Text: Kathia Baltisberger | Fotos: Joan Minder & Thomas Buchwalder
Silvia Manser, Sie wurden am vergangenen Montag mit dem 17. Punkt und dem Titel «Aufsteigerin des Jahres» geehrt. Wie geht es Ihnen damit?
Man bekommt vorab eine Einladung, weiss aber nicht, wofür man ausgezeichnet wird. Da macht man sich natürlich Gedanken. Ich dachte an den Titel «Aufsteiger», aber da gäbe es ja so viele andere, die infrage kommen. Deshalb war ich doch sehr überrascht. Und der 17. Punkt. Wow! Das ist wirklich cool. Wir sind irgendwann mal mit 13 Punkten eingestiegen und jetzt sind es 17. Das ist auch eine Anerkennung für die ganzen Jahre. Man entwickelt sich weiter und das sieht man auf den Tellern. Ich freue mich wirklich sehr und bin dankbar. Die Auszeichnung motiviert uns, aber es geht jetzt genau gleich weiter in der «Truube» wie zuvor. Wir wollen nicht zwanghaft noch mehr und noch mehr geben.
Welches war die schönste Nachricht, die Sie bekommen haben?
Am Montag habe ich noch bis in die Nacht hinein Nachrichten bekommen. Und am nächsten Morgen ging es genauso weiter. Am meisten gefreut haben mich Nachrichten, mit denen ich nicht gerechnet hätte. Zum Beispiel von einem älteren Ehepaar: Die freuten sich unglaublich für mich, sagten aber, sie kämen auch, wenn ich keine Punkte hätte.
Sie sind seit vielen Jahren Mitglied der Jeunes Restaurateurs. Was bedeutet Ihnen diese eingeschworene Truppe?
Bei den «Jeunes» bin ich wirklich gerne dabei. Auch jetzt haben mir ganz viele geschrieben. Sie freuen sich für mich und das kommt von Herzen. Missgunst ist kein Thema. Es ist eine lockere Gruppe, man unterstützt sich in ganz unterschiedlicher Form. Man kann sich austauschen und bekommt jederzeit eine ehrliche Antwort. Wichtig ist, dass aktiv dabei zu sein. Dieser Spirit ist äusserst wertvoll.
Sie stehen für eine klassische Küche. Im Rampenlicht stehen momentan die jungen Köche mit ihrer modernen Küche. Eine Richtung, die Sie gerne einschlagen würden?
Zwischen diesen Jungen und mir liegt ja fast eine Generation. Ich finde es toll, dass sie etwas anreissen. Gleichzeitig finde ich: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Ich weiss, was ich gut kann. Aber ich gehe sehr gerne in diesen Restaurants essen. Und dann denke auch ich mir, wieso nicht mal etwas in diese Richtung ausprobieren? Aber es ist nicht so, dass ich meine Küche ändern will. Vielleicht kann ich mal mit einer neuen Technik arbeiten. Brining - also ein Fleisch in eine Salzlake legen - finde ich spannend. Aber es muss immer zum Rest passen. Man darf sich nicht verschliessen, sondern soll das Positive für sich rausnehmen.
Und wie stehen Sie zum Gemüse-Trend?
Fleisch hat bei uns immer einen grossen Teil ausgemacht. Beim Gemüse bin ich noch in einer Lernphase. Aber eigentlich ist es ja das Spannendste auf dem Teller. Wir haben ein Vegi-Menü und dort möchte ich eigentlich nicht Tofu oder ein anderes Ersatzprodukt verwenden, sondern Gemüse oder Getreide in Szene setzen. Oft ist man ein bisschen festgefahren und man muss sich lösen.
Sie sorgen dafür, dass der Nachwuchs gut ausgebildet wird. Warum ist Ihnen das wichtig?
Wir können nicht nur ständig sagen, es gebe keinen Nachwuchs. Wir müssen etwas dafür tun. Auch in der Spitzengastronomie. Tanja Grandits tut das ebenfalls. Ich finde, da könnten sich viele noch eine Scheibe abschneiden. Wobei ich es nicht wichtig finde, wo man die Ausbildung macht. Ein Landgasthof ist genau so gut wie ein Punktelokal. Man muss eine gute Basis lernen und Freude am Handwerk entwickeln. Heute muss man den Lehrlingen halt ein paar Annehmlichkeiten bieten, so dass sie auch mal am Abend frei haben. Denn sie geben einem auch viel zurück. Wenn ein Lehrling am Anfang noch etwas Mühe hat und am Ende macht er es gut, dann erfüllt das einen mit Stolz.
Wie sieht es mit dem eigenen Nachwuchs aus? Sie haben drei Kinder. Interessieren die sich für die Gastronomie?
Die beiden Grossen sind schon berufstätig. Die wollen von der Gastronomie nichts wissen. Mein Sohn Dominik ist Pflegefachmann und Stefanie macht eine Zweitausbildung zur biomedizinischen Analytikerin. Die Jüngste ist noch in der Berufsfindung. Sie hat viel geschnuppert und im Service hat es ihr gut gefallen. Wir wollen, dass unsere Kinder Freude an ihrem Beruf haben und gerne arbeiten gehen. Wenn das nicht in der Gastro ist, spielt das keine Rolle. Es steckt so viel Arbeit hinter einem solchen Betrieb. Wenn man jemanden zwingt, kommts nicht gut. Und sie sollen es auf keinen Fall mir zuliebe machen.
Sie sind der Star in der «Truube». Viele Männer stehen nicht gerne im Schatten ihrer Frau. Ihr Mann scheint eine Ausnahme zu sein.
Ich schaue schon, dass ihm wohl ist (lacht). Er ist sich sehr bewusst, dass ich mit dem Kochen im Mittelpunkt stehe. Er hat kein Ego-Problem.
Auch Tobias Funke in der Fernsicht Heiden hat einen Punkt mehr. Was ist das Besondere an der Food-Region Appenzell?
Wir haben einander geschrieben und finden es schön, dass wir das Appenzellerland mit unserer Küche befruchten können. Dass wir beide hier in der Region sind, ist einfach eine glückliche Fügung. Das Appenzell war schon immer eine kulinarische Region. Es ist eine heile Welt, die Leute kommen gerne hierher. Und dass ich und Dominik Hartmann «Aufsteiger des Jahres» sind, zeigt, dass es auch ein paar Verrückte gibt, die nicht am Nabel der Welt kochen.
Bei welchem Kollegen kehren Sie als nächstes ein?
Zu «Koch des Jahres» Benoît Carcenat würde ich gerne zum Essen. Und zu meinen «Aufsteiger»-Kollegen Marco Campanella und Dominik Hartmann. Eigentlich bei allen, die ich jetzt bei der Verleihung kennengelernt habe.
>> Silvia Manser kocht in der «Truube» in Gais AR. Ihr Mann Thomas managt den Service. Der GaultMillau hat die Chefin im Guide 2023 mit 17 Punkten ausgezeichnet und sie mit dem Titel «Aufsteigerin des Jahres» geehrt.