Fotos: Luca Bianchi
«Koks» in Grönland. Es ist das abgelegenste Restaurant der Welt: das «Koks». Eigentlich befindet sich das Zwei-Sterne-Restaurant auf den Färöern Inseln. Das ist schon recht abgelegen. Doch in den vergangenen drei Jahren zogen Küchenchef Poul Andrias Ziska und sein Team noch weiter weg. Und zwar nach Grönland. Ein spontaner Besuch ist unmöglich und Laufkundschaft gibt es schon gar nicht im Lokal mit gerade mal 30 Plätzen. Und trotzdem gibt es zahlreiche Gäste, die den Weg gerne auf sich nehmen. Einer von ihnen ist Luca Bianchi, Co-Geschäftsführer der Bianchi AG. Luca ist im Betrieb verantwortlich für die Abteilung Fisch und Seafood und reist mehrmals im Jahr als Food-Scout in ferne Länder, um neue Produkte und Produzenten zu besuchen.
Robben-Blutwurst & Elch-Innereien. «Ich war schon einmal im Koks auf den Färöern. Ich war so begeistert, dass wir einige Produkte wie Seeigel ins Sortiment aufgenommen haben», sagt Luca Bianchi. Das neue Koks befindet sich in Ilimanaq, einem 50-Seelen-Dorf an der Westküste Grönlands, über 300 Meter nördlich des Polarkreises. Die Vegetation hat einen grossen Einfluss auf die hier erhältlichen Produkte. Obst und Gemüse sind Mangelware, dafür gibt es viel Fisch und andere Delikatessen aus dem Meer. «Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ziska Robben-Blutwurst, Möwenflügel, Walfisch oder Elch-Innereien serviert. Das wollte ich natürlich auf gar keinen Fall verpassen.» Also macht sich Luca Bianchi zusammen mit seiner Freundin Deborah Pranjes auf den Weg nach Grönland – mit Zwischenstopps in Kopenhagen, Oslo und Reykjavik.
Abenteuerliche Anreise im ewigen Eis. Von Island aus fliegt man zur Nato-Basis Kangerlussuaq auf Grönland. Von dort fliegt man mit einer kleinen Propellermaschine weiter nach Illiussiat. «Auf halbem Weg mussten wir noch zwischenlanden, um einen Arzt mitzunehmen, der im «Nachbarsdorf» Hausbesuche macht», so Bianchi. Von Iliussiat geht es per Boot weiter nach Ilimanaq – ein erstes Highlight der Reise: «Die Natur, vorbei an grossen Gletschern, Eisfeldern, Eisbergen und Eisschneisen war schlichtweg atemberaubend.» Dass auf der Anreise alles glatt läuft, ist nicht selbstverständlich. «Die Inlandflüge werden oft aufgrund extremer Wetterbedingungen verschoben. Doch wir hatten grosses Glück und konnten den engen Zeitplan einhalten.»
Comfort Food Walfett. Doch gekommen ist Luca Bianchi nicht wegen der Aussicht, sondern wegen Chef Ziska und seinem aussergewöhnlichen Menü. Zum Start dieser kulinarischen Reise gab es gleich mal einen Grönlandwal. Etwa 10’000 Exemplare leben in der Arktis. Zwei von ihnen dürfen pro Jahr getötet werden. «Wir bekamen Mattak. Dabei handelt es sich um ein Gericht aus rohem Walfett, das mit der Haut serviert wird. Es schmeckte überhaupt nicht fischig, sondern eher nussig», erinnert sich Bianchi. Mattak ist übrigens ein beliebter Comfort Food bei den Grönländern. Im «Koks» werden insgesamt 18 Gänge serviert. «Man spürt, dass die Nachhaltigkeit hier einen hohen Stellenwert hat. Das Serviceteam erklärt ganz genau, welche Produkte von welchem Fischer, Jäger oder Sammler kommt.
Schneehuhn und Seevogel. Poul Andrias Ziska, der unter anderem im Geranium in Kopenhagen kochte, hat hier die Möglichkeit mit ganz aussergewöhnlichen Produkten zu arbeiten. «Wenn Sie nach Grönland gekommen sind, um die Kultur und das Essen zu erleben, dann müssen Sie sich darauf einlassen. Es geht mir nicht darum, die Leute zu provozieren. Aber sie sollten darüber nachdenken, woher ihr Essen kommt und wie es auf den Teller kommt», sagt Ziska im «Telegraph». Verschiedene Wildvögel wie das echte Schneehuhn oder der Guillemot – eine Art Seevogel – landen auf Bianchis Teller. Beide Vögel gehören zu den Signature Dishes des Hauses. «Das Schneehuhn wurde uns sogar an der Feder als Geflügelspiesschen serviert», resümiert Bianchi beeindruckt.
Schon bald bei Bianchi. Neben Wildgeflügel gibt es auch viel aus dem Meer. «Die Eismeergarnele hat eine ganz glasige Konsistenz und einen süsslichen Geschmack. Dann gab es Stinte, ein Fisch, der bei uns etwas aus der Mode gekommen ist. Aber in Japan hat er an grosser Bedeutung gewonnen», weiss der Fischexperte. Der Kapelan ist fettig, die Struktur zart und der Geschmack nussig. Um 23 Uhr, wenn der letzte Gang serviert wird, ist es draussen immer noch hell. Zurück in wärmere Gefielde müssen Luca und Deborah nicht mehr, denn geschlafen wird in einer zum Restaurant gehörenden Lodge. Und Luca Bianchi denkt bereits daran, welche Produkte für seine Kunden in der Schweiz interessant sein könnten. «Walfisch werden wir wohl nie in unser Sortiment aufnehmen können, aber die Stinte werde ich auf jeden Fall wieder fördern.»