Text: Kathia Baltisberger | Fotos: Olivia Pulver
Das neue «Appenzeller Huus». Im 1500-Seelen-Dorf Gonten ist der Bär los. Und der Löwe. Auf der einen Seite der Dorfstrasse steht das «Huus Bären», auf der anderen das neue «Huus Löwen». Beide zusammen bilden das «Appenzeller Huus». Im neuen Hotel wurde in den vergangenen Wochen und Monaten im Akkord gebaut. Hier gibt es neu 25 Zimmer, eine wunderbare Sommerterrasse, zwei Restaurants und eine Bar. Der historische Ursprung ist aussen an der Fassade noch gut zu erkennen. Im Innern dominiert Holz, die Zimmer sind schlicht, aber elegant eingerichtet.
Hausaufgaben gemacht. Neu ist auch der Küchenchef. Peter Prüfer heisst der Mann, der das «Appenzeller Huus» kulinarisch vorwärts bringen soll. Prüfer kochte zuvor in der «Krone» in Weil am Rhein in Deutschland. Prüfer ist ein Tausendsassa. Zehn Jahre lang führte der 40-Jährige einen eigenen Betrieb in Hinterzarten. Er kochte aber auch schon im «Tibits» oder im Europapark. Seit Januar 2023 ist er in Gonten und hat bereits viel erreicht. Vor allem bei den Produzenten hat er einiges geändert. Weil Prüfer nicht aus der Gegend kommt, musste er erst seine Hausaufgaben machen. «Ich habe ganz viel recherchiert», sagt er. Ein Projekt ist ihm besonders ins Auge gestochen. Beda Rempfler züchtet auf dem Sonderhof Angus Rinder. Prüfer prüft umgehend eine Zusammenarbeit. «Wir haben uns getroffen. Bedas Philosophie passt zu meiner. Ich kann ein ganzes Tier kaufen und im Appenzeller Huus verwerten», sagt Prüfer.
Im Sommer auf der Alp. Der Sonderhof befindet sich auf einem besonders schönen Fleckchen Erde, in Haslen in Appenzell Innerrhoden. Doch auf besonders viele Rinder trifft man jetzt im Sommer nicht. «Die sind alle auf der Alp im Unterengadin», erklärt Beda Rempfller. Dort haben sie saftige Wiesen und die Temperaturen sind auch angenehmer für die Tiere. Ein paar wenige Rinder sind im Appenzell geblieben. Weil sie bald kalbern oder in einigen Wochen schlachtreif sind.
Mutterkuhhaltung & Hofschlachtung. Der Sonderhof ist ein Mutterkuhbetrieb. Das heisst, die Kälbchen bleiben bei der Mutter und trinken deren Milch, bis sie etwa zehn Monate alt sind. «Wir produzieren sämtliches Futter selber auf dem Hof. Die Angus-Rinder kriegen kein zusätzliches Kraftfutter oder Mais», erklärt Rempfler. Diese extensive Art Rinder zu mästen, hat einen grossen Einfluss auf die Fleischqualität. Das Fleisch ist feinfaserig, saftig und hat sehr viel Geschmack. Auch die Art, wie die Angus-Rinder getötet werden, ist besonders. «Seit zwei Jahren haben wir die Bewilligung für die Hofschlachtung», sagt Rempfler. Diese muss nach ganz genauen Vorschriften von statten gehen. «Die Tiere haben dadurch keinerlei Stress und das merkt man auch im Geschmack.» Die «Sonder-Angus» sind IP-Suisse-zertifiziert und tragen das Label Swiss Black Angus. Rempfler produziert sogar nach Bio-Richtlinien, das Bio-Label hat er aber nicht.
Zunge & Second Cuts. Vor wenigen Wochen hat Peter Prüfer das erste Tier bekommen, «den Ferdi». Jetzt geht es darum, die Gerichte für die «Bärenstube» zu kreieren. «Nose to tail» meint Prüfer denn auch ganz ernst und macht eine Vorspeise aus Zunge. Dazu gibt es Pfifferlinge, Mayo, Brotchips und Liebstöckelgremolata. Das einzige Problem: «So ein Rind hat nur eine Zunge. Das heisst, ich muss erst ein paar sammeln, bevor ich das Gericht aufs Menü setzen kann.» Für das zweite Gericht verwendet Prüfer das Flanksteak vom Angus-Rind. Das Fleisch ist ganz zart und geschmacklich sehr intensiv. Dazu serviert er einen Kartoffel-Rosmarinstock, geröstete Blumenkohlröschen und Shiso. Auch das Flat Iron hat er getestet. Das ist etwas fester im Biss, dafür etwas lieblicher im Geschmack. An so einem Rind ist für jeden Gast etwas dabei.
Auch für Vegis. Wer jetzt denkt, die Küche im «Bären» und im «Löwen» sei nur etwas für Fleischtiger, der täuscht sich. Prüfer kann auch Gemüseküche, schliesslich lebte er selbst sechs Jahre lang vegan. «Mir haben einfach die Tiere leid getan», erklärt er diese Phase seines Lebens. Heute isst er zu Hause vegetarisch. «Milch, Butter und Rahm sind hier im Appenzell einfach von unglaublicher Qualität», schwärmt der Neuzuzüger. Und im Restaurant kommt nur noch nachhaltiges Fleisch auf die Teller. Wenn möglich kennt Prüfer die Produzenten persönlich. So serviert er ein Alpstein-Güggeli in zwei Gängen. Das Bœuf bourguignon wird aus Thurgauer Wagyu gemacht. Auch hier hatte Prüfer ein ganzes Tier genommen. Wenn das aufgebraucht ist, kommt das Angus-Rind auf die Karte.
Wedegehnte & Flickflauder. Die Sache mit der Produzentsuche ist also auf einem guten Weg. Jetzt arbeitet Prüfer noch an seinem Appenzöller Dialekt. «Wedegehnte kenne ich bereits», sagt er ganz stolz. Vermutlich vom Wandern im Alpstein. Das bedeutet nämlich Muskelkater. Der «Flickflauder» hingegen ist neu und nicht ganz unwichtig. Denn im neuen Restaurant «Löwenstube» flattern die Flickflauder unermüdlich auf der Tapete.
>> Appenzeller Huus
Dorfstrasse 40
9108 Gonten