Interview: Urs Heller
Hire & Fire! Reto Brändli kocht noch im Grandhotel Kempinski in St. Moritz. Und wie! Die Kollegen vom Guide Michelin liessen zwei Sterne aufgehen, der GaultMillau listet ihn mit 17 Punkten. Das letzte Testessen war so überzeugend, dass die Note 18 für die nächste Ausgabe bereit lag. Die «Cà d’Oro»-Gäste und Brändli-Fans hatten die Rechnung ohne den Besitzer gemacht: Er feuerte Brändli und den Executive Chef Matthias Schmidberger gleich dazu! «Ein Schlag ins Gesicht», erinnert sich Brändli, der bereits für Andreas Caminada, Benoît Violier, Dario Ranza und Rolf Fliegauf gearbeitet hat. Brändli erholte sich schnell vom Schreck, fuhr nach Berlin und zeigte bei einem Probekochen im «Adlon», was er so auf dem Kasten und auf dem Herd hat. Direktor Michael Sorgenfrey war begeistert: «Der Topstar unter den jungen Kempinski-Köchen.» Er engagierte ihn sofort fürs legendäre «Lorenz Adlon Esszimmer», als Nachfolger von Zweisterne-Koch Henrik Otto. Hire & fire nach Kempinski-Art.
Reto Brändli, Glückwunsch zum Job und Glückwunsch zu Ihrem Mut. Das «Adlon» in Berlin ist ein heisses Pflaster.
In ganz Deutschland gibt es vielleicht 70 Restaurants auf diesem Niveau. 99 Prozent der Küchenchef-Jobs sind vergeben. Eine solche Chance darf ich mir nicht entgehen lassen.
Keine Angst vor dem eigenen Mut?
Es ist eine riesige Challenge. Aber manchmal muss man die Komfortzone auch verlassen. Ich greife in Berlin voll an.
Übernehmen Sie teilweise die Karte von Henrik Otto oder erleben wir «100 Prozent Brändli»?
Es gibt im Lorenz Adlon-Esszimmer einen Neustart, und ich habe dafür freie Hand. Am 18. Mai lege ich los, mit meinem ureigenen Achtgänger.
Sie wissen sicher schon, was draufstehen wird auf der Karte.
Ein paar neue Gerichte, aber natürlich nehme ich auch ein paar meiner Klassiker aus St. Moritz mit: Den Lachs mit Gurke, Rettich und Tonic. Die gefrorene Entenleber-Kugel mit Granny Smith Apfel, Estragon und Sauerrahm. Neue Gerichte? Sommerbock mit Pilzen, Blumenkohl und Sanddorn. Oder Wolfsbarsch mit Endivie, Kohlrabi und Orange.
Wie bereiten Sie sich auf den Neustart vor?
Ich bin schon dran. Ich koche die Gerichte für meine Jungs in der Kempinski-Küche und hole ihr Feedback ab.
Ihr wichtigster Partner, Executive Chef Matthias Schmidberger, begleitet Sie nicht nach Berlin.
Matthias prüft verschiedene, spannende Projekte. Auch er wird einen tollen Job kriegen. Aber er wird mir fehlen. Ich spüre einen gewissen Trennungsschmerz, so eine Art Liebeskummer…
>> Fotos: Thomas Buchwalder, HO