Text: GaultMillau Schweiz Fotos: Marcus Gyger, Karl-Heinz Hug
«Tiraditos to share!» Ein cooler DJ ersetzt den Pianisten. An der Bar gibt’s 99 verschiedene Gins. Und die Küche erstickt auch nicht unter silbernen Clochen. Ganz im Gegenteil: Das «Staatshotel» präsentiert sich frisch, freundlich, zeitgemäss. Dafür sorgen zwei: Direktor Bührer. Und sein stressresistenter Küchenchef Gregor Zimmermann. Das Vorzeigerestaurant heisst ja jetzt «Vue», also galt es, nach neuen kulinarischen Ufern Ausschau zu halten. Klar: Ein «Rossini», Loup de mer-Filets und Crêpe Suzette gibt’s noch immer. Aber auch Zeitgeistigeres: «Tiraditos to share» beispielsweise, in fünf verschiedenen Varianten. Wir probierten die Variante Riesencrevetten, Limette und Zitrone und wunderten uns ein wenig über die süsse Note im Gericht: Mandarine war’s, «bei Tiraditos durchaus üblich», sagt der Chef. Tropea-Zwiebeln und Koriander kamen dazu. Und natürlich war die Qualität der rohen «Crevettes géantes» aussergewöhnlich hoch.
Wagyu 9+. Bodenständiger geht auch. Die «Rillettes von der Bressepoularde» zeugte von erstklassigem Handwerk. Das Fleisch der Schenkel wurde verarbeitet, die Terrine von etwas Bresaolo umhüllt. Luxuriöser: Wagyu der Fettklasse 9+, in Spanien eingekauft, zum «Carpaccio de luxe» geschnitten. Eine gute Entscheidung: Wer 9+ wählt, sollte das Wagyu so dünn wie möglich aufschneiden.
«Adam & Eva der Rüebli». Zu den Hauptgängen serviert Chef Zimmermann liebend gerne Urgemüse; er folgt damit nicht einem Trend, es ist seine Passion, er kennt die Quellen. Diesmal kriegten wir gewissermassen «Adam & Eva» der Karotten: ein Gniff-Rüebli, im Tessin entdeckt, und eine tiefrote Urkarotte. Die waren mehr als «nur Beilage». Die Rüebli, in feinem Olivenöl konfiert, waren wunderbar knackig und setzten so einen Gegenpol zum «weichen», mit Honig karamellisierten Spanferkelbauch; das Schweinchen weidete im nahen Kiesen. Prima der kräftige Honigjus dazu und natürlich die «Pommes de terre mousseline», zubereitet aus Albula-Bergkartoffeln der Familie Heinrich, mit etwas mehr portuguiesischem Olivenöl, als der Hausarzt empfiehlt und wohl gerade deshalb traumhaft gut. Alternative; «Schnitz und Drunder», eine Aargauer Spezialität mit gedörrten Birnen, Kartoffeln und Speck.- Fachkundiger Service, grosse Terrasse, Sonntagsbrunch.
>> Bellevue Palace
Restaurant Vue
15 Punkte
Kochergasse 3-5
3011 Bern
www.bellevue-palace.ch