Text: Anita Lehmeier I Fotos: David Birri

KULTSTATUS IM DORF. Im Jahr 1843 eröffnete das erste Gasthaus in Grindelwald, das «Bellevue», auch «Pinte» genannt. In England sass die blutjunge Queen Victoria auf dem Thron, es kamen die ersten Gäste von der fernen Insel in die Schweizer Berge, per Kutschen. Die Reisenden aus dem Empire suchten das Abenteuer und (er)fanden den Alpinismus, man nannte sie Touristen. Ihre Namen und Initialen sind auf dem Bartresen der «Pinte» zu finden, im Holz verewigt! Fotos der verwegenen Fremden hängen über dem historischen Relikt. 1888 übernahm Fritz Bohren das Lokal. Um den «Pinten»-Fritz ranken sich zahlreiche Legenden. Er pendelte zwischen seinem Hotel auf dem Faulhorn und seiner Homebase in Grindelwald mit dem Schlitten. Der 15 Kilometer lange Schlittelweg (Europa-Rekord!) trägt heute seinen Namen, Big Pisten-Fritz. Seit diesen Tagen zieht das Dorf am Eiger-Fuss Besucher aus aller Welt an. Heerscharen, die heute in Dutzenden von Herbergen unterkommen. In der Mitte des Dorfes empfängt die «Pinte» noch immer im gleichen Chaletbau Gäste. Weder innen noch aussen wurde der lokaltypische Holzbau mit den Laubsägeli-Details je verändert oder verschandelt. Seit 182 Jahren treffen sich in der hübschen Stube Touristen und Einheimische zum Essen, Trinken und Plaudern. Seit 2021 läuft der legendäre Betrieb unter der Regie des Alpine Design Resort «Bergwelt Grindelwald», die Dependance bietet sieben neu renovierte Zimmer im rustikalen Alpine Chic. Seit kurzem steht ein neuer Chef am «Pinte»-Herd: Georg Jussel (Bild oben). Der gebürtige Vorarlberger ist in Grindelwald eine bekannte Grösse, er war dreissig Jahre im «Eiger» tätig. «Ich liebe die Berge», sagt der drahtige Österreicher, der vor vierzig Jahren die Schweiz zu seiner Heimat machte. «Ich habe nie unter 1’000 Höhenmeter gekocht.» Zusammen mit «Bergwelt»-Executive Chef Urs Gschwend hat Jussel für die «Pinte» eine Karte mit währschaften Gerichten erarbeitet, die das Beste an Produkten aus dem Berner Oberland versammelt. Die mehrsprachige Service-Crew hilft Auswärtigen gern bei der Karte, die in Berner Mundart verfasst ist. 

HEISSE HIRSCH Hirschstreifen u Priiselbeeri Mayo. Bergwelt Grindelwald Urs Gschwend und Georg Jussel. Aufgenommen im Januar 2025 ©David Birri Neuer Chef in der Pinte, Georg Jussel (in Schwarz) mit Executive Chef Urs Gschwend von Hotel Bergwelt (in Weiss)

«Heisse Hirsch»: Hirschstreifen mit Preiselbeer-Mayo. By Georg Jussel.

 

BACHNI WISSI SPINNE Weichchääs, Öpfl e u Johannisbeeri. Bergwelt Grindelwald Urs Gschwend und Georg Jussel. Aufgenommen im Januar 2025 ©David Birri Neuer Chef in der Pinte, Georg Jussel (in Schwarz) mit Executive Chef Urs Gschwend von Hotel Bergwelt (in Weiss)

«Bachni wissi Spinne»: Warme Käsespeise, ein Wunsch von Direktorin Tanja Münker

 

CHALBS LÄBERLI Alpechrüter, Rösti u Öpfel. Bergwelt Grindelwald Urs Gschwend und Georg Jussel. Aufgenommen im Januar 2025 ©David Birri Neuer Chef in der Pinte, Georg Jussel (in Schwarz) mit Executive Chef Urs Gschwend von Hotel Bergwelt (in Weiss)

«Chalbs Läberli». Verfeinert mit Alpenkräuter. Dazu Rösti und Äpfel.

