Interview: Urs Heller I Fotos: Thomas Buchwalder
Ein Gerücht geht um: Stimmt es, dass Sie zu Hause täglich am Grill stehen, bei jedem Wetter?
Das stimmt. Auch wenn es regnet oder schneit, etwa an 200 Tagen im Jahr. Es ist wie ein Ritual. Ich greife zu T-Shirt und kurzen Hosen, werfe den Grill an, kann so gut runterfahren und mich entspannen. Ein Glas Rotwein für den Grillmeister gehört auch dazu. Die Aufgaben sind verteilt: Ich grilliere. Meine Frau kümmert sich um die Beilagen.
Lassen Sie uns von Ihrer immensen Grill-Erfahrung profitieren. Was machen viele Hobby-Griller falsch?
Matchentscheidend ist die Temperarturführung. Es darf nicht zu heiss werden auf dem Grill. Am besten arbeitet man in drei Zonen: heiss, mittel und fast keine Hitze. Gilt auch bei den Bratwürsten: Volle Pulle und warten, bis die Wurst platzt, ist keine gute Option. Man muss sie geduldig dunkelbraun braten. Der Grillmeister muss sich auf seine Arbeit konzentrieren. Dazwischen davonlaufen, geht nicht.
Es gibt zwei Fraktionen: Vorher salzen oder nachher salzen.
Ich salze auch vorher, mit Meersalz. Dazu gebrochener Pfeffer, das reicht.
Wie sieht denn das «Menü Wyss aus»?
Zum Apéro gönne ich mir eine Kalbsbratwurst. Nachher lege ich am liebsten ein Rib-Eye-Steak auf den Grill.
Die jungen GaultMillau-Köche haben nicht mehr allzu viel Bock auf Filet & Co., arbeiten gerne mit Special Cuts.
Ein Trend, der nicht zu übersehen ist: Spider Steak, Flat Iron Steak, Secreto, Flap Steak, Hanging Tender, Skirt und andere mehr. Ich selbst bin kein Trendsetter. Ich kaufe hie und da ein Flank Steak. Sonst halte ich mich an die traditionellen Teile, mag aber auch verschiedene Cuts der Rippen. Sinnvoll ist, dass generell das ganze Tier verwertet wird und nicht nur die Edelstücke.
Der noch grössere Trend: Schweizer Fleisch soll’s sein. Weil das ökologisch Sinn macht und weil die Qualität ausgezeichnet ist.
Das ist so. Ich habe am liebsten Natura Beef. Zehn Monate alte Tiere, junges, kräftiges, feinfaseriges Fleisch und in Mutterkuhhaltung aufgezogen. Oder aromatisches Simmentalerfleisch. Simmentaler, eine alte Schweizer Rasse, erlebt eine Renaissance. Diese typische Zweinutzungsrasse bietet hervorragende Fleischqualität bei einer sinnvollen Milchleistung. Sie haben recht: Schweizer Fleisch ist bei den Konsumentinnen und Konsumenten äusserst beliebt – zu Recht. In Bezug auf Nachhaltigkeit, Tierwohl und Qualität gehört Schweizer Fleisch zu den besten weltweit.
Bell ist Schinken-König im Land.
Richtig. Wir haben regional verankerte Produktionsbetriebe im Bündnerland, im Wallis, in Norddeutschland, im Schwarzwald, in der Auvergne, in Savoyen und vor allem auch in Spanien. Wunderbare Schinken! Der Serrano hat übrigens dem italienischen Schinken in der Schweiz den Rang abgelaufen.
Sind Sie Wagyu-Fan?
Wagyu? Wunderbar! Ein teures Vergnügen, aber man sollte es sich mindestens einmal im Leben geleistet haben. Ich entscheide mich meist für Rib Eye Wagyu mit 50 Prozent Fett. Ein Erlebnis! Auch Schweizer Züchter haben mit Wagyu Erfolg, können aber den Bedarf nicht decken.
Wer Fleisch mag wie Sie, mag auch Würste.
Eine gute Wurst ist schwieriger zu finden als ein gutes Stück Fleisch. In aller Bescheidenheit: Die Kalbsbratwurst von Bell ist die beste der Welt! Das bestätigen mir auch meine St. Galler Freunde.
Bell verkauft auch Marinaden. Muss das sein?
