Text: Stefan Regez | Fotos: David Birri, Paul Seewer, HO
Ab in die Berge. Das Haslital im Berner Oberland. Verbunden über den Brünig nach Obwalden, den Susten in den Kanton Uri, über den Grimsel ins Wallis und die Grosse Scheidegg nach Grindelwald. Nur Richtung Brienzersee steht kein Hindernis im Weg. Doch wir wenden uns gerne den Bergen zu. Denn eine Gebirgslandschaft, wo auf wenigen Kilometern Höhendifferenzen von bis zu 1500 Metern möglich sind, ist ein Paradies für Mountainbiker, Rennvelofahrer und E-Biker. (Grosses Bild oben: Aufstieg mit dem Rennvelo oder Mountainbike Richtung Grosse Scheidegg, linker Hand die mächtige Wetterhorn-Nordwand.)
Das kleine Alpenbrevet. Und Haslikuchen. Gümmeler kennen das Haslital schon lange. Grimsel und Susten gehören ins Palmares eines jeden ambitionierten Rennvelofahrers. Und die ganz Ehrgeizigen schaffen von Meiringen aus sogar die Drei-Pässe-Fahrt, das kleine Alpenbrevet Grimsel-Furka-Susten. In fünf, sechs, sieben Stunden! Wir nehmen es gemütlicher – und kehren gerne mal ein. Zumal das Haslital kulinarisch einiges zu bieten hat. Nicht nur in den Beizen, sondern auch mit regionalen Produkten für unterwegs oder als verdiente Belohnung für danach: Haslikuchen, Tatzelwurm und Meringue, die weltberühmte Spezialität aus Meiringen, von der Bäckerei Frutal. Käse, Milch, Joghurt und Glacé von der Molki Meiringen. Oder die feine Gumpesel-Trockenwurst von der Metzgerei Nussbaum.
Homebase: Das «Victoria» in Meiringen. Biken im Haslital? Da reicht ein Wochenende nicht. Wir bleiben besser gleich eine ganze Woche. Unser Ausgangspunkt liegt mitten im Dorf, das Hotel Victoria vis-à-vis von Casinoplatz, Sherlock-Holmes-Museum und Parkhotel du Sauvage. Alles Zeugen von touristischen Blütezeiten. Als es in Meiringen noch ein Casino gab und das Dorf per Tram (!) mit der Aareschlucht verbunden war. «Victoria»-Chef Simon Anderegg, 14 Gault-Millau-Punkte und selbst ein passionierter Velofahrer und Läufer, zaubert jeden Abend Publikumslieblinge auf den Tisch, mit asiatischem Einschlag. In der Herbstsaison gibts zusätzlich Wildspezialitäten und ein erlesenes Degustationsmenü.
Unsere Ausflugsbasis im Dorfzentrum von Meiringen – das Hotel Victoria mit seinem 14-Punkte-Restaurant.
Spezialität aus dem Haslital: die original Gumpesel-Wurst, eine würzige Rohwurst aus Schweine- und Rindfleisch mit grossen Speckwürfeln.
«Feld-, Wald- und Wiesenküche.» Tag 1, Fahrt mit dem Rennvelo Richtung Grimselpass. Auf dieser Tour kann man vorzüglich essen. Im Restaurant Urweider in Innertkirchen zum Beispiel. Hier kocht der ehemalige Veloprofi Sascha Urweider mit hochwertigen Produkten aus der Region. Im Radsport gehörte Urweider (Team Phonak) zu den Wasserträgern, unter den Gastronomen des Haslitals ist er ein Leader. Und sein Vater Kurt wählt im Piemont nur die besten Weine aus. Über gute Weinkeller und tolle Speisekarten verfügen auch die Hotels Handeck und Grimsel Hospiz. Beide gehören zu den Kraftwerken Oberhasli KWO. «Feld-, Wald- und Wiesenküche» lautet die Eigenbeschreibung der «Handeck» (15 Gault-Millau-Punkte). Küchenchef Roman Crkon setzt prononciert auf schweizerische Produkte mit regionalem Schwerpunkt – vom Handecker Alpsäuli bis zum Wienerschnitzel vom Haslitaler Kalb. Von Innertkirchen sind es 800 Höhenmeter bis zur Handeck und weitere 600 Höhenmeter bis zum Grimsel Hospiz. Und wer es bis ganz auf die Passhöhe von 2164 m.ü.M. schafft, dem sei das neu eröffnete Hotel Grimsel Passhöhe empfohlen. Denn spätestens hier oben hat jeder Velofahrer eine Stärkung nötig.
