Text: Kathia Baltisberger | Fotos: Christopher Kuhn

Gastgeber durch und durch. «Sind Sie hier der Chef?», fragt ein Teenager beim Verlassen der «Schäferstube» in Zermatt. Paul-Marc Julen, Direktor des Hotels Julen, dreht sich um und bejaht. «Das Essen war sehr fein. Ich hatte den Burger», führt der junge Mann weiter aus. «Danke, das Geheimnis ist der Raclette-Käse», verrät der Hotelier seinem heranwachsenden Gast. «Ich glaube, es liegt eher am guten Fleisch», kontert der Teenager. Damit kann «Poli» – wie ihn alle nennen – leben. Sind die Gäste zufrieden, ist er es auch. Und dafür macht er selbst viel. Hinter den Kulissen natürlich, aber auch an der Front. Bei der Frau mit dem zu grossen E-Bike erkundigt er sich später, ob jetzt alles passt. Einer Wanderin versucht er den Stock zu reparieren. Am Abend geht er im Restaurant von Tisch zu Tisch und begrüsst die Gäste persönlich. 

Tourismus & Landwirtschaft. Paul-Marc Julen verkörpert die «Tradition Julen». Ein Brand, den er und seine Frau Cindy geschaffen haben, als sie 2014 die Betriebe von seinen Eltern übernommen haben. Zum Imperium der Julens gehört nicht nur das gleichnamige Hotel, sondern auch das Hotel Daniela und der Alpenhof, der sich im Umbau befindet. Daneben gibts mehrere Restaurants und das Papperla Pub. Doch der Brand ist weit mehr. Die Familie Julen betreibt einen Landwirtschaftsbetrieb mit Kühen und Schwarznasenschafen sowie eine Biogasanlage. «Die Tradition Julen verbindet den Tourismus mit der Landwirtschaft», erklärt Poli Julen. Über 70 Hektaren bewirtschaftet die Familie neben dem Hotellerie-Business. 

Hotel Julen Zermatt, Restaurant Schäferstube

Paul-Marc Julen kommt aus der «Schäferstube», eine Institution in Zermatt.

Hotel Julen Zermatt, Restaurant Schäferstube

Die Karte listet zahlreiche Lammgerichte von den eigenen Schafen: Karree mit Kartoffelgratin und Gemüse.

Hotel Julen Zermatt, Restaurant Schäferstube

Die Tradition Julen ist eine Familienangelegenheit: Meinrad Julen startete mit der Hotelerie. 

Family Affair. Für Poli war schon immer klar: Das ist genau das, was er will. «Als vierjähriger Bub schwamm ich im Alpenhof im Pool und sagte: diese Leute werden einst meine Gäste sein.» Julen machte eine Lehre als Koch, absolvierte später die Hotelfachschule in Luzern. Statt in die grosse, weite Welt hinaus trieb es ihn zurück nach Zermatt. Die Tradition Julen führt er heute in dritter Generation. Doch damit der Laden läuft, packen alle mit an. Polis Eltern Paul und Daniela sowie seine Frau Cindy. Schwester Rebecca leitet das Hotel Daniela.

Hotel Julen Zermatt, Restaurant Schäferstube

Die Familie Julen besitzt neben den Hotels auch Schafe und Kühe.

Strom aus Bioabfall. Dabei ist es wichtig, eine gute Balance zwischen Tradition und Innovation zu finden. «Man muss das Rad nicht neu erfinden. Man muss lediglich etwas logisch denken und sich ein Beispiel an der Natur nehmen. Das eröffnet viele Innovationen», sagt Julen. Das beste Beispiel dafür ist die Biogasanlage. «Mein Vater hat schon früh erkannt, wie viel Essen in den Restaurants und Hotels übrig bleibt und sich gedacht, da müsse man doch etwas machen», erinnert sich Poli. Damals war Nachhaltigkeit noch nicht en vogue und die Gemeinde Zermatt nicht interessiert an einem solchen Projekt. Erst als die Entsorgungskosten in die Höhe schnellten, wurde Biogas interessant. Heute wird aus sämtlichen bioorganischen Abfällen Zermatts und dem Mist der Tiere CO2-neutraler Strom erzeugt. 

Hotel Julen Zermatt, Restaurant Schäferstube

Der Tourismus in Zermatt braucht eine Balance zwischen Tradition und Innovation.

Hotel Julen Zermatt, Restaurant Schäferstube

Poli Julen auf der Riffelalp bei den Kühen seiner Familie.

Nachhaltiger Tourismus. Und was für den Mikrokosmos der Tradition Julen gilt, gilt auch für den Makrokosmos Zermatt. Paul-Marc Julen ist auch Präsident von Zermatt Tourismus und hat klare Ziele: «Wir wollen die begehrteste hochalpine Touristendestination der Welt sein.» Was nun begehrenswert ist, das sei Interpretationssache. «Aber auf jeden Fall muss der Tourismus nachhaltig sein, nicht nur im ökologischen Sinne. Man muss konkurrenzfähig sein, gut bewertet werden und Gewinne erzielen. Aber es braucht auch eine soziale Zufriedenheit: Wenn die Leute hier in Zermatt nicht mehr glücklich sind, ziehen sie weg und Zermatt hat nicht mehr diesen Dorfcharakter.» Auch die Destination muss einen Spagat machen. «Wir können nicht sagen: Wir machen nichts mehr, wir haben genug Tourismus. Und auf der anderen Seite können wir hier auch kein Disneyland erbauen. Sonst verlieren wir unsere Authentizität». 

www.julen.ch