Text: Isabel Notari Foto: Geri Born
Marina Hofmann, dürfen Muscheln wirklich nur während der Monate, in denen mindestens ein «r» vorkommt, genossen werden?
Das ist ein alter Zopf und gilt heute nicht mehr. Früher waren die Transportwege weit, und die Ware war nicht gekühlt, da konnte sie an heissen Tagen leicht verderben. Deshalb wurden Muscheln nur von September bis März angeboten. Heute ist die Kühlkette vom Ursprungsland bis in die Schweiz gewährleistet und wird kaum unterbrochen.
Der beste Wochentag, um Muscheln zu kaufen?
Auch das spielt keine Rolle mehr. Bei Bianchi importieren wir täglich frische Moules, Vongole und Austern – von Montag bis Freitag, oft sogar auch am Samstag.
Gibt es trotzdem eine Hochsaison?
Vongole haben das ganze Jahr Saison, ohne grosse Einschränkungen. Auch Austern sind immer erhältlich, allerdings nicht alle Sorten. Miesmuscheln aber werden in Sommer- und Wintermuscheln unterteilt: Die italienischen Muscheln, also die Cozze, gibt es vor allem im Sommer. Werden Muscheln im Winter angeboten, sind es meistens spanische, die nach Italien transportiert werden. Und die holländischen Muscheln – bei den Köchen sehr beliebt, weil sie bereits gewaschen sind und im Wasser liegen – sind während acht bis neun Monaten im Jahr erhältlich. Während der übrigen Zeit sind sie nicht im Angebot, weil sie den Ansprüchen an Grösse und Qualität nicht entsprechen.
Ist die Grösse ein Qualitätszeichen?
Nein, überhaupt nicht. Die französische Bouchot ist gar etwas kleiner als alle anderen Miesmuscheln und für viele Feinschmecker absolut top.
Was zeichnet denn eine gute Miesmuschel aus?
Zwischen den Schalen muss sich eine fleischige Muschel befinden. Letztlich ist es aber – wie bei vielen anderen Dingen auch – eine Frage des Geschmacks und der Konsistenz. Die feinen Unterschiede zwischen den Muscheln sind sowieso oft nur schwer wahrnehmbar, weil sie ja meistens von einem Sud aus Weisswein, Rahm und Knoblauch übertönt werden.
Müssen Muscheln, die sich beim Kochen nicht öffnen, wirklich weggeworfen werden?
Ja, weg damit.
Und die rohen, die bereits offen sind?
Ebenfalls wegwerfen. Allerdings muss man da unterscheiden, ob die Muschel sich kurz ein bisschen geöffnet hat oder schon seit Stunden offen ist.
Wie lange dürfen Muscheln im Kühlschrank lagern?
Kaufen – und am selben Tag essen!
Miesmuscheln kommen aus der Zucht. Gibt es auch wilde?
Ja, aber nur wenige, und die sind sehr teuer. Deshalb ist das nicht wirklich ein Thema. Allerdings kommen immer mehr Muscheln mit einem Label auf den Markt. Die holländischen Moules zum Beispiel sind MSC-zertifiziert.
Ist wild bei Austern ein Thema?
Es gibt ein paar Sorten wilder Austern. In der Schweiz wird vor allem unsere Kelly-Auster aus Irland gehandelt: eine «native Oyster», die es nur im Winter gibt – so ab November bis März. Sie wird nur einmal im Jahr geerntet und dann im Meer bei Ebbe und Flut gelagert.
Austern lassen sich nicht leicht öffnen. Gibt es ein Schnellverfahren?
Franzosen bieten Austern «facil à ouvrir» an. Da wird die Muschel mit einer speziellen Technik leicht vorgeöffnet. Aber es ist nun mal so, dass eine Auster am besten schmeckt, wenn sie frisch geöffnet und gleich gegessen wird. Ungeübte sollten aber nur mit Austernhandschuh und -messer hantieren. Denn die Verletzungsgefahr ist riesig.
>> Marina Hofmann ist Mitglied der Geschäftsleitung bei Bianchi AG in Zufikon AG, dem Spezialisten für Fisch, Muscheln und Krustentiere und grössten Lieferanten der Schweizer Gastronomie.