Grosse Scheidegg & Reichenbachfall. Tag 2. Sustenpass. Hier hat’s weniger Verkehr als am Grimsel, aber dafür ist er sportlich etwas happiger. Da kommen die Gaststätten wie gerufen: Landgasthof Tännler in Wyler, die neue Gadmer Lodge, das Berghotel Steingletscher, wo Gastgeber Thomas Michel gerade kräftig investiert hat. Die verkehrsarmeren Alternativen zu Grimsel und Susten sind das Rosenlaui mit der Grossen Scheidegg und die Engstlenalp – unsere Touren für Tag 3 und 4. Beide Strecken eignen sich für Rennvelo, Mountainbike und E-Bike. Zuerst ins Rosenlaui: Von Willigen aus geht es scharf rechts mit einer happigen Steigung unentwegt hoch zum Restaurant Zwirgi auf knapp 1000 m.ü.M. Der tosende Reichenbachfall, berühmt durch Sherlock Holmes, entschädigt für die körperliche Anstrengung. Erst ab dem Zwirgi flacht die Strasse etwas ab, und ab dem neu renovierten Restaurant Kaltenbrunnen wird die Steigung bis ins Rosenlaui richtig angenehm. Das Rosenlaui selber ist einer der schönsten Flecken im Berner Oberland überhaupt: grüne Matten inmitten der spektakulären Berg- und Gletscherwelt. Einen besonderen Velo-Boom erlebte das Rosenlaui nach 1996 und 1999, als zweimal die Königsetappe der Tour de Suisse über die Grosse Scheidegg führte.
Highlight auf der Strecke zwischen Innertkirchen und Susten: die neue Gadmer Lodge.
Für Kinder und Erwachsene geeignet: der 3 km lange Mountainbike-Trail zwischen Gadmen und Obermad.
Das Hotel-Bijoux Rosenlaui. Wer nicht gerade im Rennmodus hochfährt, sollte im 250 Jahre alten Hotel-Bijou «Rosenlaui» Halt machen. Hier kehrten auch schon Johann Wolfgang Goethe, Leo Tolstoy, Mark Twain und Friedrich Nietzsche ein. Seit mehreren Generationen verwöhnt die Familie Kehrli Hotel- und Restaurant-Gäste – mit einer einfachen, aber raffinierten Karte. Unser Favorit für die Stärkung zwischendurch: der Rosenlaui-Chäsbrätel. Das Pièce de Résistance folgt danach: Die Steigung nach der Schwarzwaldalp Richtung Grosse Scheidegg. 18 Prozent. Da gehen einem Schnauf und Worte aus.
Das Hotel Rosenlaui auf halbem Weg zwischen Meiringen und der Grossen Scheidegg. Bereits Goethe und Nietzsche waren von der Landschaft begeistert.
Engstlenalp. Steil, aber schön! Anspruchsvoll ist auch die Fahrt auf die Engstlenalp, zum idyllischen Engstlensee. Von Meiringen über Innertkirchen Richtung Sustenpass – und nach wenigen Kilometern auf der Passstrasse geht es links hoch Richtung Wagenkehr. Der Wagenkehr, man vermutet es richtig, besteht aus Kurven und Kehren. Steil, aber schön. Rund 300 Höhenmeter, ohne Verschnaufpause, bevor man sich dann im Gental wieder etwas erholen kann. Die Fahrt ganz nach oben lohnt sich – erst recht auf der Ausweichroute via Hasliberg und Winterlücke. Die Engstlenalp ist ein wunderbares Naturschutzgebiet – und ein bekannter Kraftort. Und besonders empfehlenswert ist das Hotel Engstlenalp.
Biken am Hasliberg. Und für weitere Mountainbike- und E-Bike-Touren bietet sich der Hasliberg an. Der beliebteste Bike-Berg der Einheimischen. Von Meiringen aus gibt es zwei Forststrassen nach Hasliberg, der angenehmere Hohfluhweg und der steilere Reutiweg. Je 400 Höhenmeter. Unsere weiteren Ziele heissen Bidmi, Mägisalp, Balisalp, Käserstatt, Hääggen, Gummenalp – Namen, die auch den Skifahrerinnen und Skifahrern auf dem Hasliberg ein Begriff sind. Überall locken Restaurants und Bergbeizli. Zwei spezielle Tipps: Gasthof zur Post in Hasliberg-Goldern – im Volksmund «Pöstli» genannt – mit seiner gutbürgerlichen, nein: bestbürgerlichen Küche. Und unser Haslitaler Lieblings-Bergbeizli schlechthin: das Alprestaurant Balis. Eine Trouvaille.
Velofreundlich: die Strasse zwischen Schwarzwaldalp und Grosse Scheidegg ist autofrei, nur der Grindelwald Bus verkehrt hier.
Biken am Hasliberg: Wo im Winter Ski gefahren wird, gibt es von Frühling bis Herbst zahlreiche attraktive Bike-Strecken.
Von den 90er-Jahren hatten wir es schon. Damals gehörte das Haslital zu den beliebtesten Bike-Regionen der Schweiz. Den Trend danach, zu Trails und Downhill-Strecken, hat man dann leider etwas verschlafen. Doch für passionierte Kletterer auf Mountainbike und Rennrad ist das Hasli weiterhin das Velo-Mekka schlechthin – ein landschaftlich und kulinarisch besonders attraktives.
