Dass Ana Roš einmal zur «besten Köchin der Welt» gekürt wird, damit hätte aus ihrem Umfeld wohl niemand gerechnet. Skirennfahrerin vielleicht – denn Ana war talentiert, fuhr im jugoslawischen Nationalteam. Eine Karriere als Diplomatin wäre wahrscheinlich gewesen – sie studierte internationale Beziehungen. Doch Ana Roš entschied sich, mit ihrem Mann das Restaurant seiner Eltern, das Hiša Franko im slowenischen Sočatal, zu führen.

 

Valter Kramar ist Sommelier, folglich wurde die Küche zu Anas Reich. Ihr Vater war bitter enttäuscht, redete monatelang nicht mit seiner Tochter. Und auch Ana selbst hatte Zweifel. Denn mehr als einen Teller Pasta brachte sie gar nicht zustande. Doch Ana lehrte sich das Kochen selbst. Die Grundlagen erarbeitete sie sich bei der Schwiegermutter, danach schaute sie den besten Köchen über die Schulter, stellte unentwegt Fragen und liess sich auf Reisen inspirieren – im steten Glauben irgendwann eine gute Köchin zu sein.

 

Ana Ros Köchin aus Slowenien Rezepte

Ana Roš wurde von «The World's 50 Best Restaurants» zur besten Köchin der Welt gekürt.

Heute ist sie gemäss der Liste der «World’s 50 Best Restaurants» die beste weibliche Köchin der Welt. Die Netflix-Serie «The Chef’s Table» widmete ihr eine Folge. Ende März war sie der Stargast am Kongress der Jeunes Restaurateurs in Luzern.

 

Im Interview offenbart sie, welchen Preis sie für ihren Erfolg bezahlen musste: «Normalerweise lüge ich, wenn es um den Zeitpunkt geht, wann ich als Küchenchefin angefangen habe. Denn gewisse Geschichten möchte man nicht erzählen. Aber manchmal muss man es tun, um den Menschen verständlich zu machen, wie hart diese Arbeit ist. In Wirklichkeit habe ich im Jahr 2001 angefangen. Ich war schwanger und ich verlor das Baby im 8. Monat. Es gab keinen wirklichen Grund, mein Körper war einfach zu schwach, weil ich zu viel und zu hart gearbeitet und mich immer wieder unter Druck gesetzt habe.»

 

Sechs Monate später wurde Ana wieder schwanger. Sie trat zwar ein bisschen kürzer, die vom Arzt verordnete Bettruhe hielt sie aber nicht ein. Heute hat sie zwei gesunde Kinder, Svit, 14, und Eva Clara, 12.

Trotz dieses Schicksalsschlags würde sie alles wieder genau so machen. Und dennoch fragt sie sich manchmal, wieso sie sich das alles antut. «Ich habe meine Entscheidung schon oft bereut und tue es auch heute noch ab und zu. Ich wünsche mir manchmal ein einfacheres Leben. Doch dann sagen mir meine Freunde: ‹Egal, was du machen würdest, es wäre immer gleich anstrengend.› Es ist eine Charakter-Frage.»

 

Ros hat eine Passion für ihren Job entwickelt, die sie antreibt. «Leidenschaft sorgt für die nötige Motivation. Wenn man nicht motiviert genug ist, wird das Arbeiten schwierig und man kann sich auch nicht weiterentwickeln.» Und das tut sie stetig. «Ich entdecke immer wieder neue Zutaten in meinem Tal, die noch niemand kennt. Und wir bringen Dinge, die in Vergessenheit gerieten, zurück auf den Teller.»

 

Doch Erfolg hin oder her: Ana Roš sieht sich nicht als Vorbild für andere weibliche Küchenchefs. «Ich hatte auch viel Glück. Meine Kinder konnten im Haus aufwachsen, in dem ich arbeite. Auch wenn ich nicht immer Zeit hatte, ich war immer da. Ausserdem war auf meine Schwiegereltern immer Verlass. Aber die Koch-Welt ist eine Männer-Welt. Denn es gibt einfach zu viele Kompromisse, die man eingehen muss, wozu viele Frauen aber nicht bereit sind. Ich glaube nicht, dass sich daran bald etwas ändern wird. Aber vielleicht ist es an der Zeit, mehr über diese wenigen Frauen zu sprechen. Denn sie machen einen grossartigen Job.»