Text: Elsbeth Hobmeier
Projekt zweier Freunde. Philipp Hildebrand, der Ex-Präsident der Schweizerischen Nationalbank, träumte von einem kleinen und feinen Boutique-Weingut bei Bolgheri, in der besten Weingegend der Toskana. Mit Unternehmer Rudi Bindella senior, der seit Jahrzehnten ein eigenes Gut in Montepulciano besitzt, fand er den idealen Partner. Am 1. Juli dieses Jahres unterzeichneten die beiden Freunde, welche auch das Ristorante Zafferano in Zürich gemeinsam betreiben, einen Vertrag, um das neue Weingut Vergaia in Bibbona gemeinsam in eine vielversprechende Zukunft zu führen. Die Distribution in der Schweiz liegt bei der Firma Bindella in Zürich, erhältlich ist der Wein vorerst nur in der Schweiz und in Italien. Das dürfte sich mit den künftigen Jahrgängen ändern, da wird auch der internationale Export ein Thema werden. Aber vorerst sind die Mengen mit bis gegen 8000 Flaschen noch zu gering. Der erste offizielle Jahrgang 2020 ist praktisch ausverkauft, der 21er ist mittlerweile ausgeliefert. Grosses Bild oben: Starönologe Riccardo Cotarella, Neo-Winzer Philipp Hildebrand und Rudi Bindella (v.l.).
Berühmte Nachbarn. Hildebrand, Vice Chairman beim weltgrössten Vermögensverwalter Blackrock und seit letztem Jahr auch Präsident der Zürcher Kunsthausgesellschaft, ist ein passionierter Weinfreund und Bordeaux-Liebhaber. Schon länger liebäugelte er mit dem Kauf einer Liegenschaft in der Toskana. Fündig wurde er letztlich in direkter Nachbarschaft zu so prominenten Weingütern wie Biserno, Sassicaia und Ornellaia. «Da müsste ich doch vielleicht auch Wein anpflanzen», dachte er sich und holte sich Italiens Star-Önologen Riccardo Cotarella als Berater. Die Bodenproben waren vielversprechend, 2017 wurden die ersten Rebschösslinge gepflanzt. Cabernet franc, Merlot, Cabernet Sauvignon und Petit Verdot - die perfekte Grundlage für einen klassischen Bordeaux-Blend. 2019 konnten die ersten Trauben geerntet werden. Sie waren bereits von so überraschend guter Qualität, dass Cotarella darauf drängte, alle zusammen zu vergären und einen ersten Probewein zu machen. «Der war schon recht gut. Aber der 20er ist natürlich weit dichter und ausbalancierter. Und jede Traubensorte wird individuell nach ihrem Reifegrad geerntet», sagt Philipp Hildebrand. In der Zwischenzeit konnte er noch zusätzliches Land sowie dreieinhalb Hektaren mit bereits 30-jährigen Reben dazukaufen, was die Qualität wie auch die Quantität künftig nochmals heben wird.
Ein eigener Keller in Bibbona. Bis das neue eigene Kellergebäude in Bibbona fertig gebaut war, konnte der Vergaia bei Antinori produziert werden, dank der langjährigen Freundschaft zwischen Rudi Bindella und dieser grossen Weinfamilie. Bei der Keller-Einweihung waren alle berühmten Weinnachbarn dabei. Hildebrand und Bindella strahlen, wenn sie von dieser schönen, freundschaftlichen Feier erzählen und vom Gefühl, herzlich willkommen geheissen zu werden. Der 2024er wird als erster im eigenen Keller entstehen, zurzeit ist die Ernte im Gange. Wie bisher ist eine einzige Cuvée aus denselben vier Rebsorten vorgesehen, «die Zusammensetzung kann sich jedoch je nach Jahrgang ändern», so Rudi Bindella. Immer einen schönen Anteil liefern wird jedoch der würzige Cabernet franc, der auf den Böden bei Bolgheri besonders gut gedeiht. «Vergaia ist ein echtes Bijou», sagt der Winzer anerkennend, der mit Vallocaia in Montepulciano ein ebensolches Bijou besitzt.
Merlot. Öl. Grappa. Der neue Keller ist auf eine Produktion von mindestens 30’000 Flaschen angelegt. Da kann die Kapazität also noch gewaltig gesteigert werden. Auch die bisher 6,5 Hektaren Rebland sollen noch bis zu 10 Hektaren anwachsen. Wie sehen die Pläne für die nähere Zukunft aus? «Vielleicht später mal ein reiner Merlot, das wäre schön», sinnieren die beiden Freunde. «Und ein gutes eigenes Olivenöl für unser Ristorante Zafferano. Bald einmal ein Grappa Vergaia». Die Ideen gehen ihnen nicht aus. Den Namen Tenuta Vergaia sollte man sich merken.
Fotos: HO