Text: Kathia Baltisberger Fotos: Olivia Pulver
Paradies. Diese Idylle macht sprachlos. Ein hundertjähriges Bauernhaus, daneben der Hof mit Stall. Alles ist umgeben von grünen, saftigen Wiesen. Etwas weiter oben thront das historische Herrenhaus. Steht man inmitten dieser pittoresken Szene oberhalb von Paspels GR, entsteht automatisch eine Sehnsucht. Eine Sehnsucht, die auch Georg Blunier, 38, und Claudia Hanimann, 35, verspürt haben mussten, als sie den Biohof Dusch das erste Mal sahen.
Ein Quäntchen Glück. Das war vor über fünf Jahren. Die beiden Künstler sehnten sich schon zuvor nach einem Leben auf dem Bauernhof – und das gänzlich ohne Erfahrung in der Landwirtschaft. Zum Hof kamen sie mit ein bisschen Glück, heute leben sie mit ihren drei Buben Men, 7, Luzi, 4, und Ignaz, 1, hier. «Es ist enorm schwierig, etwas zu kriegen und der Andrang auf diesen Hof war enorm gross. Den Pächtern war das Menschliche aber wichtiger als die Erfahrung. Sie sagten, den Rest könne man lernen», sagt Georg.
Und das haben sie: Heute führen sie den Biohof Dusch nach Demeter-Richtlinien, züchten Grauvieh, bauen Linsen und anderes Getreide an. Ihr Fleisch ist etwas vom Besten und Nachhaltigsten, das man kriegen kann, und sie beliefern mit ihren Waren Andreas Caminada im Nachbarsdorf, Marlene Halter in der «Metzg» in Zürich oder Markus Burkhard im «Jakob» in Rapperswil.
Mutterkuh-Haltung. Die Rinderhaltung ist der wichtigste Zweig der Familie. «Wir betreiben Mutterkuh-Haltung», erklärt Georg, der von allen Schorsch genannt wird. Die Milch der Mütter ist ausschliesslich für ihre Jungen bestimmt. Die Kälber bleiben bei den Müttern, Kalbfleisch gibt es vom Biohof nicht. Die Tiere sind eigentlich fast permanent auf der Weide, im Sommer auf der Alp.
«Chügeli». Ein paar Rinder befinden sich aktuell im Stall – zusammen mit einem Kalb, das erst wenige Tage alt ist. Es liegt fast etwas apathisch auf dem Boden, bewegt sich kaum. «Es hat eine Nabelentzündung und ist dadurch nicht so munter», erklärt Georg. Claudia verabreicht ihm ein paar homöopathische «Chügeli». «Viele Bauern probieren es zuerst auf diese Weise, auch wenn sie keinen Biohof haben.» Im schlimmsten Fall kann Georg Antibiotika geben. «Natürlich versuche ich, darauf zu verzichten. Aber ich will nicht, dass das Tier leiden muss.» Georg streichelt das Kalb sanft, redet ihm gut zu und führt den Kopf ans Euter der Mutter. «Vielleicht weiss es nur nicht, wie es trinken muss.»
Von der Kunst zum Bauernhof. Die Biografie der Bündnerin und des Bielers ist ungewöhnlich. Claudia fotografierte, Georg fertigte Skulpturen. Heute machen sie Hofschlachtungen. «Der Transport zum Schlachthof fällt weg, die Rinder haben dadurch keinen Stress», sagt Blunier. Nur wenige andere Bauern halten es so. Am Tag der Schlachtung kommen der Metzger und der Tierarzt, der das Rind begutachtet. Das Tier findet seinen Weg selbst an die Stelle, wo es arretiert wird. Hineinzwingen kann man es nicht, sonst hätte das Tier wieder Stress. Es folgt der Bolzenschuss, der das Rind betäubt. Dann muss alles sehr schnell gehen: Man zieht das Tier mit einer Vorrichtung auf und macht einen Schnitt am Hals – alles innerhalb von 60 Sekunden. Dann blutet das Tier aus. In den nächsten 45 Minuten kommt es in die Metzg, wo es ausgenommen wird. «Es gelten dieselben Voraussetzungen wie in einem Schlachthaus.»
Keine Abstumpfung. Circa 15 Tiere werden pro Jahr auf diese Weise geschlachtet. «Am Anfang ist das recht eingefahren», erinnert sich der Neo-Bauer. «Mit der Zeit wird man etwas routinierter, was die Handgriffe betrifft. Emotional wird man aber nicht abgehärtet. Ausserdem hat man mehr Verantwortung. Ich bin durch die Hofschlachtung sicher gestresster.» Aber das ist es wert, das Fleisch ist von einer ganz anderen Qualität.
Schweine & Schafe. Neben den Rindern hält die Familie Blunier auch Schafe und Schweine. Beides sind eher Nischenprodukte. Bei den Schweinen handelt es sich um Turopolje-Schweine. Am Anfang produzierte die Familie einen Salsiz, kaufte aber Speck dazu. «Das ist eigentlich absurd!», sagt Georg. Jetzt gibt es Schweine auf dem Hof, die fressen, was sonst nicht verwertet werden kann. Das macht in den Augen der jungen Familie einfach Sinn. Und auch sonst wird kein Futter zugekauft.
Besser als erwartet. An einem so schönen Herbsttag fällt es Georg Blunier leicht, sein Glück zu begreifen. Er lebt mit seiner Familie im Paradies. Natürlich kennt er auch die Kehrseite. «Wir arbeiten enorm viel. Und sobald etwas schiefläuft, sieht man nicht mehr, was man hier eigentlich hat. Am Anfang waren wir auch oft überfordert. Die Tierarztrechnung hat uns fast erschlagen, weil wir viel öfter angerufen haben.» Claudia mangelt es zurzeit an Schlaf und Freizeit ist ein Fremdwort. Und trotzdem sagt sie überzeugt: «Ich finde das Leben hier auf dem Hof besser als erwartet!»