Text: Fabien Goubet I Fotos: Lukam
Eine Suzette. Auch an der Bar! Wenn es ein Rezept gibt, das nie aus der Mode kommt, dann ist es das Rezept für Crêpes Suzette. Ein Klassiker der bürgerlichen Küche «à la française», eine Crêpe, die mit einer zarten, süßen Orangen- und Grand-Marnier-Sauce überzogen ist und meist flambiert serviert wird. Auch im Fünfsterne-Hotel «Lausanne Palace»: «In unserer Brasserie Grand-Chêne gehört Crêpe Suzette zu den Top-2 der meistgefragten Desserts», sagt Executive Sous Chef Guillaume Soares. Flambiert wird am Tisch oder auch an der Bar, das Rezept ist seit Jahrzehnten unverändert.
Tradition verpflichtet: Die Crêpes Suzette im «Lausanne Palace» werden am Tisch zubereitet, oder an der Bar, wenn der Platz knapp wird.
Die Crêpes baden in Suzette-Butter, bevor sie mit Grand Marnier flambiert werden.
Der Prinz und das kleine Mädchen. Wer hat die Crêpe Suzette erfunden? Die Historiker verlieren sich in Hypothesen. Eine davon besagt, dass ein Schüler von Auguste Escoffier, ein gewisser Henri Charpentier, der Urheber sei. In seiner 1934 erschienenen Biografie schreibt Charpentier, dass er dieses Dessert in einem Restaurant in Monaco erfunden hat. Gast war der Prinz von Wales und späterer König von England (Edward VII.), der spontan vorschlug, die Crêpe einem jungen Mädchen am Tisch zu widmen; die Kleine hiess Suzette. Eine schöne, aber unwahrscheinliche Geschichte: In Pariser Restaurants stand die «Crêpe Suzette» bereits 1891 auf der Speisekarte; da war Charpentier gerade mal elf Jahre alt. Vielleicht verfeinerte Henri einfach ein bereits bestehendes Rezept: Die Crêpes Suzette wurde ursprünglich nicht flambiert, wie Gastronomiejournalist Philippe Toinard, Co-Autor des Buchs «La délicieuse cuisine française traditionnelle» sorgfältig recherchiert hat.
Oder doch ein Rezept von Escoffier? Der Prototyp der Crêpe Suzette könnte das Werk von Auguste Escoffier selbst sein. Im Jahr 1890 soll der Koch Crêpes für den Prinzen von Wales serviert haben, diesmal nicht in Monaco, sondern in London. Das Besondere an den Crêpes war, dass sie mit einer Karamell- und Buttersauce serviert wurden, die mit Orangen und Grand Marnier aromatisiert war. Die Sauce hieß «Beurre Suzette». Diesmal wollte der Prinz nicht wie in Monte Carlo ein kleines Mädchen glücklich machen, sondern die Schauspielerin Suzanne Reichenberg, die mit ihm am Tisch sass.
Die Crêpe & die Comédie Française. Eine dritte Hypothese verweist auf einen anderen Koch namens Monsieur Joseph, der in einem Pariser Restaurant in der Nähe der Comédie-Française arbeitete. Dieser soll für ein Theaterstück, das 1897 dort aufgeführt wurde, mit Grand Marnier flambierte Crêpes geliefert haben. Autor Philippe Toinard erinnert sich, dass diese Crêpes einen großen Auftritt auf der Bühne hatte. Die Schauspielerin, die die Dienerin spielte und die Crêpe auf die Bühne trug, hiess Suzanne Reichenberg.
Suzette & die Starchefs. Wie auch immer: Die Crêpe Suzette ist ein Monument unter den Desserts, erlebt gerade wieder ein Revival. Executive Sous Chef Guillaume Soares: «Die Geschmackskombination funktioniert gut. Das Flambieren unterbricht die süsse Seite des Desserts, und die Zubereitung im Saal ist ein Ritual, das die Gäste fasziniert. Der Duft nach Karamell und Orangen lässt einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Selbst wenn man eigentlich keinen Hunger mehr hat, bestellt man eine Suzette, denn es ist ein Dessert, das sich leicht teilen lässt.» Viele Starchefs verhelfen dem Vintage-Rezept in ihren Restaurants und in ihren Büchern zu einem Comeback, in Frankreich etwa Eric Frechon, Alain Ducasse, Philippe Etchebest oder Jean Imbert. Auch in der Schweiz greifen viele Maîtres wieder begeistert zur Flambierpfanne.