Text: Urs Heller
Die Hotel-(Wieder-)Eröffnung des Jahres. Volltreffer! Das ehrwürdige «Raffles» in Singapur erscheint nach jahrelangem, millionenschwerem Umbau in neuem Glanz: 150 Suiten – und ein halbes Dutzend erstklassige Restaurants. Ruft «Raffles», sagen die Stars zu: Anne-Sophie Pic (grosses Bild oben), Alain Ducasse und Jereme Leung eröffnen im schneeweissen Palast an der Orchid Road Filialen. Und schicken ihre besten «Schattenmänner» hin.
«La Dame de Pic»: Kevin Gatin aus Lausanne! «Madame Sophie» kriegte im neuen «Raffles» den Logenplatz: «Fine Dining» im ehemaligen sehr berühmten «The Grill». Hell, freundlich und feminin eingerichtet, ausgezeichnet. Ein Chef aus Lausanne kocht für «la cheffe» in Singapur: Kevin Gatin, fünf Jahre für Pic im «Beau-Rivage Lausanne», im GaultMillau Schweiz immer mit hohen 18 Punkten geratet. Der «Meccano» bleibt unverändert: Kevin schuftet, Madame Pic holt die Lorbeeren (und den Check) ab. Gatin: «Ich kann damit umgehen. Ich habe sehr viel von der Chefin gelernt, bin oft bei ihr in Valences, teste neue Gerichte aus. Ich weiss genau, was die Chefin will. Und ich kann nachts gut schlafen: Ich muss nur kochen. Um Administration und Rechnungen kümmern sich andere.» Elf Jahre nun schon arbeitet Gatin für Frankreichs einzige Dreisterne-Köchin.
Sea Urchin, Saint-Jacques und Jacques Pics Seabass. Anne-Sophie Pic und Kevin Gatin haben für den Start im «Raffles» eine geschickte Formel entwickelt. Basis ist die klassische, erfolgreiche, sensible Küche der Chefin, dazu kommt ein sanfter «Singapore Twist». Gatin: «Kräuter und Gewürze finden wir hier, alles andere fliegen wir ein: Aus Frankreich und aus Japan.» Die besten Kreationen: Seeigel aus Hokkaido, mit Dill und Sobacha-Tee. Wilder Turbot mit einer Emulsion von rosa Pfeffer. Jakobsmuschel mit einer unglaublichen Dashi (Kokosnuss-Wasser). Bresse-Poularde neu interpretiert: Brust frech und länglich zugeschnitten, mit Sake mariniert, Zitronenmelisse und grüner Shisho in der Emulsion. «Alte Bekannte» kriegen wir auch: «Berlingots» (Ravioli, gefüllt mit Käsefondue) an einer Fenchelsauce – und den berühmten «Wild Seabass» mit Champagnersauce und Oscietra-Kaviar; Anne-Sophies sympathische Hommage an ihren Vater Jacques Pic, der 1971 mit diesem ikonischen Fischgericht weltberühmt wurde.
Ike-Jime für die Cataplana von Alain Ducasse. «Wir wollen dem Mythos Ducasse demokratisieren», sagt Stéphane Soret, der «Director of Wine» im «Raffles». Also geht es im «BBR Alain Ducasse» ganz entspannt zu und her: Fröhliche Servierinnen in Jeans-Hemden und Sneakerts, keine Tischdecke, offene Küche, unaufgeregt formulierte, mediterrane Karte. Der Schein trügt: Ducasse ist Ducasse, also kommen nur Top-Produkte in Frage. Meergetier wird dreimal wöchentlich aus Paris-Rungis eingeflogen, und bei der Cataplana, eigentlich ein einfaches portugiesisches Gericht, wird vollends aufgedreht: Seabream aus Japan, Carabineros aus Spanien, Muscheln aus der Bucht von St. Michel. In der Kupferpfanne nicht einfach eine «Sauce», sondern die perfekte, mehrfach angesetzte Fischsuppe; die Seebrasse wutrde übrigens auf möglichst schonende Art getötet: Ike-Jime, nach japanischer Art. Louis Pacquelin ist der Chef vor Ort (30 Köche!), bei jedem Kartenwechsel fliegen die Kontrolleure aus Paris ein; Alain Ducasse überlässt nix dem Zufall. Im «Raffles» schon gar nicht.
Chinesisch? Jereme Leung! Vor 17 Jahren hat Chef Leung Singapur verlassen und vor allem in China ein Restaurant nach dem anderen eröffnet. «Ich wollte gar nie zurück nach Singapur», sagt Mister Leung, «aber wenn «Raffles» ruft, muss man diese Chance packen.» Jereme serviert moderne chinesische Küche, mit Produkten zum Teil, die nur schwer zu kriegen sind. Seine Gerichte sehen aus wie Gemälde: Die raffinierten Dim Sum etwa, die mittags mit den besten Zutaten auf kleinen Porzellan-Tellerchen präsentiert werden. Die Ente, die er mit Rosenblättern anrichtet oder mit Kutteln, Ochsenzunge (!) und Szechuan-Chili aufpeppt. In der Küche spricht jeder Mandarin und keiner englisch, alle Provinzen sind vertreten, was Jeremes Küche noch authentischer macht.
Schlemmen wie die Maharajas. Der Geheimtipp im weissen Schloss: «Tiffin»! Chef Kaldeep Negi serviert Maharaja-Küche aus Nordindien. Maharajas mögen Güggel: Murgh Malai mit frischen Kräutern und Safran, Murgh Tandoori mit Garam Masala. Am besten gefiel uns die ewig lang geschmorte, zarte Lammhaxe mit Chilipaste und Gewürzen aus dem Kaschmir-Gebirge. Hit im Haus ist «Mesa Dabba»: vier Curries nach Wahl, in eleganten Kupferpfännchen serviert. Im «Tiffin» gibt es auch Frühstück. Ein beeiundruckendes Buffet und einige «specials»: Eine Dim Sum-Selektion, «Japanese Bento» oder eine Wonton-Suppe mit einem Nudel-Plättli als Beilage. Wer Fleisch mag, checkt im «Butchers Block» ein: «Grosses pièces» vom Holzkohle-Feuer.