Fotos: Nik Hunger
17 Restaurants weltweit. Taylor Swift, Emmanuel Macron, Roger Federer. Im Resort auf dem Bürgenstock wurden dieses Jahr bereits einige illustre Gäste begrüsst. Jüngst ist noch ein grosser Name hinzugekommen: Yannick Alléno, französischer Starchef mit weltweit gesamthaft 17 Restaurants (u.a. «Alléno», Paris). Der Ausnahmekoch und -unternehmer war von Moët & Chandon anlässlich der Lancierung der «Collection Impériale Création N°1» zu einem Fourhand-Dinner mit dem Culinary Director des Hauses, Mike Wehrle, in die Schweiz eingeladen worden. Alléno weilte zwar schon öfters im Lande, aber zum ersten Mal stand er hier auch am Herd.
Hauptsache Saucen! Yannick Alléno ist ein Vorkämpfer für Saucen. Sie sind für ihn «die Seele eines Gerichts» und nicht weniger als das Herz der französischen Küche: Véloute, Sauce Espagnole, Béchamel, Mayonnaise und wie sie alle heissen. Vor zehn Jahren widmete er ihnen mit «Sauces» ein ganzes Buch. Darin zitiert er nicht zuletzt den Gastrosophen Brillat-Savarin, für den Saucen das verbindende Element sind, die den Geschmack eines Gerichts hervorheben oder herausschälen. Bloss seien sie, schreibt Alléno weiter, mit der Nouvelle Cuisine und dem zugehörigen Credo «Du sollst keine schweren Saucen kochen!» zu sehr in den Hintergrund gerückt.
Yannick Allénos Erfindung: Extrakte. Den Muttersaucen fügt Alléno in seinem Buch eine weitere Kreation hinzu: die «Extrakte». Er gewinnt sie durch einen Prozess, den er sich bei der Eiswein-Produktion abgeschaut hat: Ein Sud - je nach Produkt mit passender Temperatur erzeugt – wird zu einem Eisblock gefroren und wieder aufgetaut. Weil das mineralhaltige Gemüsekonzentrat einen niedrigeren Gefrierpunkt hat als Wasser, können beide voneinander getrennt werden. Es zeugt von gesundem Selbstvertrauen, dass sich der Starchef damit selbst in die Reihe der «Saucen-Erfinder» La Varelle, Escoffier & Co. einreiht. Wer also beim Anlass auf dem Bürgenstock hoch über dem Vierwaldstättersee dabei war, wollte nicht zuletzt die Gelegenheit ergreifen, zu erleben, wie diese Extrakte schmecken.
Improvisierter Garten als erster Gang. Einen ersten Eindruck bekam man bei der Vorspeise. Yannick Alléno nannte sie gar poetisch «Improvisiertes Gartentreffen mit delikatem Gelée-Extrakt»: ein saisonales Gericht, das mehrere Komponenten verband, welche die Natur zurzeit anbietet. Auf einem farbenfrohen Teller hatte der Franzose zahlreiche Kleinigkeiten drappiert: roten Chicorée, Eierschwämme, Karottenpüree, Sauerklee, Sauerkraut mit ordentlich viel Kümmel, Blütenblätter. Als verbindendes Element diente ein Gelée in der Mitte, das aus drei Extrakten komponiert war: Sellerie, Rande und Rübe. Das Bestechende daran: Jeder fuhr mit der Gabel so durch den Teller, wie er es für richtig hielt. Und kreierte so ein individuelles Gaumenerlebnis!
Der Champagner dankt! Kellermeister Benoît Gouez, der den Starchef aus Frankreich gut kennt, sprach von einem gelungenen Experiment und stellte gleich den nächsten Schaumwein vor: den Moët & Chandon Grand Vintage 2013, ausgeschenkt aus der Magnum. Er begleitete die Vorspeise von Hausherr Mike Wehrle: Ein regionales, perfekt cremiges Eigelb vom regionalen Huhn, kombiniert mit luftigem Polenta-Espuma, Spinat und intensiv duftendem schwarzen Trüffel. Der Champagner im Glas dankte!
Betörende Sauce aus spanischem Schinken. Vorgestellt wurde anschliessend die in der Schweiz neu lancierte «Collection Impériale Création N°1», eine einzigartige Assemblage von sieben exklusiven Jahrgängen. Die Basisweine haben je nach Jahr in Edelstahltanks, Eichenfässern, aber auch – bemerkenswert – in Flaschen gereift. An der Idee, kommentierte Kellermeister Gouez, habe er fast 20 Jahre lang gearbeitet: «Diese Kollektion verkörpert die Essenz von Zeit und Geduld – zentrale Werte unseres Hauses.» Zum aussergewöhnlichen Champagner gab es einen weiteren Gang von Yannick Alléno, der sich ins Gedächtnis brannte: Jakobsmuschel-Nüsse in der Schale, kombiniert mit Prunier-Kaviar und einem Extrakt aus spanischem Schinken. Die süsse Muschel harmonierte perfekt mit der Würze und Jodigkeit des Kaviars. Für Breite und Mundfülle sorgte besagte Sauce von Alléno, die tatsächlich das Gericht ausmachte und minutenlang nachhallte!
Kalb & Schnecken. Beeindruckend war auch der Hauptgang von Mike Wehrle, bei dem man die Gelegenheit bekam, den neu lancierten Topchampagner (übrigens ganz ohne Restzucker) nochmals in neuem Kontext zu geniessen: «Blanquette de veau» von der leicht geräucherten Kalbsbrust, dazu Schwarzwurzeln, cremiges Topinambur-Püree und knusprige Topinamburchips. Nicht genug der Komponenten: Zur Kreation gehörten des weiteren paniertes Kalbsbries und – gelungene Pointe! – einige ausgelöste Schnecken, die statt wie üblich in Knoblauch, in milderem, aber ähnlich schmeckendem Leindotteröl mariniert worden waren. Noch ein absolutes Wohlfühlgericht!
Süsses Finale – wie immer von Damian Carini! Weil man Feste feiern sollte, wie sie fallen, legte Yannick Alléno nochmals eine Schippe nach. Mit einem Ravioli mit Frangipane-Füllung, Mandeln und geschmolzener Zitronenbutter. Was dieses erste Dessert noch spezieller machte: Der Chef ging einmal um die lange Tafel herum und hobelte bei jedem Gast eine gehörige Portion weissen Albatrüffel übers Gericht. Er war angesichts dieser aussergewöhnlichen Süssspeise zu Scherzen aufgelegt: «Ich mache manchmal auch Spaghetti Suzette!» Den Schlusspunkt setzte, wie fast immer im Resort über dem Vierwaldstättersee, ein detailreiches Kunstwerk vom «Patissier des Jahres 2024» Damian Carini. Er kombinierte dieses Mal die Aromen von Walnuss, Sauerrahm und Apfel - ein gutes Dutzend Elemente hatte er mit viel Detailliebe kombiniert. Alléno, Wehrle, Gouez, Carini – an diesem Abend hatte sich auf dem Bürgenstock ein ganz grosses Quartett gefunden.