Text: Anita Lehmeier | Fotos: Nik Hunger

GRÜNE WELLE. Der Hügelrücken westlich des Sempachersees erhebt sich in der Moränenlandschaft wie eine riesige, sanft geschwungene Welle, eine grasgrüne. Mittendrin in diesem grünen Teppich liegt das Dorf Hildisrieden, wo 2200 Menschen zuhause sind und ein Mehrfaches an Milchkühen. Das endlose Grün dieser idyllischen Landschaft ist im wahrsten Sinn die Grundlage für den Sbrinz AOP, der hier entsteht. Denn das Gras, das die Kühe fressen, bildet die wichtigste Basis für erstklassigen Käse – davon ist Rolf Beeler, der Schweizer Käsepapst, überzeugt. Doch vom Gras bis zum Qualitätskäse ist es ein langer Weg. Der beansprucht bei Sbrinz AOP mindestens 18 Monate, je länger, je besser. Und wie viel Knowhow, Muskelkraft und Fingerspitzengefühl es bis dahin braucht, haben wir in der Dorfkäserei Hildisrieden erfahren. Ein Augenschein am Tag 1 von Sbrinz AOP, der ab November 2023 genussreif sein wird. Grosses Bild oben: Käsermeister Kurt Hofstetter von der Dorfkäserei Hildisrieden im kleinen Sbrinzkeller, wo 400 Laibe Sbrinz AOP lagern.

Käserei Hildisrieden Produktion Sbrinz AOP 2022

Kurt Hofstetter besucht seine Milchlieferantinnen bei den Gebrüdern Fleischli. 350 Kühe liefern den guten Rohstoff. 

WEISSE MÄNNER IM GELBEN HAUS. Mitten in Hildisrieden steht unübersehbar ein gelbes Haus: die Dorfkäserei, in der Kurt Hofstetter seit über 20 Jahren tätig ist. Sie ist eine der grössten von den noch 25 verbleibenden Sbrinzkäsereien. Der Bauernsohn aus Sigigen bei Ruswil LU fuhr schon als Bub Milch in die Käsi, anfangs noch mit Ross und Wagen. Weil immer klar war, dass der älteste Bruder den Hof übernimmt, entschied sich Kurt für den Beruf des Käsers. Nach der Lehre, die er auf Emmentaler machte, legte er die Meisterprüfung auf Sbrinz ab, dem traditionsreichen Extrahartkäse, (erstmal erwähnt anno 1530!), dem sein Herz gehört. Hofstetter startete seine Karriere beim legendären Walter Kaufmann. Waltis Frau Martha führte hier im Herzen von Hildisrieden einen Käseladen mit Dutzenden Sorten, neben eigenen Produkten gabs hier auch auswärtige und ausländische Delikatessen. Käseliebhaber strömten von weit her nach Hildisrieden. Nachdem Hofstetters den Betrieb übernehmen konnten und im oberen Stock einzogen, führte Nadia Hofstetter den Laden weiter – bis vor zwölf Jahren, als man den Platz für Lagerräume benötigte. «Das Haus ist 120 Jahre alt, es wurde x-fach um- und angebaut, aber wir platzen schon wieder aus allen Nähten», sagt Hofstetter, der bereits über den nächsten Umbau nachdenkt. Heute beschäftigt der Käsermeister zwei junge Käser, Mike von Moos, der Enkel von Walti Kaufmann, und Stefan Schmid, seit Mai dabei, und sein älterer Bruder Bruno. Gekäst wird täglich, auch am Wochenende. «Kühe werden ja auch am Samstag und Sonntag gemolken, und für Sbrinz AOP muss die Milch innert vierundzwanzig Stunden verarbeitet werden, das ist Vorschrift», erklärt Hofstetter. Zu dritt stellen die Männer mit den muskulösen Unterarmen und den weissen Arbeitskleidern rund 250 Tonnen Käse pro Jahr her, drei Viertel davon Sbrinz AOP. Täglich produziert das Trio 16 Laibe. Im grossen Lager neben der Käsi, einer umgebauten Garage, lagern rund 1200 Laibe. Unterirdisch lagern noch mehr von den rund 45 Kilo schweren Laiben, dem Goldschatz von Hildisrieden: im kleinen Keller 400, im Schwitzkeller nochmals rund 320, und im Salzbad schwimmen rund 300. Alle sind gekennzeichnet, tragen die Nummer 4669 (die Käsi) sowie das Herstellungsdatum. Der Käsepass macht jeden Laib rückverfolgbar. Hofstetters Hauptabnehmer ist seit 2006 die Migros, für ihr Label «Aus der Region». «Mein Bild ist auf einem der Lastwagen zu sehen», meint Hofstetter, «ich werde oft darauf angesprochen.» Seine Käse liefert er auch an Volg im Dorf, die Bitzi-Metzg in Hitzkirch, den Spezialitätenladen Sempre in Sempach. Milch, Butter und Rahm bringt er auf dem Heimweg im Restaurant Pony in Sigigen vorbei, für das indische Restaurant Kanchi beim Bourbaki-Panorama in Luzern stellt er eigens Frischkäse her, monatlich 120 bis 150 Kilo.

