in Bio- oder Demeter-Qualität und weichen deshalb auf IP aus. Auch die Spare Ribs würde ich deshalb nicht mehr als Dauerbrenner auf die Karte setzen.
Essen wir heute weniger und besseres Fleisch?
In der gehobenen und der Szene-Gastronomie auf jeden Fall, in der Systemgastronomie wohl hingegen eher nicht.
Der GaultMillau verlieh Ihnen 2019 den erstmals vergebenen Titel «Pop des Jahres», Sie hatten treue Gäste. Hat die Liebe des Publikums nicht gereicht, um weiterzumachen?
Die Liebe des Publikums habe ich extrem geschätzt, aber Applaus war nie mein Antrieb, dafür bin ich zu wenig extrovertiert. Mir geht es ums Handwerk, um die Auseinandersetzung mit einem Thema.
Hätte es nicht funktioniert, gleichzeitig Bäuerin und Köchin zu sein?
Das wäre eine Wunschvorstellung, über die ich mal nachgedacht hatte, aber hier in der «Metzg» liesse sie sich nicht realisieren. Ich muss mich auf eine Sache konzentrieren, ich kann schlecht gleichzeitig ein Restaurant und einen Bauernhof betreiben, und einen Teil der Verantwortung dann abgeben.
Könnte aus Ihrer «Metzg» auch ein vegetarisches Restaurant werden?
Auf jeden Fall, ich würde das allerdings nicht machen wollen.
Welches Gericht haben Sie noch nicht zubereiten können, bleibt etwas unerledigt?
Da gibt es ganz viel. Technisch bin ich beim Kochen irgendwo stehen geblieben. Den ganzen Komplex der Fermentation konnte ich mir nie aneignen, vieles andere ist an mir vorbeigegangen. Aber ich kann mir ja immer noch vieles beibringen, das läuft mir nicht davon.