Text: Isabel Notari
Der Zeitpunkt ist ungünstig. «Ramon fährt gleich den zweiten Lauf. Bitte entschuldigt, das muss ich mir in Ruhe anschauen», sagt Tanja Hüberli, eine der erfolgreichsten Schweizer Beachvolleyballerinnen – und Freundin von Skistar Ramon Zenhäusern. Verstehen wir, sind ja auch zu früh nach Bern angereist, wo die 1,89 Meter grosse, durchtrainierte, ranke und schlanke Tanja aus Reichenburg SZ in ihrer WG-Wohnung für «al dente» kocht. Alles sehr gesund, wie es sich für Spitzensportler gehört, sehr schmackhaft und modern. So wie junge Leute heute eben gerne kochen. Pfiffig und unkompliziert. Es gibt Randencarpaccio, mit Feta, Nüssen und Honig überbacken. Gefüllte Auberginen mit Hirse und erfrischendem Joghurt-Dip. Und zum Dessert einen Apfel-Aprikosen-Kuchen.
Tanja Hüberli, am Strand müssen Sie ja eine gute Figur machen. Ist das Ihre Motivation, gesund zu kochen?
Nein, nein. Obwohl unsere Sportart vom Tenü her sehr brutal ist, da ist jedes Gramm Fett, das zu viel auf
den Rippen ist, für die Zuschauer sichtbar. Und natürlich ist ein definierter Körper ästhetischer. Aber das ist
nicht der Grund für meinen Hang zur gesunden Ernährung. Ich fühle mich einfach wohler, wenn ich leichter esse. Jedes Kilo mehr schmälert die Leistung, macht Sprünge und Bewegung anstrengender.
Wie ernähren Sie sich denn?
Ich verarbeite immer frische Zutaten, auf Fertigprodukte verzichte ich gänzlich. Ausserdem versuche ich, so wenig Zucker wie möglich zu konsumieren.
Aber ganz ohne Zucker geht nicht?
Bananen und Honig sind meine Süssstoffe. Auch beim Backen. Ich liebe ja eigentlich Schokolade und andere Süssigkeiten. Aber ich hatte immer wieder Entzündungen, in den Schultern, Knien, Ellbogen und im Rücken. Als ich dann vor über einem Jahr angefangen habe, so oft wie möglich auf Zucker zu verzichten, ging es mir wesentlich besser.
Kochen Sie immer selber?
Wann immer es geht. Ich habe zweimal am Tag Training, wohne nahe beim Beachcenter Bern, wo ich trainiere. Da kann ich gut selber kochen. Am Morgen gibts Müesli, das ich selber mische, weil ich ja keinen Zucker will. Mittags und abends gönne ich mir viel Gemüse, Kichererbsen-, Vollkorn- oder Dinkel-Pasta.
Ihre Lieblingsküche?
Gehe ich Anfang Woche einkaufen, vor allem in Bioläden und Reformhäusern, verweile ich am längsten in der Gemüse- und Früchteabteilung. Darauf kann ich auf keinen Fall verzichten. Ausserdem mag ich Thai- und chinesische Küche.
Wie haben Sie kochen gelernt?
Von meiner Mutter. Sie führt das Café Lichtsinn in Reichenburg. Da habe ich als Kind so einiges mitbekommen, viel Zeit in der Küche verbracht und auch auch mal einen ganzen Sommer dort gearbeitet. Witzig ist, dass mein Mami jetzt auch von mir lernt. Einmal pro Jahr kommt sie mit ins Trainingslager nach Teneriffa. Dann kocht sie und probiert all die neuen, gesunden Gerichte mit den sogenannten Superfoodprodukten aus. Einige setzt sie dann auch auf die Karte in ihrem Café.
Kommt das bei den Gästen an?
Bei manchen schon. Aber viele kehren natürlich wegen den typischen Kaffee-Klassikern bei ihr im «Lichtsinn» ein.
Kochen Sie nach Rezepten?
Nein, und wenn ich dann doch mal in ein Kochbuch schaue, ändere ich das Rezept meistens noch ab.
