Fotos: David Hubacher

Ein Bier am Herd. Um 22.30 Uhr, nachdem der letzte Teller serviert wurde, ist die Stimmung in der Küche des Restaurants Cà d’Oro im Grand Hotel des Bains Kempinski ziemlich locker. Nicolas Darnauguilhem, der einzige Koch aus der Schweiz am St. Moritz Gourmet Festival 2025, und sein Kollege Deepanker Khosla aus Bangkok (grosses Bild oben) lehnen mit einer Flasche Bier in der Hand am Herdblock und tauschen Geschichten aus dem Garten aus. Denn dies ist gewissermassen das verbindende Element des ungleichen Duos, das aber durchaus viele Vorstellungen einer idealen Koch-Welt teilt. Darnauguilhem, GaultMillaus Green Chef of the Year, setzt in der Abgeschiedenheit der Fribourger Berge auf lokale oder selbst angebaute Produkte, die er in seiner La Pinte des Mossettes (17 Punkte) zubereitet.

Deepanker Khosla

Nachhaltigstes Restaurant der Welt: Deepanker Khosla («HAŌMA»).

Nicolas Darnauguilhem

Aus den Fribourger Bergen: Nicolas Darnauguilhem («La Pinte des Mossettes»).

Urbaner Garten in Bangkok. Sein Kollege Deepanker Khosla aus Südostasien, aufgewachsen im indischen Allahabad, hat sein Restaurant mitten in der Metropole Bangkok zu einem urbanen Garten ausgebaut. Ausserhalb der Stadt hält er auf seiner Farm zudem 700 Hühner, pflegt Kokos- und Mangobäume oder baut Gemüse und Kräuter in einem Permakultur-Garten an. Sein «HAŌMA» gilt als das nachhaltigste Restaurant der Welt, ausgezeichnet mit einem «Michelin»-Stern sowie dem grünen Stern. Die Gemeinsamkeiten sind also offensichtlich, trotzdem stellt sich beim After-Dinner-Bier schnell heraus, dass die beiden mit vergleichbaren Ideen, aber unter völlig anderen Umständen zum Ziel kommen. 

4-Hands Dinner - Deepanker Khosla & Nicolas Darnauguilhem

Mutig mariniert: die scharfen Erbsen mit fermentierte Shrimps von Deepanker Khosla.

Nudeln Flusskrebse

Winteraromen: hausgemachte Nudeln mit Endivie und Flusskrebse-Bisque von Nicolas Darnauguilhem.

Monsun-Regen oder Winter. So hält beispielsweise auch Nicolas Darnauguilhem Hühner, dies sei aber auf Grund behördlicher Auflagen und durch die notwendigen Bewilligungen verschiedenster Ämter ein anspruchsvolles Unterfangen und nur in beschränktem Umfang möglich. Dazu sei der Winter in den Fribourger Höhen eine Herausforderung, wenn man Gemüse selbst anpflanzen wolle. In Bangkok hingegen könne er alle 90 Tage Kokosnüsse ernten, erzählt Deepanker Khosla, dafür sei der Monsun-Regen ein Thema. Der indische Koch hat daraus ein perfektes Kreislaufsystem gemacht: Das Wasser wird aufgefangen, gefiltert, mineralisiert und dann mit oder ohne Kohlensäure den Gästen serviert. Zudem betreibt Khosla seine eigene Süsswasserfischzucht. «Wir produzieren rund 60 Prozent der Zutaten selbst», sagt er. Alles andere komme aus einem Radius von vier Kilometer um das Restaurant herum. 

4-Hands Dinner Nicolas Darnauguilhem

«Green Chef of the Year»: Nicolas Darnauguilhem am Pass.

4-Hands Dinner - Deepanker Khosla

Vie Aufmerksamkeit für den Curry-Jus: Deepanker Khosla.

Der Cidre-Unfall. Auf den Tellern kommen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Kollegen beim 4-Hands-Dinner auf faszinierende Weise zum Vorschein. Deepanker Khosla serviert zum Beispiel kleine grüne Erbsen, die ziemlich mutig mariniert sind, dazu etwas Lardo und fermentierte Shrimps. Von Nicolas Darnauguilhem gibt es ein Gericht mit Pasta aus zwei verschiedenen dunklen Mehlen, geschmortem Endivie («das wächst bei uns im Keller») an einer leichten Flusskrebs-Bisque: Gleichzeitig leicht und scharf das eine Gericht, winterlich, zartbitter und herb das andere. Für den Koch aus Fribourg spielt offensichtlich die Saison eine ganz andere Rolle als für den Kollegen aus Bangkok. «Im Sommer konservieren wir viele Blüten und andere Dinge, um sie im Winter verwenden zu können», erklärt Darnauguilhem. Zweifelsfrei ein Wintergemüse ist der Sellerie, den Darnauguilhem im Holzofen gebacken hat. Dazu gibt es geröstete Walnüsse, Tannenöl, eingelegten Sellerie, eine unglaublich gute Lauch-Jus und eine Sellerie-Mayo mit feiner Säure von selbst gemachtem Apfelessig. «Ich wollte eigentlich Cidre herstellen, aber das hat nicht geklappt. Jetzt habe ich einfach sehr viel Apfelessig», sagt Nicolas Darnauguilhem lachend.

Sellerie Nicolas Darnauguilhem

Winter-Gemüse: Sellerie mit Lauch-Jus von Nicolas Darnauguilhem.

Wagyu | Nilgiri Qorma | Mushroom Pulao

Hommage an den letzten Kaiser: Wagyu mit Nilgiri Qorma (Curry), Morchel und Kichererbsen.

18 Gewürze im Jus. Beim Hauptgang seines Kollegen geht es dann um die reiche kulinarische Geschichte aus der Heimat von Deepanker Khosla, die auf den letzten Mogulkaiser von Allahabad zurückgeht. Der Koch widmet dafür seiner Sauce, die keinen Alkohol enthält, sondern auf Basis von Rindernacken und -Füssen sowie 18 verschiedenen Gewürzen gekocht wird, grösste Aufmerksamkeit: «Quorma ist die indische Art einer Jus», sagt er. «Und ich möchte gleich mit dem Vorurteil aufräumen, dass wir Inder keine Kühe essen. Das betrifft nur eine Minderheit», sagt der Koch mit einem breiten Grinsen. Deshalb gibt es die würzige Jus zu einem gebratenen Stück Wagyu-Beef, dazu Kichererbsen-Püree, marinierte Morchel sowie Basmati-Reis mit einem Joghurt-Dip. Am Ende ist dieses 4-Hands-Dinner wie eine kontrastreiche Reise auf Tellern durch Stadt und Land, Schweizer Berge und asiatische Metropolen sowie durch die Ideenwelt zweier grossartiger Köche.

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