Text: Urs Heller Fotos: Thomas Buchwalder, Ellin Anderegg
Chansons, Klavier & Kerzenlicht. Das «Bodu» beim Rathaus ist die erste und beste Brasserie der Stadt. Der frankophile Richard Beaudoux hats für Luzern erfunden, seine Nachfolger Samuel Vörös und Luca Eichmann verwalten das Erbe (und den beeindruckenden Bordeaux-Keller) verantwortungsbewusst: Das «Entrecôte Café de Paris» (in zwei Grössen zu haben) ist noch immer der Renner auf der Karte. Küchenchef Gian-Pietro Crameri hat noch ein paar «Specials» auf Lager: Bodu-Pastete, im Herbst auch mal ein «Zweierlei vom Gemschi» (aus Wolfenschiessen NW). Ganz besondere Abende gibt es auch: Chansons, Klavier, Kerzenlicht! Anita Schaufelberger und Johanna van der Wingen (Duo «Maurice») performen. Eine musikalische Reise zurück in die 30er- und 40er-Jahre, «La vie en rose»!
Hacktätschli, Coq au vin & Chögelipastete. Richard Beaudoux hat Luzern übrigens noch ein zweite, wunderschöne Brasserien geschenkt: Das «Café de ville» am Schwanenplatz, engagiert geführt von seiner freundlichen Stieftochter Nadja Scherrer. Hausspezialitäten? Das «Entrecôte Café de Paris» (aus der Metzgerei Heinzer in Muotathal), der Coq au vin mit breiten Nudeln. Lust auf Hacktätschli? Gibt es im «De Ville», ist aber vor allem bei Peter Wiesner im heimeligen «Schiff» an der Reuss eine Spezialität. In diesem Luzerner Traditionsrestaurant wechselt der Chef in letzter Zeit etwas gar häufig, aber ein Klassiker halten sich (glücklicherweise) auf der Karte: Hausgemachte rustikale Schweinsbratwurst, Wagyu-Burger und die «Ächti Lozärner Chögelipastete».
Sauerteigbrot & Molkenschwein-Haxe. Im «Drei Könige» wird mit Bedacht eingekauft: riesige, im Ofen noch kurz aufgebackene Sauerteigbrote von «Eigenbrötler» Daniel Amrein. Im Winter Austern aus Marennes-Oléron und Moules de Bouchot aus der Bucht von Mont-Saint-Michel. Und auch mal ein ganzes Kalb, das in harter Arbeit rundum verwertet wird. Wir kriegten gewissermassen den Rest: Presskopf, prima gemacht mit einem hübschen Kräutersalat und Vinaigrette. Auch die zart schmelzende Leberterrine vom Alpsteinpoulet («wie Foie gras, aber ohne Foie gras») würden wir jederzeit wieder bestellen, ebenso die riesige geschmorte Molkenschwein-Haxe, trotz eiskalten, kandierten Zitrusfrüchten in der heissen Polenta.
Das Onsen-Ei mit Kartoffel-Mousseline wäre ohne die eingelegten Randen besser. Tipp: «La Grande Bouffe» bestellen und sich von Küchenchef Thomas Pollet mit «ein paar Gängen» verwöhnen und überraschen lassen (für 78 Franken). «Feel good»-Küche in einer geschickt wiederbelebten alten Quartierbeiz.
«Wo suhlen unsere Schweine?» Top-Fotograf Sylvan Müller und der frühere Punktekoch Mario Waldispühl haben die «Jazzkantine» in der Altstadt übernommen. Mit klarer Ansage auf der Speisekarte: «Wir wollen wissen, auf welchem Acker unsere Rüebli gewachsen sind und in welchem Dreck sich unsere Wollschweine gesuhlt haben.» Die beiden Gastgeber sind mit den besten Produzenten im Land per Du und kaufen entsprechend ein. Hirschfleischkäse, Würste von Patrick Marxer und das hausgemachte Sauerteigbrot mit «Chnebeli», Schmalz & Griebe oder Bergkäse gibt es immer. Hacktätschli mit Pastinaken-Kartoffelstock, Felchenfilet mit Kichererbsen und Jungrind-Blanquette vom Ueli-Hof mit Nüdeli und Rüebli nach Ansage auf Facebook. So machts man in Szenerestaurants heute.
