Interview: Kathia Baltisberger Fotos: Ellin Anderegg
Das Essig-Regal ist riesig. Wie finde ich mich bei der Aceto-Balsamico-Auswahl am besten zurecht?
Man muss zunächst wissen, wofür man ihn braucht. Für einen Salat oder ein Dessert? Entsprechend kann man einen süssen oder einen eher säuerlichen Aceto balsamico di Modena wählen. Und der Preis ist natürlich auch immer ein Indiz für Qualität und Alter.
Und je älter desto besser?
Aceto Balsamico wird in Holzfässern gelagert und ähnlich wie beim Wein wird er immer besser. Oft sind die Fässer offen und lagern bei den Bauern auf den Estrichen. Abgedeckt sind sie nur mit einem Tuch und die Fenster sind ganzjährig geöffnet. Dadurch verdunstet Flüssigkeit, der Balsamico reduziert sich ein, wird intensiver und süsser. Einen so alten, süssen Balsamico geniesse ich am liebsten pur – wie ein Praliné. Für einen Tomaten-Mozzarella-Salat hingegen empfehle ich einen eher jüngeren Aceto balsamico di Modena.
Muss ein echter Aceto Balsamico immer aus Modena kommen?
Ja. Die Bezeichnung Aceto Balsamico die Modena I.G.P. ist geschützt. Nur Produkte aus Modena oder der Provinz Reggio Emilia haben sie. Es sind aber noch andere Punkte ausschlaggebend, zum Beispiel das richtige Flaschenmass. Ein Balsamico, der nicht in Modena produziert wurde, wird Balsamessig genannt.
Und was bedeutet der Begriff «tradizionale»?
Dabei handelt es sich um die höchste Qualität. Ein solcher Balsamico muss mindestens zwölf Jahre alt sein. Der wird immer und immer wieder einreduziert. Der Produzent muss mit seinem Produkt zum Konsortium, das entscheidet, ob der Balsamico gut genug ist für das Prädikat «tradizionale». Ist das der Fall, werden dem Produzenten die Flaschen ausgehändigt – das Volumen entspricht genau der präsentierten Menge. So kann nur als «tradizionale» abgefüllt werden, was das Konsortium auch abgenommen und genehmigt hat. Ist ein Aceto Balsamico di Modena IGP über 25 Jahre alt, erhält er zusätzlich noch die Bezeichnung «extra vecchio». Ein Aceto Balsamico hat übrigens auch kein Verfallsdatum.
Was ist das Besondere am Balsamico der Globus-Eigenmarke?
Wir haben verschiedene Klassifizierungen, die mit Fässern gekennzeichnet sind. Es startet beim Aceto mit zwei Fässern, das ist ein guter Essig für den alltäglichen Gebrauch. Dann geht’s bis zu vier Fässern. Auf der Etikette steht jeweils eine Empfehlung, wofür man das Produkt am besten verwendet. Wir haben auch einen Aceto Balsamico als Geschenksvariante mit Verpackung. Der hat keine Fässer zur Klassifizierung, man kann ihn aber für alles verwenden. Und wir führen ein paar echte Raritäten. Der Vater einer unserer Produzenten macht privat einen Aceto, den Mussini Condimento Riserva. An einem Wettbewerb, der aus allen Wettbewerbs-Siegern der letzten 50 Jahre organisiert wurde, ist er Dritter geworden. Wir haben ein paar wenige nummerierte Flaschen davon erhalten. Diesen zu geniessen, ist ein wahrhaftiges Erlebnis. Ein Deziliter kostet 299 Franken.
Was ist der Unterschied zu einem weissen Balsamico?
Zunächst nannte man ihn Aceto Balsamico bianco. Doch die meisten nennen ihn heute Condimento, was mit Dressing oder Würze übersetzt wird. Er wird in denselben Provinzen hergestellt, ist aber nicht geschützt. Er wird gerne mit dem richtigen Aceto balsamico di Modena verglichen, weil er auch diese Süsse hat. Der weisse Balsamico bleibt hell, weil er bei niedriger Temperatur eingedickt wird.
>> Ursula Kuster ist Senior Buyer in der Globus Delicatessa.