Text: GaultMillau Schweiz | Fotos: Thomas Buchwalder, Nik Hunger
Stilsicher. Michael Schuler scheint offensichtlich keine Anlaufschwierigkeiten zu kennen. Schon die ersten Gerichte, welche der neue Küchenchef im Hotel Alex in Thalwil (The Living Circle) bei Stellenantritt im vergangenen Herbst auftragen liess, waren bereits ein Versprechen. Ein paar Monate später hat sich der Stil des ehemaligen Heilemann-Vize im «Widder» in Zürich gefestigt. Schulers Menü im «Aqua», dem wohl kleinsten Gourmetrestaurant der Schweiz, wirkt stilsicher, überzeugend und harmonisch.
Liebe zu Thailand. Dass er von seinem früheren Chef Stefan Heilemann eine gewisse Nähe zur Thai-Küche mitgebracht hat, ist verständlich, aber gleich zu Beginn ist die Kombination aus einer frischen, leicht pochierten Auster mit einer kräftigen Thai-Salsa trotzdem nicht ganz überzeugend. Die erwartete frische Jodigkeit der Muschel geht im prominenten Aroma der Fischsauce buchstäblich unter. Die kleine Disharmonie bleibt aber die Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Das Tatar von den eigenen Rindern aus dem Jura, in Kombination mit warmem buttrigem Brioche, einer Kräutercreme und frischen sowie eingelegten knackigen Radieschen stimmt uns gleich wieder zuversichtlich und zeugt vom guten Gespür des Küchenchefs für die Balance der Aromen.
Fisch & Krustentiere. Fingerspitzengefühl beweist Schuler auch beim beim Gambero Rosso, den er mit Sesam, Wakame-Algen, Yuzu, Limettenvinaigrette, Miso-Mayo und einem Dashi-Sud in eine japanische Geschmackswelt einbettet und dabei die einzelnen Elemente schön herausarbeitet. Beim saftig-fleischigen Heilbutt mit Artischockencreme, Kapern und Speckvelouté steht der Fisch als Hauptprodukt ebenso schön im Zentrum wie der prächtige, tiefrote Kaisergranat danach: Das süsse Aroma des Krustentiers wird von der Säure des eingelegten Stangenselleries und einer Kräutervinaigrette wunderbar kontrastiert und von der feinen Schärfe einer Cayenne-Mayo ergänzt.
Bleibende Eindrücke. Nach dem ausgezeichneten Hauptgang – gebratene Brust und Leber sowie geschmorte Schenkel vom Perlhuhn an Albufera-Sauce – sorgt Patissière Larissa Wehrli dafür, dass einem auch die letzten Gerichte des Abends lange in Erinnerung bleiben. Wie die junge Spezialistin für Süsses, Matcha-Tee, Salzzitrone und Buchweizen zu einer stimmigen Kombination mit herben, salzigen, nussigen und süssen Noten zusammenfügt, ist erstaunlich. Trittsicher verbindet sie danach ein Randen-Cremeux mit eingelegter Rande und Randengelée sowie Randen-Blutorangen-Sorbet und -Sauce. Mit Zitronenthymian und Langpfeffer werden Gewürz-Akzente gesetzt. Wehrlis Arbeit zeugt von einem ganz eigenen Dessert-Verständnis, das geschmackliche Präzision und Kraft mit hervorragenden technischen Fähigkeiten vereint.
Blick auf die Goldküste. Küchenchef Michael Schuler und Patissière Larissa Wehrli sind ein überzeugendes Duo und bleiben auch nach diesem Besuch ein schönes Versprechen im Haus am See: 15 Punkte zum Start mit viel Potenzial für mehr. Im «Aqua» stehen nur fünf Tische mit Platz für höchstens vierzehn Gäste. Daran soll sich auch im Sommer nichts ändern. Dann aber wird in einem eigenen Bereich draussen auf der Seeterrasse serviert – mit Blick auf das Wasser und die Zürcher Goldküste.