Interview: Max Fischer, Fotos: Philipp Jeker, HO
Früher grillierten die Leute «eine Braune» oder «eine Weisse». Diese Saison wollen Sie Farbe auf den Grill zaubern.
Bei den Würsten setzen wir den Fokus auf verschiedene Geschmäcker und Farben. Wir haben kleine, feine Brühwürste entwickelt, die etwas grösser als Chipolatas sind. Die verschiedenen Geschmacksrichtungen sorgen für die Farbe: Die Curry-Wurst ist leicht gelblich, die Chilli-Wurst rot und die Kräuterwurst leicht grün. Wir bieten zudem eine Mischpackung mit Grillschnecken an, die farblich schön zueinander passen.
Ist der Hype um Käse- und feurig-exotische Würste vorbei?
Ganz im Gegenteil. Das sind all-time-Favorites. Eine mit Käse gefüllte Wurst mit ein paar Streifen Speck umwickelt funktioniert immer. Am beliebtesten ist das Bernerli – auch einer meiner persönlichen Lieblinge. Mein Tipp: Variieren und probieren Sie verschiedene Käsesorten aus.
Was kann man beim Grillieren von Würsten falsch machen?
Nicht viel.
Aber an Grillpartys werden oft Cervelas serviert, die aussehen wie Kohlebriketts.
Man darf Würste nicht zu heiss grillieren, sonst werden sie schwarz, sie platzen sehr schnell und sind innen noch kalt. Wenn man rohe Produkte auf den Grill legt, brauchen diese Zeit, um durchzugaren. Bei mittlerer Hitze werden sie schön erwärmt. Besonders aufpassen muss man bei rohen Würsten, bei denen das Fett nicht so gebunden ist wie bei einer St. Galler Bratwurst. Wenn man diese zu heiss grilliert, tropft das Fett auf die Kohle – es entstehen Flammen und die Würste werden trocken. Für eine gute Grillwurst braucht es Geduld.
Viele Restaurants haben nicht mehr nur Filets und Entrecôtes auf der Speisekarte. Sie bieten neben den Edelstücken immer mehr Second Cuts an. Kann man diese auch zu Hause grillieren?
Die Konsumenten hören und lesen immer mehr darüber und sie interessieren sich verstärkt für Nose-to-Tail. Die Zubereitung auf dem Grill bietet sich dazu an. Die Leute wollen möglichst alles von einem geschlachteten Tier verwerten und nicht viele vermeintlich minderwertige Stücke verschmähen.
Was heisst vermeintlich minderwertig?
Richtig zubereitet sind das Highlights bei einem Grillfest. Das Flank Steak aus dem Bauchlappen des Rindes ist heute schon sehr beliebt und salonfähig.
Und andere?
Eine Delikatesse ist das Secreto. Das ist der Karreedeckel beim Säuli, der auf dem Übergang vom Rücken zum Hals liegt. Diesen spanischen Cut hatten wir vor zwei Jahren als Selbstbedienungsartikel im Angebot. Doch das war zu früh, die Leute kannten das nicht, es lief nicht. Wir mussten es auslisten, doch wir werden es sicher nochmals lancieren. Sehr empfehlenswert und einen Versucht wert ist auch das Fledermaus- oder Spider-Steak. Es sieht in rohem Zustand nicht sehr anmächelig aus, ist aber zum Essen fantastisch gut.
Aber nochmals: Kriege ich das zu Hause bei meiner Gartenparty auch so hin, dass ich nachher noch Freunde habe?
Die Second Cuts sind nicht schwieriger zu grillieren als andere Steaks. Mit etwas Übung werden Ihre Freunde gerne öfters kommen (lacht).
Oft hört man, dass sich die Gäste bei diesen zähen Stücken fast die Zähne ausgebissen hätten.
Wie jedes gute Steak darf man die Second Cuts nicht zu lange auf den Grill legen. Und man sollte es eher rare oder im Maximum medium rare braten. Dann wird es butterzart. Das Flank Steak beispielsweise hat eine sehr grobe Fleischfaser. Wenn es blutig ist, ist dieses Stück ein Hit. Wenn es hingegen durchgebraten ist, hat es die Konsistenz eines nicht lange geschmorten Bratenstücks.
