Text: Elsbeth Hobmeier Fotos: Samuel Trümpy
Die Startnummer 29. Sie brachte ihm Glück, dem Skirennfahrer Bruno Kernen aus dem Berner Oberland, damals am 21. Januar 1983. Er raste in der Ideallinie den Hahnenkamm in Kitzbühel herunter und fuhr mit der besten Zeit aufs Siegerpodest. «Es war ein grosser Tag für mich, der grösste in meiner Sportlerkarriere», blickt er heute zurück. Das Siegerfoto in der Lounge des Hotels Kernen in Schönried zeigt einen strahlenden jungen Mann mit langen Haaren im blauen Rennanzug, der siegestrunken seinen Elan-Ski in die Höhe stemmt. Tempi passati. Heute führt Bruno Kernen der Erste - so wird er im Skizirkus genannt, als Abgrenzung zum jüngeren Namensvetter, der später das Lauberhornrennen gewann - das Familienhotel Kernen sowie das Hotel Des Alpes in Saanenmöser bei Gstaad.
Ein passionierter Jäger. Jetzt ist Ausnahmezeit, Jagdzeit. Jetzt zieht es den passionierten Jäger Bruno Kernen hinaus in die Natur, in die Wälder und auf die Höhen des Saanenlands. «Für mich ist das die schönste Zeit des Jahres» sagt er. Im Morgengrauen schultert er den Rucksack und das Gewehr - eine Bockbüchse mit je einem Lauf für Schrot und Kugel -, hängt den Feldstecher um und zieht los, begleitet von Hugo, dem jagdbegeisterten dreijährigen Borderterrier. Aufmerksam pirscht er durch den Wald. «In dieser Gegend habe ich öfters einen schönen Rehbock gesehen, einen Sechsender - vielleicht habe ich heute Glück», hofft er. Im September, während der Hirsch- und Gemsjagd, hat er mehrere Gemsen geschossen, seit Oktober ist die Rehjagd offen. Doch Jagen ist nicht einfach Schiessen, es heisst vielmehr beobachten, warten, sich in der Natur bewegen, stundenlang marschieren. Das schätzt Bruno Kernen. «Früher bin ich mit der Stoppuhr durch die Gegend gerannt, immer am Trainieren - heute entdecke ich die Stille und die Schönheit der Natur», sagt er.
Brünu, Fredu, Üelu, Johnny, Flavio. Das Jagen schweisst sie zusammen. «Jägers Gfell» wünschen sie sich am frühen Herbstmorgen, dann streift die Jagdgruppe auf der Suche nach jagdbarem Wild durch die Wälder, begleitet von den Hunden. «Es ist eine schöne Kameradschaft, die weit über die Jagd hinausgeht», sagt «Brünu» Kernen. Schiessen sie ein Tier, wird das gefeiert, schiessen sie keines - so wie heute - ist der Tag genauso schön. Mittags treffen sie sich auf einer Hügelkuppe oben am Hornberg, zünden ein Feuer an, kochen Risotto und braten ein Stück Fleisch, öffnen die eine und andere Flasche, pflegen die Geselligkeit und haben es gut zusammen.
Wir kochen Wild. Ein guter Teil des erlegten Wilds wird in den Gaststuben des Hotels Kernen in Schönried serviert. Es gilt weitherum als eine der besten Adressen für Reh, Gams, Hirsch und Steinbock - «best Pfeffer in the Valley», wissen sogar die internationalen Gäste der Region. «Geniessen Sie in Ruhe, wir kochen Wild», ist das Motto der vielseitigen Speisekarte. Oberstes Gebot: Auf den Teller kommt hier nur einheimisches Wild. Als Pfeffer, Schnitzel, Rücken, Keule, tagtäglich in Perfektion. Dafür bürgt Edwin Griessen, der junge Küchenchef, der bereits bei Kernen gelernt und nach einigen Stationen wieder bei ihm angeheuert hat. Den Pfeffer beizt er zwei Wochen in einem guten Rotwein ein, dann serviert er ihn comme il faut mit den klassischen Beilagen. Ein Highlight ist jeweils das Wildbuffet - dieses Jahr wird es am 20. Oktober und 3. November aufgebaut mit einem ganzen Hirsch- und einem Steinbockrücken als Mittelpunkt.
Du lernst Koch. So beschied einst Vater Kernen dem Buben Bruno. Und weil dieser alles andere als begeistert war, fügte der Papa als Zückerchen bei: «Darfst dann daneben skifahren». So kam es, Bruno Kernen absolvierte die Lehre ohne Murren und brillierte auf der Piste. Doch seinen Sohn Jan will er zu nichts drängen. Aber es könnte sein, dass der heute 25-Jährige, der zurzeit am Hasliberg im Hotel Reuti bei Bruno’s Schwager Hanspeter Wenger an der Hotelréception steht, später einmal als fünfte Generation Kernen die familieneigenen Hotels weiterführt. Die Tochter, eine Profi-Golferin, wohnt und arbeitet in Florida - «mal schauen, ob ihr kleines Mädchen eher Golferin oder Skirennfahrerin wird», sagt der stolze Grossvater, der als Golfer selber auch ein brillantes Handicap 5 vorweisen kann. Vielleicht wird sie ja auch Hotelière. Oder Jägerin.