Fotos: Remy Steiner
Menschliche Nähe. Bauernhof und Gourmetrestaurant – so nahe beieinander wie hier erlebt man solche Betriebe selten. Da sind nicht nur die bloss 15 Minuten gemeint, die es dauert, um vom «Bären» in Schwarzenburg (BE) nach Rüschegg zu fahren. Sondern auch die menschliche Nähe, die zwischen den Wirtsleuten auf der einen und den Bauersleuten auf der anderen Seite spürbar ist. Küchenchef Patrick Germann, Gastgeberin Franziska Ilg, die «eingefleischten» Bio-Bauern Gaby und Fredy Zbinden – da haben sich vier «Überzeugungstäter» gefunden, die perfekt harmonieren.
Das Dessert? Ein Hingucker! Auch die Gäste des «Bärens» freut’s. Wenn unter dem Motto «Gnuss und meh» zur Vorspeise Kalbfleisch-Terrine und geräuchertes Forellenfilet (aus der nahen Bio-Zucht) mit farbigem Gemüse kombiniert wird, das gerade erst am Vortag geerntet wurde. «Vitello Forello» heisst das leichtfüssige Gericht. Oder wenn als Hauptgang Blumenkohl, ebenso erntefrisch, in verschiedenen Texturen mit Miso-Mayo und auffallend herber Rucola-Pesto auf den Tisch kommt. «Die essbaren Blumen für die Dekoration stammen übrigens auch vom Hof der Zbindens!» Und das Dessert? «Die Beeren-Party 2024», so Franziska Ilg, «besteht aus einem Cassisholz-Glace im Ruby-Schokoladenmantel mit Beeren-Muffin, Erdbeersorbet und weissem Schoggi-Crunch!» Ein Hingucker, was auch damit zu tun haben dürfte, dass «Jeune Restaurateur» Patrick Germann nicht nur Koch, sondern auch Bäcker/Konditor gelernt hat.
Auch privat ist Bio Trumpf. 90 Prozent des Gemüses, das in der möglichst nachhaltigen Küche des 14-Punkte-Restaurants verwendet wird, stammt von Gaby und Fredy Zbinden. Wie findet man solche Zulieferer? «Für uns stand von Anfang an fest, dass wir auf Bio setzen wollen – wir tun das ja auch privat. Und doch hat der Zufall geholfen, dass wir auf die Zbindens gestossen sind», erzählt Patrick Germann. Gaby und Fredy seien nach dem Wochenmarkt, an dem sie jeweils am Samstag in Schwarzenburg ihr Gemüse verkaufen, zum Mittagessen in den «Bären» gekommen. Man kam ins Plaudern, und am Ende stand diese Zusammenarbeit, die auch darum für beide Seiten viel Sinn macht, weil man keinen Zwischenhändler braucht. «Sie nehmen auch mal Gemüse mit leichten Hagelschäden», ergänzt Fredy Zbinden. Weil sich beide Seiten entgegenkommen, geht die Rechnung sogar dann auf, wenn auch über Mittag – das Menü samt Suppe/Salat kostet dann faire 20 Franken – auf das leicht teurere, «aber sicher bessere» Bio-Gemüse gesetzt wird.
Neudeutsch heissts Biodiversität. Auf dem Hof der Zbindens wird Bio besonders konsequent gelebt. Nicht umsonst bezeichnen sie ihren Betrieb als «Gemüsemanufaktur»: «Wir säen von Hand. Wir jäten von Hand. Wir ernten von Hand.» Wenn immer möglich, wird auf pflanzliche Spritzmittel sowie auf schweres Gerät verzichtet, das die gewachsene Struktur des Bodens zerstören könnte. Man merkt es beim Besuch dort schnell, dass Fredy und Gaby Zbinden in Zusammenhängen denken, die neudeutsch oft unter dem Begriff Biodiversität zusammengefasst werden. So steht vor dem Hof eine ziemlich unordentliche Holzbeige, die Mäusen und Wieseln als Rückzugsort dient. Noch ein Beispiel? Beim Einbringen des Viehfutters wird für die Bienen stets ein Streifen mit blühendem Klee übrig gelassen: «Sie brauchen den Nektar!»
«Würmlizüchter!» Ja, die Zbindens haben Bodenhaftung, sie betreiben den Hof in Rüschegg bereits in vierter Generation: «Ich bin hier so stark verwurzelt, dass ich es kaum in die Ferien schaffe», witzelt Fredy. Sein Vater habe bereits 1979 auf Bio umgestellt, der Hof wird unter der Registernummer 290 geführt – beachtlich bei inzwischen fast 8000 Bio-Betrieben schweizweit. Wie sehr man damals der Zeit voraus war, musste der Bauernsohn allerdings in der Schule auch am eigenen Leib erfahren. «Ich wurde als Würmlizüchter verspottet!»
Vorfreude auf den Samstag. Bis heute gehen Gaby und Fredy Zbinden jede Woche nach Schwarzenburg an den «Märit». Und danach in den «Bären» fürs Mittagessen. Wie fühlt sich das an, wenn man im Restaurant die eigene Ernte serviert bekommt? «Wir essen ja auch daheim nur unser eigenes Gemüse, und Gaby kocht gut», sagt Fredy Zbinden. «Trotzdem freuen wir uns jeden Samstag ganz fest darauf, bei Franziska und Pädu einzukehren!» Diese Freude ist offensichtlich ganz und gar gegenseitig.
>> www.baeren-schwarzenburg.ch
>> Das Label «Bio Cuisine» zeigt den Gästen, wie viel Nachhaltigkeit sie auf dem Teller erwartet. «Bio Cuisine» ist dreistufig aufgebaut und zeichnet den Anteil an Bio- sowie Knospe-Produkten im Betrieb aus. Basis ist der Einkaufswert der Lebensmittel und Getränke. GaultMillau Schweiz unterstützt diese «Bio-Cuisine»-Initiative. www.bio-cuisine.ch