Ein paar «Otsumami» im Knast. «Izakaya» heissen in Japan die traditionellen Dorfbeizen. Im Luzerner «Izakaya» sind Benjamin Egli und seine japanische Frau Yuko die Gastgeber. Die beiden servieren am liebsten «Otsumami», kleine Gerichte zum Teilen. Bestellen geht ganz einfach: Wünsche auf einem kleinen Zettel ankreuzen – und dann wird aufgetragen, in höllischem Tempo. Darunter leidet auch schon mal die Präzision: Beim «Niku Tataki» (leicht angebratenes Rindfleisch mit Sesam) lernten wir in ein und derselben Scheibe gleich drei «Klimazonen» kennen: Warm, lauwarm und kalt. Geht gar nicht. Anderes war deutlich besser: Ebi Tempura (Crevetten) mit angenehmem Teig. Langsam geschmorte Rinderrippe im japanischen Curry. Mutig angebratenen Gyoza mit Schweinefleisch. Die Kundschaft? Happy, netflixkundig, versiert im Umgang mit den Stäbchen. Im Sommer Service draussen auf der Strasse; guter Groove!
Frühstück bis 18 Uhr. Nächste GaultMillauPOP-Adresse in der Altstadt: Das «Mill’Feuille» am Mühleplatz. Die popelige Konditorei von einst mutiert zum neuen «In-place», vor allem am Wochenende: Frühstücksbrunch für Langschläfer bis 18 Uhr! Brot, Gipfeli, Pain au chocolat, Onsenei, Hummus, Waffeln, Käse, Schinken. Besondere Merkmale: Viele Vegetarier und viele Frauen unter den Gästen, fantastische Lage direkt an der Reuss!
Sandra, Bordeaux & Butterberge. «Die Werkstatt» in der Neustadt (aus dem Samuel Vörös-Imperium) ist ein Restaurant mit einem ziemlich ungewöhnlichen Konzept: Hier arbeitet auch der Gast! Das Gedeck liegt in einer «Werkzeugkiste» bereit, Mitkochen geht auch: Sandra Burri lässt sich bei Entrecôte, Fregola sarda und Rotweinsauce gerne in die Pfanne blicken; Schwesterbetriebe in Zürich und St. Gallen. «Die Werkstatt» gehört zu den GaultMillau-POP-Adressen der Stadt. Auch die coolste Bar schafft es auf die Lifestyle-Liste: «Alpineum», eine verblüffende Oase draussen beim Löwendenkmal. Die Gäste drängen sich um die Theke und an die kleinen Tische draussen. Der Nachbar ist berühmter: «Old Swiss House». Besitzer Philipp Buholzer ist Weinsammler und Weinkenner - und verkauft jeden Monat Hunderte von Wiener Schnitzel. Sie werden vor den Augen der fassungslosen Gäste mit Bergen von Butter in der Kupferpfanne gewendet und mit «Brösmeli-Nüdeli» serviert. Wunderbar.
«Pot-au-feu» aus dem Silbertopf. Unsere letzte Empfehlung: Das «Galliker», Luzerns älteste Adresse, seit dem 15. November 1856 in Familienbesitz. Peter Galliker wirtet hier in vierter Generation. Hoffentlich noch lange, auch wenn er das AHV-Alter erreicht und sich sein Denkmal bereits errichtet hat; den «Schützenbrunnen» beim Hintereingang des sympathischen kleinen Riegelhauses. Markus Wäfler ist sein verlässlicher Koch. Seit 19 Jahren schon. Wir reservieren uns den Tisch im weiss aufgedeckten «Erstklass-Abteil» vorzugsweise am Dienstag, Donnerstag und Samstag. Dann ist Pot-au-feu angesagt: Der Gast schöpft erstklassige Bouillon, Siedfleisch, Speck, Saucisson, Zungenwurst und Markbein mit der grossen Kelle aus einem silbernen Topf. Vorher gibts ein Luzerner Chügelipastetli («Unser Echtes»), nachher eine Aprikosenwähe. Gemütlich, währschaft, gut.