Text: Anita Lehmeier | Fotos: Christopher Kuhn
DIE PERLE IM GESTEIN. Seit diesem Frühling erstrahlt das Naturresort Handeck in der Farbe, die ihm gebührt: in elegantem Perlweiss leuchtet die Fassade des Hauses im Chaletstil aus dem Grün der Wälder und dem Grau der himmelhohen Felsen hervor. Sie zeigt Reisenden vom Berner Haslital über den Grimsel ins Wallis an, welch touristische Preziose sich hier in der Wildnis ob Guttannen verbirgt. In der rauen, hochalpinen Umgebung steht das Naturresort wie ein letzter Aussenposten der Zivilisation. Die Handeck bietet alle Annehmlichkeiten eines zeitgemässen Hotelbetriebes, in dem Nachhaltigkeit grossgeschrieben wird: 39 hübsche Zimmer in drei Gebäuden mit topmodernen Betten, aber ohne AC, ohne TV. Totale Nachtruhe und einen unverstrahlten Sternenhimmel, von dem Städter träumen. Eine Wellness-Oase mit Aussen- und Innenpool, Sauna, Fitnessraum und einem Bächlein zum Kneippen, alles klein, aber fein. Gemütliche Täferstuben, eine lauschige Terrasse und ein prächtiger Jugendstil-Saal. Und als grosses Plus ein kulinarisches Angebot der Extraklasse, das allein den kurvenreichen, weiten Weg hier hinaus lohnt auf 1400 Meter über dem Meer und der Hektik der Moderne. Grosses Bild oben: Ob Guttannen BE, auf dem Weg ins Wallis über den Grimselpass, liegt in wilder Umgebung das Naturresort Handeck.
15 GAULTMILLAU-PUNKTE AUF 1400 METERN. Chef und Mastermind in der Handeck-Küche ist seit sieben Jahren Roman Crkon, 34. Der gebürtige Slowake kochte sich in seiner Amtszeit mit seiner 10-köpfigen Brigade auf 15 GaultMillau-Punkte hoch. Seine «Feld-, Wald- und Wiesen-Küche» zeichnet sich aus durch beste regionale Produkte, eine klassisch französische Basis, viel Fantasie und noch mehr Fleiss. Wie Crkon die wilde Umgebung in ein A-la-Carte-Menü umsetzt, erfreut Auge und Gaumen gleichermassen. Viele seiner Zutaten bestellt der ambitionierte Chef durch Markus Hohler von Michel Comestibles in Unterseen bei Interlaken, etwa Zander aus dem Lago Maggiore oder lange gereiftes Haslitaler Rind. Gourmador aus Unterseen liefert frisches Gemüse aus dem Seeland oder der Region. Der Lachs für das unvergleichliche Ceviche stammt aus Lostallo. «Bei den Bündnern hatte ich schon angeklopft, bevor der erste Fisch im Becken schwamm», sagt Crkon. «Der Swiss Lachs erfüllt unsere hohen Qualitätsansprüche an Rohstoffe perfekt.» Milchprodukte bezieht er von der Molki Meiringen, Käse direkt von nahen Alpbetrieben. Crkon schaut aber auch über die Alpen und ergänzt seine filigranen Kreationen mit exotischen Leckerbissen wie Amalfi-Zitronen, Kalamansi, Mango, Meeresfrüchten, Trüffeln und asiatischen Gewürzen. Beeindruckend auch, was er zusammen mit Patissier David Lacko an süssen Schlussgängen kreiert.
VOM GARTEN IN DEN TELLER. Ein Grossteil des Käses und die Frühstücksmolke stammen aus der hauseigenen Alp-Käsi, die Gästen stets zur Besichtigung offensteht. 44 Alpsäuli weiden und suhlen im Koben hinter dem Haus und futtern die Molke, die beim Käsen anfällt. Die glücklichen Schweine werden am Ende in der Traditionsmetzgerei Abplanalp in Innerkirchen verarbeitet Die wird seit 2019 von Rolf und Marco Trauffer geführt, nahen Verwandten des bekannten Sängers und Neu-Hoteliers Marc. Mit den Metzgern startet Crkon im Herbst den Versuch, Lämmer auf einer Winterweide aufzuziehen. Für deren Zubereitung fehlt es dem Chef nicht an Ideen. Kräuter und Blüten, die alle Teller aus der Handeck-Küche aufs Feinste anreichern, zieht der Chef eigenhändig im Pflanzblätz hinter dem Haus. «Eine schöne Arbeit, das Gärtnern! Während Corona habe ich den Kräutergarten erweitert, jetzt gedeihen hier zwanzig Arten.» Durch die Pandemie-Zeit seien sie mit einem «hellblauen Auge» davongekommen, sagt Markus Meier, zusammen mit seiner Frau Marianne seit 2019 Gastgeber im Haus. «Dank vieler treuer Stammgäste und langjähriger Mitarbeitenden haben wir weniger Grund zu klagen als andere Hotelbetriebe.» Das Powerpaar ist seit Jahren perfekt eingespielt, sie lernten sich schon als Teenager kennen. «Marianne war meine Unterstiftin in der Kochlehre und wurde später trotzdem meine Frau», erzählt Meier schmunzelnd. Vierhändig führen sie neben der Handeck auch das Grimsel-Hospiz. Dieses ist vom Juni bis Oktober und von Mitte Dezember bis Anfang April offen und bietet in 28 Zimmern hochalpinen Winterzauber. Eingerichtet hat das Hospiz, seit anno 1142 das erste Gasthaus der Schweiz, der Innenarchitekt Andrin Schweizer.
ACTION ODER RELAXEN. Vom Alpgarten, dem Aussenpool und den Wiesen rund ums Haus aus geniessen Handeck-Gäste die Aussicht auf die imposante Grimselwelt. Wer Ruhe und Entspannung sucht, zieht sich hier einfach vom Liegestuhl aus die hochalpine Drama-Landschaft rein. Oder zieht im Innen- oder Aussenpool ein paar kurze Längen. Oder lässt sich in der Sauna, dem Whirlpool, dem Kneipp-Becken oder in der Erlebnis-Dusche durchweichen. Kinder können beim Discgolf auf einem Neun-Loch-Kurs ihre Geschicklichkeit mit dem Frisbee trainieren, Trampolin, Spielplatz und Klettergarten ausprobieren oder den Alpsäuli beim Schlammbaden zusehen. Richtig krasse Action gibt’s auch, gleich nebenan. Auf der spektakulären Hängebrücke über den Handeckfall. Oder auf der Gelmerbahn. Vom Gelmersee aus geht’s gefühlt senkrecht in die Tiefe, die Standseilbahn gilt mit 106 Prozent Steigung als die steilste in Europa. Für Wanderer und Gümmeler bietet die Grimselwelt zahllose Wege, sich gehörig Appetit zu holen für die Köstlichkeiten aus Crkons Reich.