 

VON KATZEN UND HIRSCHEN. Die Karte bietet von «zum Afange» über «Vom Grosmueti» über «d’Klassiker» bis «Z’Letscht no Chääs» und «Öppis Süesses» all die Klassiker – Cordon bleu, Tatar, Älplermagronen, Entrecôte, Läberli, Bratwurst – die in einer Landbeiz keinesfalls fehlen dürfen. Seinen Gerichten gibt Jussel aber immer einen eigenen Twist. Zu seinem Signature Dish, dem «Heissen Hirsch», gibt’s einen Klacks Preiselbeer-Mayonnaise. Bei Grindel bleu, einer Spielart von Cordon bleu, machen Raclette-Käse und Lauch mit. Radiesli und Schnittlauch geben dem Chääschüechli Frische und Leichtigkeit. «Bachni Wissi Spinne» ist eine wundervoll sämige Vorspeise aus lokalem Weichkäse, eben der Weissen Spinne, mit Äpfeln und Johannisbeeren. Eine warme Käsespeise war der Wunsch von Tanja Münker, der «Bergwelt»-Direktorin. Erwähnung verdient die Kinderkarte, die Gluschtiges und Gesundes klug verbindet. Auch für Vegetarier und die asiatischen Gäste hat Jussel etwas zu bieten: ein Linsengemüse. Besonders stolz ist der Chef auf die geräucherte Knoblauch-Sauce, die das Poulet-Brüstchen begleitet. Die Sauce hat er in ähnlicher Form vor Jahren kreiert, sie hiess Draculas Alptraum. Das Räuchern des Knoblauchs vorab macht die Sauce sehr bekömmlich und geschmeidig im Geschmack. Auch bei den Desserts schafft der Chef den Spagat zwischen den Vorlieben der Einheimischen und den Touristen: Toblerone-Mousse und Brönnti Crème gibt’s ebenso wie Coupe Dänemark, warmen Apfelstrudel und Omelette Surprise. In der «Pinte» befindet sich ein Separée, ein von der Gaststube getrennter Tisch, das Guisan-Stübli. Neben dem namensgebenden Porträt des Generals sind ein paar Löcher in der Wand zu sehen. Die Legende berichtet von einer Schiesserei unter heimischen Jägern. Gesicherter Fakt ist, dass die «Pinte» einst auch als Pub diente – very british. Davon zeugt ein Schild über der Bar mit der Aufschrift «Ye Olde Spottet Cat», ein Katzenkopf, verziert mit Edelweiss und Alpenrosen.

FONDUE-TUNNEL UND BAR FOOD. Auch vor der «Pinte» sitzt eine Katze, in Stein und überlebensgross. Sie erinnert an einen ehemaligen Stubentiger, ein Glücksbringer, den die Alpinisten vor ihren Bergtouren streichelten. Das Ritual haben «Pinte»-Gäste übernommen, wenn sie sich auf den nächtlichen Heimweg machen. Im Winter wird die «Pinte» zudem flankiert von einem futuristisch anmutenden Plexiglas-Tunnel, dem «Almer’s». Benannt nach dem Grindelwaldner Bergführer Christian Almer, der als Erstbesteiger des Eigers in die Geschichte einging. Hier auf den 24 Plätzen wird Fondue serviert, drei Varianten. «Fondue muss schon sein im Winter. Die Gäste erwarten das. Mit der externen Lösung bleibt die Pinte-Gaststube geruchlich sauber», meint Urs Gschwend von der «Bergwelt». Auf der anderen Seite der «Pinte» erwartet die Gäste das Winterdörfli mit einem klassischen Pub-Angebot von Food und Drinks aus dem schicken, silbrigen Airstream-Foodtruck. Zur Blauen Stunde versammeln sich gern die Mitglieder der Skischule Kleine Scheidegg, die als Partner das Logo der «Bergwelt Grindelwald» an Ärmel tragen. Und von denen einige die wilden Geschichten um die «Pinte» noch kennen. 


www.bergwelt-grindelwald.ch
www.bellevue-pinte.ch