Text: Anita Lehmeier I Fotos: Nick Hunger, David Birri
LIVING HISTORY. Das grösste Erntedankfest der Schweiz fand diesen Herbst im Freilichtmuseum Ballenberg in Brienz BE statt, als «Fest der Feste». An zwei Wochenenden präsentierten 15 Kantone ihre Spezialitäten und Traditionen. Mittendrin war auch Sbrinz AOP vertreten, der in Brienz gewissermassen zu einem Heimspiel antrat. Der Extrahartkäse wurde zwar nicht im Berner Oberländer Dorf erfunden, ist aber nach ihm benannt. In Brienz versammelt sich ab dem 16. Jahrhundert die Innerschweizer Säumer. Von hier aus nahmen sie mit Lasttieren den gefährlichen Weg über die Alpen in Angriff und brachten den ersten Schweizer Exportschlager nach Italien, um die begehrte Delikatesse an den Märkten und Fürstenhöfen zu verkauften oder zu tauschten, gegen Reis, Mais, Gewürze oder Tuch. Der Saumpfad über den Grimsel und den Gries entwickelte sich schnell zu einer belebten Handelsroute, der ersten Alpentransversale für die Ur-Spediteure. Grosses Bild oben: Chef-Säumer Daniel Flühler führt den Tross durchs Freilichtmuseum.
PFERDE, ESEL & MULIS. In der Lombardei erhielt der Käse die Bezeichnung Sbrinzo, «der aus Brienz». Der Name kam retour über die Alpen und verkürzte sich zu Sbrinz. Noch heute wird die Sbrinz-Route begangen, ein Verein organsiert jeden Sommer geführte einwöchige Wanderungen auf der historischen Route, mit Pferden, Eseln und Mulis und ihren Säumer und – natürlich – Sbrinz, wenn auch nur in symbolischer Menge. Eine Delegation von Säumern in nachempfundenen Gewändern und mit antik anmutendem Transportgestellen paradierte am nationalen Erntedankfest durch das Freilichtmuseum, eine Art lebendiges Geschichtsbuch. Und dem Publikumsandrang nach einer der Höhepunkte des ersten Fest-Wochenendes. Am Käsemarkt war die Entlebucher Spezialitätenkäserei aus Schüpfheim LU mit Sbrinz AOP vertreten, in einem offenen Showroom wurde die Herstellung des «Gold der Alpen» gezeigt.
GENUSS-SHOPPING AUF DEM MARKT. Noch viel mehr Auswahl an Alp Sbrinz AOP bieten die kommenden Märkte: der Nidwaldner Genuss-Markt am Samstag, 5. November auf dem Dorfplatz Stans NW und der Alpkäsemarkt in Beckenried NW am Samstag und Sonntag, 19. und 20. November im Schützenhaus. Von den Alp Sbrinz AOP-Käsern sind dabei Res Gut von der Alp Chüneren in Wiesenberg NW, Paul Barmettler von der Alp Bleiki, Niederrickenbach NW und der Sälmi Töngi von der Geschnialp OW. Bei ihnen gibts jeweils verschiedene Reifegrade von Alp Sbrinz AOP, das heisst diverse Jahrgänge. Das ganze Jahr über trifft man den Sälmi Töngi mit seinem Top-Alp Sbrinz AOP am Luzerner Wochenmarkt an der Reuss. Und Maître Rolf Beeler hält ganzjährig die besten Sbrinz AOP im Sortiment.
BURDITRAGEN! ACTION IM HEU. Im Ballenberg gabs eine lebendige Tradition, die eng mit der Käseherstellung zusammenhängt, live zu erleben: das Burditragen. Hierbei wird eine gewaltige Ladung Heu in ein Netz gepackt und auf dem Buckel nidsi ins Tal getragen. Städtern ist diese schweisstreibende und abenteuerliche Sache besser als Wildheuen bekannt. Seit Jahrhunderten holen unerschrockene Bergbauern den hintersten und letzten Büschel Gras aus dem stotzigen Gelände, um ihre Kühe durch den Winter zu bringen. Am Ballenbergfest haben Jungmänner von der Landjugend Sarnertal einen Parcour gebaut, mit Hindernissen und Heuseil, damit Besucher das Burditragen selber probieren konnten. Für Männer betrug die Last 45 Kilo Heu, für Frauen 25 Kilo, Kinder bekamen einen eher symbolischen Heusack. Echte Wildheuer laden sich schon mal 60 bis 70 Kilo auf, krasses Open-Air Workout. Alljährlich im Juni findet im Melchtal eine nationale Burditräger-Meisterschaft statt. Alles über das gefahrvolle Grasen im Gebirge erfährt man im neuen Buch «Wildheiw» im Verlag Hier und Jetzt.
WILDWIIB & POESIE. Dass Älpler nicht nur hart arbeiten, sondern auch Feste feiern können, zeigte die Mini-Älplerchilbi mit drei Dutzend sonntagsfein herausgeputzten Trachtenleuten und der Musik Eintracht aus Sarnen, die traditionelle Klänge und Tänzen boten, untermalt mit Ur-Sound vom Waschbrett, von Holzlöffeln und Rätschen. Zum Kafi Fertig gabs historisches Poetry Slam; in der Urschweiz heissen diese Mundartgedichte Sprüch. In diesen werden die Ereignisse des Alpsommers auf bissig-humorigen Art in Reimform erzählt, vorgetragen von Wildmann und Wildwiib in Masken und Fellkleidern. Diese Sprüche gibts in Obwalden nochmals zu hören am 5. November in Sachseln, Alpnach und Wilen. Alles sehr urchig, lautstark und politisch herrlich unkorrekt.