Käserei Hildisrieden Produktion Sbrinz AOP 2022

Täglich im Turnus am Werk: (v. l.) Mike von Moos, Stefan Schmid und Käsermeister Kurt Hofstetter, der vierte hat frei. 

350 REGIONALE MITARBEITERINNEN. Die Milch für Hofstetters Käse liefern 350 Kühe, grösstenteils Braunvieh und Schwarzfleck, von elf Bauern in der Umgebung. Der nächstgelegene Hof befindet sich vis-à-vis, einen Steinwurf über die Luzernerstrasse hinweg, zum weitest entfernten sind es zwei Kilometer. Morgens und abends holt Kurt Hofstetter die Milch höchstselbst ab auf den Höfen, sein Milchwagen fasst 3000 Liter. Der Fuso-Transporter parkt tagsüber vor der Käsi, vorne leicht aufgebockt, damit auch der letzte Tropfen Milch rausläuft. Hinter dem gelben Haus wird in einem Tank die Molke gelagert, aus der Tierfutter wird. Im Innern des gelben Hauses steht eine riesige, doppelwandige Wanne, in der 4000 Liter Abendmilch gekühlt lagern, die am nächsten Morgen früh verkäst werden. Die Wanne ist ein Unikat in der Schweiz, erfunden hat sie Walter Kaufmann vor langer Zeit, «und sie ist noch heute sehr zweckmässig», so der Fachmann. 

MUSKELKRAFT UND AUGENMASS. Im Zentrum der Käsi steht der Kupferkessel mit einem Fassungsvermögen von gut 9200 Kilo Milch. Die wird schön süferli auf 32 Grad Celsius erwärmt, nachdem die Milchsäurebakterien und das Lab zur Gerinnung zugegeben wurden, dann darf sie zur Verdickung eine Weile ruhen. Im Frühling weist die Milch einen fast grünlich-gelben Ton auf. «Der kommt vom vielen Löwenzahn in den Wiesen», erklärt Hofstetter, während er mit Adleraugen beobachtet, wie nun die Harfen mit den scharfen Saiten durch die Gallerte kreisen und der Bruch entsteht. Mit einer Kunststoff-Schaufel holt er immer wieder Proben heraus, prüft den Bruch, der auf 55 Grad erhitzt wird. «Schon das Vorkäsen entscheidet über die Qualität des Endproduktes, das braucht Augenmass und Erfahrung», meint der Fachmann, der in der Geschäftsleitung der Branchenorganisation Sbrinz tätig ist. Jetzt wird’s in der Käsi laut und dampfig, die Männer sind im dichten Dampf kaum mehr auszumachen. Die Masse läuft durch die laut knatternde Pumpe, dann über Rohre in den Teil der Käserei mit den Pressformen, zwei Reihen mit acht Pressformen. Die Molke fliesst durch Löcher ab und landet im Tank hinter dem Haus. Die Käser arbeiten wortlos und schnell, ihrer täglichen Choreografie folgend, bei der jeder Handgriff sitzt. Sie versehen die Masse mit den Nummern aus Kasein für den Käsepass und setzen die Pressen auf, die mit 500 bis 1000 Kilo die Molke aus den Formen drücken. 

WERTVOLL, NICHT TEUER. Anschliessend kommen die Laibe für achtzehn Tage ins Salzbad, dann für drei Wochen in den Schwitzkeller, wo sie zweimal wöchentlich gedreht werden und sich die Rinde bildet, bevor sie dann im Reifekeller landen. Von der Milch bis zur Genussreife von Sbrinz AOP sind, so lernen wir auf dem Rundgang von Hofstetter, hunderte Handgriffe, ein geübtes Auge und viel Muskelkraft nötig. So viel Expertise und Handarbeit rechtfertigen den Preis von Sbrinz AOP – der im Übrigen nicht über dem von Parmesan liegt. Aber Parmesan-Kühe kommen oft nie in den Genuss, auf grünen Wiesen zu grasen, wie das Hofstetters Lieferantinnen Tag für Tag können.

 

www.sbrinz.ch