Text: Siméon Calame I Fotos: Thomas Valentin Flauraud
Der Altmeister ist voll des Lobes. «Ich hatte einen wunderbaren Abend!» Am Nebentisch kann Gérard Rabaey weder sein Lächeln noch seine Freude verbergen, dass seine frühere Wirkungsstätte «Le Pont De Brent» wieder zum Leben erweckt worden ist. Hier kochte sich der Altmeister nämlich bis ans Firmament der Schweizer Gastronomie (19 Punkte, 3 Michelin-Sterne); an diesem Mittwoch, dem 15. Januar, wollte er sehen, wie sich denn die neuen Betreiber, Joeffrey Fraiche und Helena Collaud, schlagen. Die beiden, die bis im Sommer 2024 im «Hôtel de Ville» Avenches mit 16 Punkten wirteten, liessen sich nicht zweimal bitten und legten einen fulminanten Start hin. Grosses Bild oben: Joeffrey Fraiche & Helena Collaud / Saibling mit Gerste & Miso.
Käse und Austern? Vertragen sich gut. Die Wände im neu eröffneten Haus zieren gleich mehrere imposante Graffiti-Gemälde von Philippe Baro – ein Symbol für den frischen Spirit, den das neue Betreiberpaar vermitteln möchte. Was aber nicht heisst, dass die Präzision auf den Tellern zu kurz kommen würde. Dafür steht etwa ein knuspriges Tartelette mit Mandarine & hübsch geschnittenem Kürbis. Für die begleitenden Weine ist Sommelière Chloé Mallavergne verantwortlich, während Gastgeberin Collaud eine alkoholfreie Begleitung aus dem Ärmel zaubert. Das passt, etwa zu einer warm servierten Auster, die ganz überraschend mit Lauch, Etivaz und fein geschnittenen Croutons bedeckt wird.
Gemüse ist der Star! Es folgt eine Liebeserklärung ans Rüebli, die auch punkto Kochtechniken überzeugt: Eine ganze lakto-fermentierte und dann getrocknete Karotte wird begleitet von dreierlei Rüebli: einem Chip, etwas Karamell und Brunoises, alles bestreut mit Puderzucker, ergänzt von etwas Schafsjoghurt. Sehr nuancenreich! Noch ein Gemüse, das bei Fraiche zum Star wird: Topinambur als Emulsion in einer knusprigen Hülle aus derselben Knolle, die gekocht, ausgehöhlt und frittiert worden ist. Den besonderen Dreh verleihen diesem Gang geröstete Haselnüsse und ein Hauch von Kaffee!
Dessertwagen auch mittags. Schon an diesem ersten Abend kann man dem Ehepaar Fraiche-Collaud konstatieren, dass ihnen die Pause von gut sechs Monaten keineswegs geschadet hat. Dies zeigt nicht zuletzt der anschliessende Saibling mit Graupenrisotto, Miso-Fischbrühe-Emulsion, Zitrusconfit und gepuffter Gerste für eine «crunchy» Textur. Oder die Rande, welche mit Limette und Shiso vermählt wird. Das Dessert? Eine Kombination von Apfel und Estragon, der als Schlagrahm, Sorbet und als bittere Sauce dazukommt. Dies weckt nicht zuletzt die Vorfreude auf den Dessertwagen, der hier künftig auch schon mittags an den Tisch gerollt werden soll! Das kleine Menü soll dann jeweils um die 60 Franken kosten.
Rabaey will noch mehr! Am Ende des Abends – zu dem auch ein fabelhaftes Trio vom Rind als Hauptgang gehört hat – gibt Küchenchef Joeffrey Fraiche offen zu, dass ihn die Präsenz seines Vorgängers heute schon ein wenig nervös gemacht habe. Doch Gérard Rabaey, der gibt sich vollends begeistert: «So viel Engagement und Detailliebe vom ersten Moment an hätte ich so nicht erwartet. Ich bin überglücklich – und werde ganz sicher schon nächste Woche wieder hier essen!»