Strenge Kontrolle. Seit Antonio Colaianni das «Ornellaia» verlassen hat, ist er als Privatkoch und Caterer unterwegs. Das führt ihn immer wieder in spezielle Küchen. Doch an einem Ort wie diesem war der Starchef noch nie. Antonio Colaianni kochte nämlich hinter Schloss und Riegel. «Eine gute Freundin von mir, Josiane Stepham, ist Naturheilpraktikerin im Gefängnis Limmattal. Sie integriert Naturheilkunde in den Gefängnisalltag. Sie hat mich gefragt, ob ich nicht für die Inhaftierten dort kochen möchte», erzählt der Chef. Colaianni zögert nicht und sagt zu. Der einstige 17-Punktechef durfte sich die «Location» zuerst anschauen. «Man muss den Ausweis und alle Gegenstände abgeben, auch das Handy. Dann muss man durch den Metalldetektor. Ansonsten konnte ich mich in der Küche frei bewegen. Nur wenn ich zum Beispiel den Lift benutzen wollte, wurde ich begleitet.»

31.10.2022; Zürich: GMC - Ristorante Ornellaia; Kürbisrisotto mit Taleggio und getrockneten Tomaten“. © Valeriano Di Domenico Risotto à la courge et au Taleggio Antonio Colaianni GaultMillau

Ein Klassiker in Antonio Colaiannis Repertoire: Kürbisrisotto! Im Knast konnte er ihn nicht so elegant anrichten. 

Keine Messer. Colaianni inspiziert die Räumlichkeiten, um zu wissen, welches Menü im Gefängnis möglich ist. Die Infrastruktur ist allerdings nicht mit der einer Profiküche zu vergleichen. «Hier wird eigentlich gar nie richtig gekocht. Das Essen für die Inhaftierten wird angeliefert», weiss Colaianni. Die Küche ist sehr rudimentär eingerichtet, verfügt über ein paar Töpfe, ein Rüstmesser, einen Schwingbesen und zwei Induktionsfelder. Dass Colaianni seine eigenen Utensilien mitbringt, geht nicht – vor allem die Messer können nicht einfach in ein Gefängnis gebracht werden. «Aus diesem Grund habe ich alles schon vorher zubereitet und das Mise en place mitgenommen.» 

«Drei Inhaftierte in der Brigade.» Auch die Zeit ist ein Faktor, schliesslich will Colaianni keine Convenience-Produkte verwenden. «Ich brauche eine Bouillon, da hätte ich schon in den frühen Morgenstunden kommen müssen.» Entgegen allen Vorurteilen gibt es nicht Wasser und Brot, sondern eine Pastinakensuppe zur Vorspeise und Kürbisrisotto als Hauptgang. Bei der Zubereitung standen dem Chef drei Inhaftierte zur Seite. «Einer hat die ganze Zeit den Risotto gerührt. Sie waren sehr hilfsbereit und aufgestellt», erzählt Colaianni. «Ich habe aber nicht gefragt, was sie verbrochen haben. Das wollte ich gar nicht wissen. Das würde mich wohl sehr belasten, wenn ich all die Schicksale kennen würde.» Das Gefängnis Limmattal ist ein Untersuchungsgefängnis. Bis zu einer Verurteilung gilt für alle Insassen die Unschuldsvermutung. Antonio Colaianni ist in seinem Leben noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten. «Ich habe als Kind vielleicht mal einen Kaugummi geklaut oder bin schon bei Rot über die Ampel gefahren», erzählt er.

Antonio Colaianni, Zürich, ZH

Antonio Colaianni kocht aktuell als Privatkoch und Caterer.

Antonio Colaianni

Die Inhaftierten des Gefängnisses Limmattal bedankten sich beim Starchef mit einem Brief. 

«Will mich nicht profilieren.» Die Inhaftierten fragen im Gegenzug aber den Koch aus. Colaianni erzählt, wo er schon gekocht hat. In den Genuss seiner Küche ist noch keiner gekommen. Dafür durften sie jetzt das Starchef-Menü probieren. «Ich musste in Einweggeschirr anrichten. Das hat natürlich nicht ausgesehen wie im Restaurant. Aber darum geht es ja nicht. Ich habe das nicht gemacht, um mich zu profilieren. Ich wollte den Inhaftierten mit einem feinen Mittagessen aus frischen Produkten eine Freude machen.» Eine Gage hat Colaianni für seinen Einsatz nicht genommen und auch mit seinen Lieferanten und Produzenten hat er einen guten Deal ausgehandelt. «Der Bäcker hat die Bürli für die Suppe gesponsert.» Am Ende wurden an diesem Mittag rund 80 Personen, darunter Inhaftierte, Aufseher sowie die Direktion, verköstigt. «Das Feedback war sehr positiv. Sie haben mir sogar noch einen Brief geschickt und sich bedankt.»

>> Antonio Colaianni kocht in den nächsten Wochen in Zürich. Die Termine: Am 29. Februar im «Puro», vom 22. Februar bis am 23. März in der Brasserie Freilager (jeweils Donnerstag, Freitag und Samstag). 

 

Fotos: Instagram Juwe Zürich/Christopher Kuhn, Valeriano Di Domenico