Haben Sie gerne Gäste?
Wenn ich Zeit habe, ja. Dann stehe ich auch gerne lange in der Küche.
Ihr Freund ist das Slalom-Ass Ramon Zenhäusern. Bekochen Sie ihn oft?
Ja, und er schätzt es sehr. Denn Kochen ist nicht grad seine Lieblingsdisziplin.
Zwei Spitzensportler an einem Tisch. Gibts auch Wein zum Essen?
Ein Glas Rotwein schätzen wir sehr. Wenn auch Ramon etwas weniger als ich.
Kochen Sie für ihn anders als im Alltag?
Vor allem grössere Mengen! Ich mache wenig Fleischgerichte. Da hatte er zu Beginn Mühe und rümpfte die Nase. Mittlerweile schmeckt es ihm aber auch ohne Fleisch, habe ich festgestellt.
Könnten Sie sich denn vorstellen, vegetarisch oder gar vegan zu leben?
Ich gehe ja schon fast als Vegetarierin durch. Vegan zu leben, stelle ich mir aber sehr aufwendig vor. Vor allem wenn man wie ich viel unterwegs ist. Und ganz ohne tierische Eiweisse auskommen – weiss nicht, ob ich das könnte. Obwohl andere Sportler es ja vorleben, bin ich trotzdem überzeugt, dass sie wichtig sind, einfach halt in Massen – wie immer.
Ihr Leben war von einer Minute auf die andere nicht mehr das gleiche, als bei Ihnen vor einem Jahr eine Lungenembolie diagnostiziert wurde.
Ja, mir geht es nach der Operation wieder gut. Aber ich habe gelernt, auf meinen Körper zu hören. Die Geschichte der Ernährung hat mich zwar schon immer interessiert. Entsprechend lese ich viel darüber, habe viel ausprobiert. Es brauchte aber Zeit, bis ich gemerkt habe, was für mich gut ist und was nicht. Früher habe ich oft zwischendurch gesnackt. Heute gönne ich meinem Verdauungsapparat Ruhepausen, damit er nicht ständig arbeiten muss.
Schlagen Sie dennoch mal über die Stränge und essen was Ungesundes?
Selbstverständlich. Pommes frites, beispielsweise! Die habe ich schon als Kind geliebt. Aber ich versuche, solche Ausnahmen zu begrenzen und mich auch bei Schokolade zurückzuhalten. Es fällt mir leichter, ganz auf etwas zu verzichten als nur ein bisschen.
Sie sind an den schönsten Beaches der Welt unterwegs. Gluschtet Sie es nie, Spezialitäten von den Imbissbuden zu kosten?
Das hat es auch schon gegeben. In Brasilien etwa. Aber ich bin da sehr vorsichtig. Auch aus hygienischen
Gründen. Ich will während eines Turniers gesundheitlich nichts riskieren.
Essen Sie auch gerne auswärts?
Sehr sogar. Da ich ja fast immer selber koche, ist es eine tolle Abwechslung. Ich gönne mir viel lieber ein schönes Essen in einem Lokal, als dass ich mir mal schnell was von einem Take-away hole.
Wie wählen Sie ein Lokal aus?
Ich achte sehr darauf, dass gesund und vor allem frisch gekocht wird. Restaurants mit 100 Positionen auf der Menükarte sind mir nicht geheuer. Das kann ja gar nicht alles frisch sein. Kleine, marktfrische Gerichte – das gefällt mir.
Was würden Sie in einem Restaurant nie bestellen?
Innereien wie Kutteln, Leber oder Milken sind so gar nicht meins.
Nach einem Sieg: Wie feiern Sie mit Ihrer Beachvolleyball-Partnerin Nina Betschart einen Sieg?
Haben wir gut gespielt, gönnen wir uns immer einen Restaurantbesuch. Denn das Buffet im Hotel, wo wir
jeweils einquartiert sind, haben wir nach ein paar Tagen meistens satt.
>> Fotos: Kurt Reichenbach, Thomas Buchwalder, Keystone.