Für mich nicht! Marinaden sind aber eine Frage des persönlichen Geschmacks, daher gibt es eine grosse Vielzahl an Marinaden, Rubs und Würzmischungen. Für Manche genügen Salz und Pfeffer, Andere lieben ihre Würzungen. Wieder andere mögen es bequem oder grillieren spontan – da ist bereits mariniertes Fleisch superpraktisch.
In Ihrem Garten steht ein Gas- oder Holzkohlengrill?
Zum Einfeuern fehlt mir die Zeit. Deshalb steht bei mir ein Gasgrill. Momentan ein Burnhard von Betty Bossi. Den konnte ich sogar ganz alleine zusammenbauen, das ist sonst nicht so mein Ding.
Täglich Fleisch auf dem Grill. Darf man das? Greenpeace hat da seine Bedenken.
Ich schreibe keinem vor, was er essen soll. Ich finde die Kritik sehr einseitig. Fleisch gehört zu einer ausgewogenen Ernährung, ist natürlich macht Freude beim Essen. Zudem können rund 70 % unserer Landwirtschaftsfläche nur als Weideflächen genutzt werden, daher ist die Schweiz prädestiniert für die Produktion von Rindfleisch wie z.B. dem Natura Beef.
Greenpeace sorgt sich ums Tierwohl.
Es gibt wie in jeder Branche Negativbeispiele oder schlechte Vorbilder wie z.B. die Feedlots in den USA und zunehmend auch in Südamerika. Aber in der Schweiz und zunehmend auch in anderen Ländern ist man nachhaltig unterwegs und können ein gutes Gewissen haben. In der Schweiz möchte ich die hohe Relevanz der Labelprogramme oder auch die relativ kleineren Stallgrössen hervorheben. Wir nehmen das Thema sehr ernst und arbeiten immer weiter daran. Bell investiert dafür sehr viel Geld. Wir arbeiten beispielsweise beim Geflügel am Projekt «BTS plus». Autarke Ställe, die die Energie selbst produzieren, mit geheiztem Auslauf in einer Art Wintergarten, damit die Tiere auch in der kalten Jahreszeit gerne raus aus dem Stall gehen. Auch unser sich in Bau befindenden, neuen Schlachthof in Oensingen setzt neue Standards.
Bell ist nicht nur Fleisch.
Wir sind der grösste Seafood-Anbieter der Schweiz, setzen stark auf Bio, MSC/ASC-Labels und sind Gründungsmitglied der WWF Seafood Group für einen nachhaltigen Konsum von Seafood. Und wir haben eine sehr erfolgreiche Start-up-Firma für Fleischalternativen auf Pflanzenbasis in Landquart. Die Equipe von «The Green Mountain» darf im Rahmen ihrer Budgets machen, was sie wollen: Hauptsache pflanzlich. Wir haben bei «Green Mountain» kürzlich das erste vegane Rindsfilet degustiert. Das Ergebnis ist verblüffend gut und eine Alternative für einen Hauptgang.
Ich mag die vielen veganen und vegetarische Gerichte, die mir begabte GaultMillau-Köche servieren. Aber eine Wurst, die aussieht wie eine Wurst aber doch keine ist – das ist nicht so mein Ding.
Meines als gelernter Metzger auch nicht. Aber wir produzieren, was die Leute im Teller wollen.
So viele Veganer sind es dann doch wieder nicht.
95 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten essen Fleisch. Der Pro-Kopf-Konsum von Fleisch ist in der Schweiz seit Jahren praktisch unverändert und 2021 wurde durch das Bevölkerungswachstums sowie den pandemiebedingten ausgefallenen Einkaufstourismus so viel Fleisch gegessen wie noch nie.
Sie sind gelernter Metzger.
Leider ein aussterbender Beruf. Ich habe meine Lehre nie bereut. Wir kämpfen bei Bell gegen diese Entwicklung an und versuchen, jungen Leuten die vielen Vorzüge einer Metzgerlehre beliebt zu machen.
Sie möchten noch einen Traum verwirklichen.
Ja, nach meiner Zeit bei Bell möchte ich eine eigene kleine Metzgerei eröffnen. Bestes Fleisch. Beste Würste. Einen Standort in Basel habe ich bereits im Auge. Ganz in der Nähe der früheren «Ochsen-Metzg», in der Samuel Bell 1869 unsere Firma gegründet hat.
>> www.bell.ch