Interview: David Schnapp
Agron Lleshi, auf welches Ihrer Gerichte sind Sie dieses Jahr besonders stolz?
Ich bin stolz auf die Klassiker, die wir immer wieder schrittweise verbessern. Wir haben 80 Prozent Stammgäste, und bei denen sind Bouillabaisse, Vitello tonnato, Crêpes Suzette oder Wiener Schnitzel äusserst beliebt.
Passt Wiener Schnitzel in ein 17-Punkte-Restaurant?
Unsere Stärken sind schon im Gourmetmenü, aber wir sind hier in St. Gallen und nicht in Zürich. Hier sieht man das vielleicht nicht so eng. Und seit der GaultMillau unser Wiener Schnitzel gelobt hat, wird es noch häufiger verlangt…
Gibt es einen Teller, mit dem Sie noch nicht zufrieden sind?
Wenn etwas nicht gut ist, kommt es nicht auf die Karte. Wir haben kürzlich einen Versuch mit Spaghetti und Federkohl gemacht. Das Resultat hat mich nicht überzeugt, deshalb haben wir das Gericht natürlich auch nicht serviert.
Gibt es ein Produkt, das sie neu entdeckt haben oder auf neue Art verwenden?
Ein Kollege von mir sucht mit seinem Lagotto-Hund in der Umgebung Sankt Galler Trüffel. Ich bin einmal mitgegangen, und seither arbeite ich sehr gern mit diesen Trüffeln. Die meisten unserer Produkte wie Fleisch und Gemüse kommen ohnehin aus der Region, darauf achte ich.
Bei Ihren Kollegen der Jeunes Restaurateurs und in der ganzen Branche ist der Fachkräfte-Mangel eines der grossen Themen. Wie begegnen Sie dem Problem?
Bisher hat uns das erfreulicherweise nicht stark betroffen. Wir haben fast nur langjährige Mitarbeiter und drei Lehrlinge. Meine Leute sind mir wichtig. Wir hatten ein sehr gutes Jahr, deshalb bekommen alle Angestellten neben dem 13. Monatslohn auch noch einen Bonus. Diese Art von Wertschätzung zahlt sich buchstäblich aus.
Aber es geht ja nicht nur ums Geld: Was müssen Küchenchefs und Arbeitgeber in Zukunft anders oder besser machen?
Für andere kann ich nicht sprechen. Ich persönlich finde, der Ton macht die Musik – auch oder gerade in unserer Branche. In meiner Küche wird ruhig gearbeitet, ich lege viel Wert auf das Arbeitsklima. Das geht vom Chef aus, deshalb bin ich auch fast immer hier und koche zum Beispiel kaum ausser Haus. Leider hatte ich dieses Jahr auch keine Zeit für die Zusammenkünfte mit meinen JRE-Kollegen. Das ist schade, aber das Restaurant geht immer vor. Ich sehe es als meine Pflicht an, die Gäste zu begrüssen und zu verabschieden.
Sie sind ein gläubiger Mensch, beeinflusst das Ihre Rolle als Chef?
Wir sind zwar katholisch, aber ich bete nicht regelmässig, wenn Sie das meinen. Wie ich als Chef bin, hat eher mit der Art von Menschlichkeit zu tun, die ich lebe.
Wie würden Sie einem jungen Menschen in wenigen Sätzen erklären, was den Kochberuf so reizvoll macht?
Essen spielt eine zentrale Rolle für uns als Menschen in einer Gesellschaft, das macht die Arbeit damit so besonders. Aber Kochen kann man nicht erzwingen, man muss es in sich haben. Ich wusste schon als Zwölfjähriger, dass ich gerne Essen zubereite.
Gibt es Momente, die Sie richtig wütend machen?
Das kommt sehr selten vor. Das letzte Mal, an das ich mich erinnere, war 2021, als ein Gast schlecht über eine ehemalige Mitarbeiterin gesprochen hat. Da habe ich mich gewehrt, worauf der Gast wiederum jeden Teller in die Küche zurückgehen liess, weil das Essen nicht gut sei. Das war wirklich ein ärgerliches Schauspiel.
Wenn Sie nach Hause kommen, warten ihre Frau und vier Kinder auf Sie. Wie schaffen Sie den Rollenwechsel zwischen Küchenchef, Vater und Ehemann?
Die Familie kommt bei mir an erster Stelle, und ich bin immer während der Zimmerstunde zu Hause. Am Familientisch rede ich nicht über den «Jägerhof» oder meine Gäste und Mitarbeiter, da trenne ich ganz klar. Deshalb fällt mir der Rollenwechsel nicht schwer. Aber ich muss auch sagen, dass ich eine tolle Frau habe, die selber arbeitet und mir gleichzeitig den Rücken freihält.
Was isst die Familie Lleshi am liebsten?
Wir essen zu Hause meistens gutbürgerlich, aber wir probieren auch viel aus. Meine älteste Tochter Helena mag alles – neuerdings auch Austern, Kaviar und Trüffel.
Wer sind die härteren Kritiker, Ihre Kinder oder Ihre Gäste?
Die Gäste sind strenger. Aber meine beiden älteren Töchter kommen jetzt auch ab und zu mit ihren Freundinnen ins Restaurant. Ich hole sie in der Schule ab, dann bestellen sie fünf Gänge und zwei Desserts – und eine Flasche Cola muss auch auf den Tisch, weil es das zu Hause nicht gibt. Das sind immer sehr vergnügte Runden.
Welcher Geschmack oder welche Zutat charakterisiert Sie am besten?
Leicht, säuerlich und salzig: Meine Küche ist ehrlich, und ich glaube, das steht auch für meine Persönlichkeit.
>> Die Channel-Serie zum Jahresende: Sechs begabte Chefs ziehen Bilanz. Heute: Agron Lleshi, 37, der fast sein ganzes Berufsleben – inklusive Lehre – im Restaurant Jägerhof St. Gallen (17 Punkte, ein Stern) verbracht hat. Nach der Militärzeit und Stages bei Harald Wohlfahrt in der «Schwarzwaldstube» und Johannes King auf Sylt wurde er Küchenchef im Jägerhof, den er als 29-Jähriger im Jahr 2016 übernommen hat.
Fotos: Thomas Buchwalder, Lucia Hunziker