Text: Urs Heller
Wer sucht, der findet. Das «Lucide» im KKL gleich neben dem Bahnhof Luzern gehört zu den Top-Restaurants der Stadt. Nur: Man muss es erst finden! Es liegt versteckt im ersten Stock des von Jean Nouvel genial gebauten Kulturtempels. Einen Hinweis darauf an der Fassade ist seltsamerweise nicht auszumachen. Suchen lohnt sich: Michèle Meier ist eine leidenschaftliche, begabte Chefin. Man kann GaultMillaus «Köchin des Jahres 2021» bei der Arbeit zusehen: Die offene, hell erleuchtete Küche ist ihre Bühne. Aufmerksame Beobachter registrieren: Michèle brüllt nicht rum; sie macht vor.
«Nicht ohne meine Ravioli». Jeder Chef hat seine Macken. Michèles Macken mögen wir ganz besonders: Ravioli, in allen Formen und Grössen, mit allen erdenklichen Füllungen im vernünftig dünnen Teig. Die letzten beiden Varianten: Ravioli mit Säuli-Fleisch vom Uelihof und Raviolo vom Wildschwein. Ein deftiges Ding: Gezupftes Schulterfleisch steckt drin, eine Marronicrème, Apfel und Preiselbeeren veredeln den Gang. Wir greifen zum wichtigsten Besteck im «Lucide»: Michèles Gerichte sind Löffelgerichte, zu geniessen bis zum letzten Saucen-Tropfen. Wir wissen, wer ihren Kochstil geprägt hat: Ihr leider verstorbener Chef Nik Gygax aus Thörigen BE.
Achtung, Überraschung! Die Speisekarte liest sich harmlos. Aber hinter jedem Gang steckt mehr, als der Gast erwartet. Stichwort «Dorade Royal»? Die Goldbrasse wird zu Tatar geschnitten und geschichtet: Randenscheiben kommen drüber und vor allem ein hervorragender grüner Kräuterschaum. Traube und Pekannuss sind mit in der Schale. Stichwort Kabeljau? Die Chefin mag’s diesmal thailändisch, serviert den präzis zubereiteten Fisch mit einer Limettenkruste und vor allem an einer roten Currysauce; die hätten wir auch ausgelöffelt, wenn sie noch etwas schärfer abgeschmeckt gewesen wäre. Applaus schliesslich für das Reh-Entrecôte aus deutschen Landen; Eierschwämmli, Rosenkohl und Pommery-Senf gehören hier zum «Set». (Fast) immer auf der Karte und sehr beliebt: Piemonteser Rindsentrecôte mit Topinambur, Shiitake, Zwiebeln und Schnittlauch.
The Place to b. In Luzern führen eigentlich alle Wege zu Michèle Meier. Das «Lucide» ist zu Fuss, mit ÖV, mit der SBB und dank gepflegtem Parkhaus auch mit dem Auto gut zu erreichen. Eine ideale Adresse für den Businesslunch, fürs vergnügliche Date mit Blick auf See und Stadt oder auch für ein Dinner vor oder nach dem Konzert im KKL. Die Gäste werden umsorgt, von einem sehr freundlichen Team und von Gastgeberin Cindy Neubauer. Sie hat auch den Kellerschlüssel: Die besten Flaschen von Patrick Adank, Martin Donatsch, Anna-Barbara von der Crone und selbst Raritäten vom Neuenburger Eigenbrötler Jacques Tatasciore sind zu haben. - Überzeugendes Vegi-Menü.
>> Fotos: Thomas Buchwalder, Adrian Ehrbar, Joan Minder
Die GaultMillau-Tester stellen im Auftrag der UBS jede Woche einen «Place to b.» vor: Adressen für den gepflegten Businesslunch, für den Brunch am Wochenende, für ein Essen mit Freunden, für Trendsetter & Entdecker, für Verliebte. Bereits erschienene «Tipps der Woche» finden Sie hier.