Text: David Schnapp
Besser als erwartet. 44 Ristoranti betreibt das Familienunternehmen Bindella in der ganzen Schweiz, 24 Lokale haben seit vergangenem Montag ihre Terrassen und Aussenbereiche wieder geöffnet. «Wir sind besser gestartet als erwartet. Ich hätte nicht gedacht, dass das so einschlägt», sagt Rudi Bindella Jr. zur Öffnungsoffensive. Im «Terrasse» am Bellevueplatz in Zürich (grosses Bild oben), das allein schon des Namens wegen wieder Gäste empfangen sollte, seien die Leute trotz kühler Temperaturen bis spät abends unter den Bäumen sitzen geblieben. «Das Nachholbedürfnis der Leute ist offensichtlich enorm gross», sagt Bindella, der die Firma seit einiger Zeit zusammen mit seinem Vater führt.
Schlagzeilen mit offenem Brief. Rudi Bindella sorgte zu Beginn des Jahres 2021 für Schlagzeilen, als er einen offenen Brief an den Bundesrat als ganzseitige Anzeige in Zeitungen veröffentlicht hatte und die Landesregierung so auf die Sorgen und Nöte der Gastronomie aufmerksam machen wollte. Für das grösste private Gastrounternehmen der Schweiz ging es dabei immer um mehr als bloss die eigene Erfolgsrechnung. «Wir wollen ein Zeichen setzen und das Leben wieder in die Innenstädte bringen», sagt deshalb Rudi Bindella Jr. auch heute.
Betriebe mit Strahlkraft. Man habe deshalb auch Betriebe geöffnet wie das «Lorenzini» in Bern, bei dem es sich betriebswirtschaftlich nicht lohne, einen eher kleinen Aussenbereich zu betreiben, «aber wir können nicht nur überlegen, was profitabel ist», so Bindella. Das dem Künstler Rolf Brem gewidmete «Barbatti» in Luzern, die Pizzeria «Santa Lucia» in Schaffhausen sowie am Zürcher Paradeplatz oder die «Cantinetta Bindella» in Solothurn – «wir haben Betriebe wieder geöffnet, die eine gewisse Strahlkraft haben», sagt Rudi Bindella Jr.
Perspektive für Mitarbeiter. Dabei gehe es zum einen darum, den Leuten Gelegenheiten zu geben, sich zu treffen und auszutauschen: «Unsere Schutzkonzepte haben schliesslich immer funktioniert, wir setzen Plexiglas-Trennwände ein und pro Tisch dürfen höchstens vier Leute sitzen und müssen sich registrieren», erklärt Ökonom Bindella. Zum anderen gehe es aber auch darum, den eigenen Mitarbeitern wieder eine Perspektive zu geben. Rund 1300 Angestellte beschäftigt das Familienunternehmen, aber einige hätten im Verlauf der Krise den Betrieb verlassen, weil sie keine Zukunft in der Gastronomie gesehen hätten.
Linguine und Rinderfilet im Pfännchen. In den 24 Bindella-Ristoranti, die auf Terrassen, Balkonen oder Boulevard-Cafés wieder Gäste empfangen, ist jetzt endlich wieder «Öl im Getriebe», wie es Rudi Bindella Jr. formuliert. Ein Lunch im «Ristorante Bindella» an prominenter Lage mitten in Zürich zeigt, dass der Wagen tatsächlich schon wieder wie geschmiert läuft. Viele Tische werden mehrfach besetzt, ältere Paare, Familien, Banker und junge Leute nehmen Platz, die Linguine mit Tomaten, Scampi und Riesencrevetten werden oft bestellt, und das Rinderfilet im Pfännchen mit sämiger Pistazien-Kräuter-Sauce ist immer noch so gut, als hätte es nie einen Lockdown gegeben.