Interview: Kathia Baltisberger | Fotos: Frank Schwarzenbach

Herr Amrein, Sie schliessen das «Glow». Wie kommts?
Ich bin seit letztem Oktober offiziell pensioniert. Auch für Davos gilt, was auf viele Ferienorte Graubündens zutrifft: Der Sommer ist schwierig, deshalb muss man im Winter Geld verdienen. Also habe ich beschlossen, eine letzte Wintersaison zu machen und danach aufzuhören. Wir haben noch Mitarbeiter geschult. Dann hatten wir zwei Tage geöffnet, schliesslich kam der erneute Lockdown.  

Sind Sie frustriert darüber, dass Corona Ihnen den Abschied vermasselt hat?
Frustriert nicht. Aber für die Stammgäste tut es mir leid. Und wir hatten viele Stammgäste. Ich habe mich entschieden aufzuhören, wenn es am schönsten ist. Aber wir werden noch einen Anlass für unsere Glow-Membercard-Besitzer organisieren, mit Ausflug, Apéro und einem Abendessen. Da freue ich mich drauf.

Und jetzt legen Sie die Füsse hoch?
Überhaupt nicht. Die Leidenschaft fürs Kochen ist immer noch da. Das Schöne ist, dass man sich ein bisschen die Rosinen rauspicken kann. Ich helfe bei Kollegen aus, koche an Gala-Dinners, nehme am Genuss-Film-Festival in Zug und am Excellence Gourmetfestival teil. In Manila koche ich für die Schweizer Botschaft. Ich sprühe regelrecht vor Energie. Ausserdem berate ich Restaurants und Hotels. 
 

Armin Amrein Glow Davos

Bis zur Rente kochte Armin Amrein im «Glow» in Davos, das sich in einem Möbelhaus befand.

Werden Sie zum neuen Bumann, der Restauranttester? TV-Erfahrung haben Sie ja.
3+ hat sich noch nicht gemeldet (lacht). Aber nein, auf keinen Fall. Ich war vermutlich der erste Koch, für den Autogrammkarten gedruckt wurden. Das war anfangs der 90er, im Coop Mittwochstudio. Da haben viele Berufskollegen gesagt: Hast du das wirklich nötig? Meine Auftritte haben zu einem grossen Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung geführt, schliesslich waren es dann zwölf Jahre als Fernsehkoch, die ich nicht missen möchte.

Sie standen über 50 Jahre am Herd. Gab es ein Karriere-Highlight?
Die Zeit im «Walserhof» in Klosters, wo ich unter anderem für die britische Königsfamilie kochen durfte, gehört sicher dazu. Prinz Charles, Kate und William gehörten zu meinen Gästen, aber ich kochte auch schon für Naomi Campbell, Sophia Loren oder Henry Kissinger. Das war immer etwas Spezielles und wir fühlten uns gebauchpinselt, dass wir diese Gäste bewirten durften. Es stellte sich aber immer wieder heraus, dass auch diese Persönlichkeiten ganz normale Menschen sind, so wie der Stammgast um die Ecke. 

Erzählen Sie uns eine royale Anekdote?
Prince Charles wollte zum Frühstück immer eine Papaya. Ich habe aber Armin Amreins Birchermüesli gemacht. Davon hat er probiert und wollte danach keine Papaya mehr. Ich nannte es dann einfach königliches Birchermüesli. Und das Rezept musste ich ins britische Königshaus mitgeben. 
 

Armin Amrein Glow Davos

Der Luzerner begeisterte Gäste und Kritiker gleichermassen, kochte zuletzt auf 17-Punkte-Niveau.

Gab es auch Momente, in denen Sie den Bettel am liebsten hingeschmissen hätten?
Es gab nicht einen Tag, an dem ich sagte: Jetzt mag ich nicht mehr. Klar hat man Sorgen oder mal schlechte Laune. Aber ich wollte immer arbeiten und habe meinen Job immer geliebt. Aber dafür muss man auch am Puls der Zeit bleiben. Ich habe mit knapp 60 Jahren - vor der Eröffnung des «Glow» - noch verschiedene Stages bei Sterneköchen gemacht. Ich war in New York bei Daniel Humm oder bei Claus-Peter Lumpp im Bareiss. Der hat sich vermutlich schon gefragt: Was will der überhaupt bei mir? Aber ich fühlte mich nicht überqualifiziert, sondern habe jeden Tag etwas Neues gelernt. 

Welche Rolle spielte das WEF für Sie in Davos?
Wir hatten während dieser zehn Tage den Betrieb geschlossen. Die Location wurde komplett vermietet, ich durfte aber  für verschiedene Firmen und ihre Gäste kochen. Das war eine spezielle Gesellschaft und eine tolle Sache. Wir haben wohl gut verdient, aber wir sind auch immer fair geblieben. 
 

Armin Amrein Bürgenstock

32 Jahre auf dem Bürgenstock: Armin Amrein mit Maître Antonello Contu, am legendären nierenförmigen Pool (2006).

Sie sind ja ursprünglich Luzerner - bleiben Sie im Bünderland?
Wir bleiben hier. Wir wohnen in der Bündner Herrschaft in Jenins. Meine Frau ist Bündnerin und arbeitet im Grand Resort Bad Ragaz. Ich habe viele Freunde und Familie in Luzern und bin häufig zu Besuch - man ist ja schnell da. Erst kürzlich war ich auf dem Bürgenstock, wo ich 32 Jahre gearbeitet habe. Söphy Rüegsegger, die Frau meines ehemaligen Chefs Paul Rüegsegger, hat ihren 100. Geburtstag gefeiert.  

Wenn Sie mehr Zeit haben und nicht mehr selber kochen müssen - bei welchen Kollegen wollen Sie demnächst einkehren?
Meine Frau und ich essen mit grossem Vergnügen bei Kollegen. Ich würde sehr gerne mal zu Tohru Nakamura («Salon Rouge» und «Koch des Jahres 2020» in Deutschland, Anm.d.Red). Natürlich gehen wir auch zu guten Freunden wie Kevin Fehling im «The Table» in Hamburg.