Text: David Schnapp Fotos: Thomas Buchwalder
Jeden Tag anders. Dass aus der ehemaligen «Remisa» ein vegetarisches Restaurant entstehen soll, hat Andreas Caminada erst im Januar entschieden: «Wir hatten darüber nachgedacht, eine Testküche für das Schloss einzurichten, aber irgendwann war klar, dass jetzt genau der richtige Zeitpunkt ist, um mit dem «Oz» zu starten. «Oz» heisst heute, und heute heisst, dass sich das Menü jeden Tag ein wenig ändert, je nach Saison, Wetter, Anzahl der Gäste und vor allem dem Zustand des Gartens.
Einmal pro Woche Gartendienst. Denn um den so genannten Schlossgarten dreht sich hier alles, seit einiger Zeit stecken Andreas Caminada und sein Gärtner Thomas Monn viel Energie in die hübsche Anlage mit unzähligen Bäumen und Beeten, Sträuchern und Gewächshäusern. Einmal pro Woche haben die Köche des 19-Punkte-Restaurants Schloss Schauenstein Gartendienst und einer, der sich dabei besonders hervorgetan hat, ist Timo Fritsche (grosses Bild: mit Andreas Caminada im Garten).
Gemüse und Getränke. Ihm hat Andreas Caminada die Verantwortung für das «Oz» übertragen und der 36-Jährige, der lange für Thomas Bühner in dessen 3-Sterne-Restaurant «La Vie» in Osnabrück gearbeitet hat, beweist schon mit dem ersten Menü, dass er die richtige Wahl für die Aufgabe ist. Zusammen mit Restaurantleiter Giuseppe Lo Vasco, der die passende Auswahl der passenden Getränke – im Fokus stehen biodynamische und Natur-Weinen, Biere, Sake oder Tee – verantwortet, gelingt dem Küchenchef zu Beginn buchstäblich eine schillernde kulinarische Reise durch den Garten.
Einmachgläser zum Start. Das vegetarische Menü sieht Timo Fritsche nicht als Beschränkung, «sondern eher als Befreiung von einer standardisierten Abfolge im Fine Dining», wie er sagt. Zum Start etwa fährt der Bar-Wagen mit Einmachgläsern vor: Getrocknete und eingelegte Wassermelonenstücke, Karotten, Stachis oder Tomaten vom letzten Sommer eröffnen eine anregende Geschmackswelt aus intensiver Säure, überraschender Fruchtfülle, knackiger Salzigkeit und feiner Schärfe. Eine Bologi-Mayonnaise mit Chili und Soja gibt es als Dip dazu, sie rundet die sehr eigenständige Ästhetik dieser Menüeröffnung ab.
Intensiver Salat. Sein Menü soll nicht statisch sein, sagt Fritsche. «Ich gehe jeden Tag in den Garten und schaue, was gerade da ist. Deshalb ist auch der Salat jeden Tag etwas anders.» Rund 25 verschiedene Blätter, Blüten und Pflanzenfrüchte schichtet der Koch in eine kleine Schüssel – Koriander, Endivien, Bronzefenchel, rote Senfblüten, Spinat und vieles mehr. Mariniert mit einem Dressing auf der Basis von fermentiertem Kohlrabisaft, ergibt das eine hohe geschmackliche Intensität, der Salat schmeckt herb, erdig, leicht bitter und zwischendurch scharf.
Mal schlicht, mal komplex. Manche Gerichte sind betont schlicht, wie der in Brik-Teig frittierte grüne Spargel, oder das Zweierlei vom Rettich (einmal japanisch, einmal koreanisch) mit Gardenien und Chili-Mayo. Andere erreichen eine erstaunliche Komplexität und Tiefe, viel Umami und – man muss es so ausdrücken – eine besondere Art geschmacklicher «Fleischigkeit»: Zum Beispiel die mit verschiedenen Zubereitungstechniken behandelte Karotte, die gepökelt, in Miso gegart, als Hollandaise mit Karottensaft und Kimchi, als fermentiertes Karottenpüree und als Karottensauce mit Miso und Kimchi in der Schale liegt, und mit Süsse, Säure und Schärfe überzeugt.
Faszination Aubergine. Oder die Aubergine, mehrere Stunden bei 130 Grad im aromatisierten Öl konfiert, und mit einem Safransud auf Gemüsefond-Basis, einer Safran-Rouille, gedörrten und eingelegte Trauben, eingelegtem Rucola, grillierter und in Escabeche-Sud eingelegter Aubergine sowie schliesslich mit fermentiertem Knoblauch zu einem grandiosen kleinen Gericht verdichtet. «Diese Vielfalt gibt es bei keinem anderen Produkt, tierisches Protein läuft immer in eine Richtung, bei Gemüse hingegen sind die Möglichkeiten viel breiter», erklärt Timo Fritsche seine Faszination für die vegetarische Küche.
Nur keine Gewalt. Den Garten sieht der «Oz»-Chef dabei als Ausganspunkt für alles und als eine Art Zukunftslabor. 80 Tomatensorten beispielsweise haben Fritsche und Gärtner Monn ausgesät, 25 wurden für gut befunden, nun wartet der Koch darauf, dass sie reifen. «Für eine gute vegetarische Küche braucht es ein gutes Grundprodukt, das man mit so wenig Gewalt wie möglich verändert. Natürlich braucht es auch Kreativität, aber das ist für mich vor allem die Erfahrung zu wissen, was miteinander funktioniert», fasst der begabte junge Mann zum Schluss seine Idee von guter vegetarischer Küche zusammen.
>> Das Restaurant Oz in Fürstenau ist ab sofort von Donnerstag- bis Samstagabend sowie sonntags zum Lunch geöffnet. Serviert werden ein 9- und ein 12-Gänge-Menü für 194/220 Franken. Am Tresen aus Bergahorn haben 10 bis 12 Gäste Platz.