Text: Urs Heller
41 GaultMillau-Punkte, «Grande Table de Suisse». Im Normalfall ist das ein Privileg der Fünfsterne-Paläste: Mehrere gute Restaurants unter einem Dach. Das gibt es im «Bernerhof» (4*) mitten in Gstaad auch. Brigitte und Thomas Frei steuern ihr traditionsreiches Haus mit viel Geschick und Sinn fürs Schöne und Gute Richtung Gourmet- und Lifestyle-Hotel. Wer hier wandert, Schneeschuh läuft oder über die Pisten carvt, soll am Abend kulinarisch verwöhnt werden. Das Angebot: Vier sehr angenehme, unkomplizierte Restaurants. Drei davon im GaultMillau (total 41 Punkte). «Bernerhof»-Gäste haben die Qual der Wahl, auch während des Shutdowns. Das erfolgreiche Hotel gehört neu zu den «Grandes Tables de Suisse».
Kartoffeln vom eigenen Acker. Das bodenständigste Restaurant? «La Gare» (13 Punkte). Küchenchef Marcel Reist setzt auf Klassiker: Kabier-Cervelatsalat. Rindstatar. Forellen aus der Zucht von René Schopfer in Gstaad-Grund. Kayserbratwurst aus der Gstaader «Buure Metzg». Cordon bleu. Käsespezialitäten. Besonderes Merkmal: Der Käse fürs Raclette (und fürs Cordon bleu) stammt aus dem nahen Abländschen, die Kartoffeln dazu vom eigenen Acker. Die Freis eröffnen am 21. Mai in Abländschen (35 Einwohner!) ein kleines, liebevoll umgebautes Hotel und Restaurant, setzen stark auf einheimische Produkte. Die ersten vier Tonnen Kartoffeln sind geerntet, ein hervorragender Raclette-Käse liegt im Käsekeller. Der Name des Restaurants (früher «Weisses Kreuz») ist kulinarisches Programm: «Zur Sau»!
Der Deal mit den Ravets. Neuzugang im «Bernerhof»: «Esprit Ravet» (15 Punkte)! Die Freis haben mit der Familie Ravet (19 Punkte in der «Ermitage», Vufflens-le-Château VD) ein cooles Konzept entwickelt: La Brasserie Gourmande! Der «Meccano»: Vater Bernard und Sohn Guy schreiben die Karte, fahren regelmässig ins Saanenland zur Qualitätskontrolle. Der Glücksfall: Küchenchef Marcel Reist und Pâtissier Marcel Major setzen die Vorgaben hervorragend um und haben sichtlich Spass an diesem Deal. Ein paarmal im Jahr sind dann alle Ravets im Haus. Zum Beispiel an Silvester. Ihr Menü «Réveillon du Nouvel An» für Gstaad: Acht liebevoll komponierte Gänge. Mit vielen Höhepunkten: «Boudin blanc» von der Gans in einer unglaublich guten Gänse-Bouillon. Bretonischer Hummer an einer perfekten Bisque (mit einem Schuss Champagner). Wagyu A5 Kagoshima mit Pain perdu. Nathalie Ravet entkorkt die richtigen Flaschen dazu.
Kah Hing Loke & Luigi Belcore. Drittes GaultMillau-Restaurant im Haus: «Blun-Chi», das chinesische Restaurant (13 Punkte), ein Fixpunkt im Shutdown, lebhafter Zweischichten-Service, wenn keine Corona-Vorschriften bremsen. In der offenen Küche steht der erfahrene Chef Kah Hing Loke, der sich durch gar nichts aus seiner Ruhe bringen lässt. Seine Bestseller: Dim Sum & Ravioli, mal gedämpft, mal gebacken. Noodles mit gehacktem Rindfleisch (eine Art chinesische Spaghetti bolo!), auf Wunsch (und mit 24 Stunden Vorlauf) eine knusprig-saftige Peking Duck. Gleich nebenan das «Basta»: Luigi Belcuore («Pizzaiolo aus Leidenschaft») schiebt 17 verschiedene Varianten in den «Izzo»-Ofen, davon sieben ohne Tomaten. Giuseppe di Bella ist auch hier der souveräne Maître. Neues Epizentrum im «Bernerhof» ist die elegante Lounge rund um das lodernde Kaminfeuer. Eine tolle Gin-Auswahl, Wein & Champagner im Offenausschank. Und «Schmankerl» aus den verschiedenen Küchen: Gänseleber und Gams von den Ravets, Pizza Margherita von Luigi, kleine Frühlingsrollen mit Ente und Hoisin von Chef Loke.
>> Die GaultMillau-Serie im Januar: Wir stellen Hotels, Gastgeber und Chefs vor, die alle Covid-Vorschriften peinlichst genau einhalten und ihre Hausgäste während des Shutdowns ein aussergewöhnliches kulinarisches Erlebnis bieten. Nächste Folge: Der «Zermatterhof»: «Say Heinz» und «Say Cheese» im gemütlichen Fünfsterne-Hotel in Zermatt.