Dann ist es zäh wie Leder …
…und wirklich kein Highlight. Aber: für mich ist auch ein durchgebratenes Entrecôte kein Genuss.
Viele Hobby-Grillmeister schwören auf ihre eigenen Räucher-Rezepte. Ein Hype? Oder bringt das wirklich etwas?
Es kann was bringen. Doch man sollte sich eingehend damit beschäftigen. Es gibt von verschiedenen Herstellern Metallröhren, die man mit Schnipseln füllen kann. Auf jeden Fall muss der Grillchef einen geschlossenen Grill verwenden. Bei einem offenen Grill bringt Räuchern überhaupt nichts. Und dann muss der Grilleur das Fleisch lange genug im Grill lassen. Wenn er nur ein einzelnes Steak zehn Minuten in den Grill legt, wird er nicht viel von Räucheraromen merken. Das ist dann wirklich nur Einbildung.
Wie klappt´s denn?
Am besten mit einem grösseren Teilstück, einem Schweinehals, einer Rinderbrust oder einem Poulet. Diese auf den Grill legen, die Schnipsel dazu geben und den Deckel zu machen und nicht wieder öffnen. Die Schnipsel muss man vorher einweichen, damit sie feucht werden. Sie sollen ja nicht brennen, sondern Rauch entwickeln. Dann bracht es Geduld. Diese grossen Stücke müssen lange garen. Auf keinen Fall darf man von Zeit zu Zeit nachschauen. Nur so kann sich der Rauch stark ausbreiten und das Fleisch kann den typischen Geruch aufnehmen. Wenn man keine Geduld hat und dauernd den Deckel hebt, verflüchtigt sich der Rauch – und die Gäste werden beim Genuss des Fleisches nichts von Räucheraromen spüren.
Wie viel Zeit muss man für solche grosse pieces rechnen?
Wir reden hier nicht von ein paar Minuten. Das kann 24 oder noch mehr Stunden dauern. Und es ist etwas für Liebhaber, die Spass und Zeit an diesem Hobby haben und sich eventuell auch einen Smoker kaufen. Dafür ist das Ergebnis dann top. Eine so gegarte Rinderbrust ist zart wie Butter. Viele machen so auch Spareribs – ebenfalls ein Gedicht, für das ich lange Wege in Kauf nehme!
Muss ich auf diesen Gaumenschmaus verzichten, wenn ich zu ungeduldig bin?
Bell bietet diese Stücke vorgegart an. In 20 Minuten sind sie genussfertig.
Ein anderer Hype dreht sich um den Reifungsprozess des Fleisches. Hat dieser Auswirkungen aufs Grillieren?
Jede Art der Reifung ist dafür geeignet. Zartes Fleisch ist das Ziel jeder Fleischreifung. Ob bei der Trockenreifung Dry Aging, dem jetzt angesagte Reifen in Butter oder im Talg, das sehr alt und jetzt wiederentdeckt worden ist. Oder bei der Standardvariante Wet Aging, dem Vakuum-Reifen, das wir mit jedem Stück Fleisch seit dreissig Jahren machen. Das gleiche gilt auch für Spezialisierungen wie etwas dem Whisky-Aging. Dort wird das Fleisch in ein Leinentuch eingewickelt und mit Whisky oder auch Rum beträufelt. Je mehr ich mit dem Reifeprozess den Geschmack des Fleisches beeinflusse, desto wichtiger ist es, dass ich das nachher nicht mit einer Marinade wieder zunichte mache. Durch die Reifung entstehen eher leichte Aromen, wenn ich dieses Fleisch mariniere, spüre ich nur noch die Marinade. Das wäre vergebene Liebesmüh! Das gleiche gilt für die Zubereitung: wenn man das Fleisch durchgart, viel zu heiss grilliert und eine vermeintlich schöne Kruste hat, schmeckt man von der Reifung nichts mehr. Dann spüre ich nur noch die Röstaromen heraus.
Kann ich zu Hause das gekaufte Fleisch auch nachreifen lassen?
