Text: Isabel Notari | Fotos: Kurt Reichenbach
POLITIKER, JÄGER, PERFEKTIONIST. Lorenz Hess überlässt nichts dem Zufall. Alles ist perfekt vorbereitet in der offenen Küche seines Hauses in Stettlen BE. Rüebli und Sellerie sind für das Ofenschmorgemüse gerüstet, das Fleisch – Rehschnitzel, Wildsaukoteletts und Hirschfilets – liegt pariert und mariniert bereit. Kochen für den GaultMillau-Channel steht auf dem Programm. Der Politiker (Die Mitte) ist passionierter Jäger – wie seine Frau. «Ohne Anna Barbara geht sowieso nichts in der Küche», sagt der Nationalrat. Dieses Jahr will er ins Stöckli, und er ist auch sonst sehr engagiert: Er ist Inhaber einer Kommunikationsberatungsfirma, Gemeindepräsident von Stettlen BE und Präsident des Berner Jägerverbands.
Lorenz Hess, Sie seien gerne der Chef, haben Sie mal in einem Interview betont. Dulden Sie überhaupt in der Küche jemanden neben sich?
Beim Kochen bin ich lebenslänglich Lehrling, aber ich steigere meine Performance stetig. Wenn Anna Barbara mich in der Küche braucht, bin ich zur Stelle. Ich bin nämlich gut als Hilfskoch.
Ihre Frau ist gelernte Hauswirtschaftslehrerin. Eine strenge Lehrerin?
Gar nicht. Sie ist sogar sehr nachsichtig mit allen, die in der Küche nicht sehr talentiert sind.
Was ist Ihre Stärke in der Küche?
Der Grill ist meine Domäne. Da habe ich mir in den vergangenen Jahren viel Wissen und Erfahrung angeeignet. Auch wenn es ziemlich klischeebehaftet ist: Am Grill bin ich der Chef, was meine Frau übrigens sehr entspannend findet.
Gas, Feuer oder ein trendiges Big Green Egg? Was benutzen Sie?
Einen simplen Weber-Kugelgrill mit Feuer und Kohle. Darauf gelingen mir Würste und Fleisch am besten. Alles ohne Schnickschnack.
Was kommt bei Ihnen auf den Grill?
Meine Frau und ich frönen ja beide der Jägerei und haben daher natürlich immer Fleisch vorrätig. Wir sind nicht die klassischen Wildesser; das Fleisch kommt bei uns nicht nur dann auf den Tisch, wenn Saison ist. Wir geniessen es das ganze Jahr über. Also legen wir auch gerne mal im Sommer Keule oder Schnitzel vom Reh, Wildschweinkotteletts oder Wildwürste auf den Grill.
Wursten Sie selber?
Nein, dafür haben wir einen Metzger. Er fabriziert aus unserem Fleisch Wildsausalami oder Reh-, Hirsch- und Gems-Trockenwürste. Wir dürfen gerne Wünsche anbringen – er hat schon sensationelle Rehbratwürste gemacht.
Kaufen Sie überhaupt noch anderes Fleisch als Wild?
Wir mögen auch Poulet, Rind oder «Schwinigs». Aber meistens gibt es schon unser eigenes Fleisch. Mehr Bio als selber erlegtes Wild geht nun wirklich nicht. Wir jagen nur für uns – also für die Familie und für unsere Freunde.
Sie haben demnach oft Gäste bei sich?
Wir laden gerne Gäste ein. Und dann gibt es natürlich auch Wild. Das ganze Jahr über. Im Sommer etwas vom Grill, eine Rehkeule oder Spareribs vom Wildschwein, die jeweils unheimlich gut ankommen. In den kühlen Jahreszeiten machen wir auch mal ein Gulasch, ebenfalls vom Wild.
Mit welchem Fleisch genau?
Von der Gams oder auch vom Wildschwein. Wir verwenden die gleichen Zutaten wie bei einem herkömmlichen Gulaschrezept. Es «wildelet» überhaupt nicht. Die Gäste sind auf jeden Fall stets angenehm überrascht.
Wie muss man Wildfleisch aufbewahren?
Wichtig ist, dass es nach der Jagd sehr schnell an die Kühle kommt. Also sofort zum Metzger damit. Der lässt es noch drei oder vier Tage lang hängen, ehe es verarbeitet, abgepackt und vakuumiert wird. Danach hält es sich im Tiefkühler wunderbar ein bis zwei Jahre lang.
Welches Wildgericht mögen Sie persönlich am liebsten?
Nicht den Rehrücken, für den so viele schwärmen. Bei mir ist es ein simples Schnitzel oder eben das Gulasch.
Jäger und Gourmets schwärmen oft auch von der Leber.
Die ist etwas Wunderbares, das stimmt. Damit mache ich auch Freunden immer gerne eine Freude.
Sich vegetarisch oder vegan zu ernähren, wie es derzeit im Trend liegt, ist bei Ihnen oder Ihren drei Töchtern kein Thema?
Nein. Unsere Jüngste hat sich in der Pubertät eine Zeit lang vegetarisch ernährt. Aber dann hat sie trotzdem wieder vom Wildfleisch gekostet, da sie ja wisse, woher das Fleisch komme … Nach ein paar Monaten war das Thema wieder vom Tisch. Aber für uns war ihre Haltung diesbezüglich überhaupt kein Problem.
Die stolzeste Beute, die Sie je gemacht haben?
Ein Steinbock, den ich im Berner Oberland erlegen durfte. Das war schon sehr eindrucksvoll. Das Schönste ist für mich die Gebirgsjagd. Ich bin gerne in den Bergen unterwegs. Da man die geschossenen Tiere auch tragen muss, ist diese Jagd allerdings etwas anspruchsvoll.
Trinken Sie Wein zum Essen?
Ja, sehr gerne einen, zu dem wir einen Bezug haben. Donald Hess, der leider kürzlich verstorben ist, war ein Cousin meines Vaters und mein Götti. Wenn er zu uns zu Besuch kam, brachte er immer die wunderbarsten Flaschen mit. Das haben wir natürlich sehr genossen.
Was haben Sie ihm serviert?
Er wollte immer nur Bratwurst mit Rösti.
Was lagert abgesehen von den Hess-Weinen in Ihrem Keller?
Weissweine aus der Schweiz. Ich mag nämlich Weissen lieber als Roten. Natürlich lagert auch Rotwein im Keller, ebenfalls aus der Schweiz, aber viele stammen aus Spanien.
Der «Dry January» ist jeweils ein Thema. Bei Ihnen auch?
Damit man im Dezember nochmals so richtig Gas geben kann (lacht). Nein, ich muss beruflich an vielen Apéros teilnehmen, darum achte ich das ganze Jahr über darauf, dass ich mindestens zwei Tage pro Woche keinen Alkohol trinke.
Haben Sie Lieblingsrestaurants?
Aus beruflichen Gründen esse ich natürlich oft auswärts. Mein Lieblingsrestaurant in Bern ist das «Della Casa». Aber privat gehen wir nicht oft weg – mal in Stettlen in die Dorfbeiz Linde, mal nach Deisswil ins «Famiglia» oder ins «Ziegelhüsi» oder in den «Sternen» in Worb. Aber eigentlich geniessen wir es sehr, zu Hause zu kochen. Und auch unsere Töchter kommen gerne vorbei.