Mittlerweile gibt es für den Hausgebrauch auch Reifeschränke, den Dry Ager. Ein etwas grösserer Kühlschrank. Aber das ist auch aus Kostengründen nur etwas für jemanden, der grossen Spass daran hat und das als aufwändiges Hobby betreibt.
Als Wochenend-Grilleur bleibt mir keine Möglichkeit?
Es gibt im Handel Dry Aging Reifebeutel. Damit können Sie in 18 bis 20 Tagen hochwertiges Fleisch in ein perfektes Dry-Age-Beef verwandeln. Durch die wasserdampfdurchlässigen Membran-Vakuumbeutel werden die Aromen konzentriert und das Fleisch verdirbt nicht.
Kann ich fürs Whisky-Aging das Fleisch auch einfach einlegen?
Einlegen ist ein gefährliches Wort (lacht). Wenn Sie es wie einen «Suure Mocke» in Alkohol einlegen, dann wird Ihr Fleisch sehr, sehr trocken. Alkohol wie auch Säure, beispielsweise von Essig, zermürben das Fleisch und entziehen ihm sehr viel Saft. Besser legen Sie ein Leinentuch in Whisky oder Rum ein. Dann wickeln Sie das Tuch ums Fleisch und legen es für ein, zwei Tage in den Kühlschrank. Zwischendurch können Sie es ein paar Mal leicht beträufeln.
Zurück zu den von den Konsumenten heiss geliebten Marinaden. Metzger schwören auf den Eigengeschmack des Fleisches. Ein Widerspruch?
Überhaupt nicht. Bei einem teuren, gereiften Stück Fleisch möchte ich speziell das Fleischaroma schmecken und arbeite deshalb möglichst nur mit ein bisschen Pfeffer und Salz. Aber ein Schweinehals oder ein Rindersteak mit Kräuterbutter schmeckt durchaus sehr gut.
Und die Burger?
Wir haben die Big Triple B oder Triple B – Bell Best Burger. Die sind pur aus Rindfleisch etwas gröber gewolft und lockerer in der Struktur. Das ist für den wirklichen Burger-Liebhaber. Die breite Käuferschaft kauft vorgewürzte Burger. Die meisten essen diese auch nicht als klassische Burger, sondern als Beilage mit Salat oder Pommes Frites auf einem Teller.
Grillieren Sie als Fleischtiger auch Fisch und Seafood?
Immer häufiger. Wie bei Würsten und Fleisch gilt auch hier: nicht zu stark erhitzen. Der Fisch ist ein sehr instabiles Produkt. Deshalb bieten wir oftmals Grillschalen oder Grillgitter an, damit keine Teile durch den Rost fallen. Eine Alufolie hilft, damit das Schuppenkleid oder die Haut des Fisches nicht auf dem Rost kleben bleiben und der Fisch gleichmässig gegart wird. Und ebenfalls ganz wichtig: auch den Fisch nicht komplett einlegen und zu stark würzen. Das wäre schade, wenn der Eigengeschmack von Lachs, Dorade, Wolfsbarsch oder Seesaibling nicht mehr herauskäme. Crevettenspiesse gibt es in allen Formen und Farben. Super ist ein Hummer auf dem Grill. Doch das leistet man sich nicht jeden Tag.
Was grillieren Sie am liebsten?
Ein saftiges T-Bone-Steak oder Rib-Eye mit so richtig Fleisch dran und Fett drin, esse ich fürs Leben gern. Möglichst pur. Mit ein wenig Salz und Pfeffer, vielleicht ein bisschen Kräuterbutter dazu. Und nicht nein sagen kann ich auch bei einem American Barbecue mit Pulled Pork, Spareribs oder Beef Brisket. Noch schöner ist das in einer grossen, gemütlichen Runde.
>> Fleischsommelier Jan Schemmer ist 32 Jahre alt, Metzgermeister und Fleischtechniker. Zudem hat er einen MBA in Unternehmensführung mit Vertiefung Fleischwirtschaft der FH Burgenland/Österreich. An der Meisterschule Landshut bildete er sich auch zum Fleischsommelier weiter. Seit 2018 ist er Leiter Produktmanagement und Entwicklung bei Bell Schweiz.