Text: Urs Heller
Viel Schwung in alten Mauern. Die «Villa Castagnola» in Lugano schreibt Geschichte. 135 Jahre Gastfreundschaft. 40 Jahre im Besitz der Familie Garzoni. Und Frank Oerthle, der 16-Punktechef im Signature Restaurant Arté, steht auch schon zwanzig Jahre am Herd. Am kulinarischen Schwung fehlt es im Privathotel unter Palmen nicht. Oerthle verblüfft mit eiserner Disziplin und immer neuen Ideen. Sein Kollege Alessandro Boleso, zuvor 17 Jahre in der berühmten «Villa d’Este» am Comersee gibt auch mächtig Gas. Gleich in zwei Restaurants: Im «Le Relais» und im «La Rucola». Die Testnotizen von GaultMillau.
«Arté»: Drei verschiedene Spargeln! Das «Arté», direkt am See gelegen und auch Kunstgalerie, ist zwar nur abends geöffnet. Aber Chef Oerthle und seine Jungs stehen bereits morgens um neun Uhr in der Küche. Wer abends Perfektion anstrebt, muss tagsüber hart arbeiten. Etwas anderes kommt für den Patron eh nicht in Frage. Der verblüffendste Gang diesmal: Dreierlei Spargeln in einem Teller. Die weissen kommen aus Berlin. Die grünen (nur für das feine Süppchen!) aus der Magadino-Ebene. Und die violetten sind die kleine Sensation im Teller. «Asparago violetto» heissen die Dinger. Gestochen werden sie zwischen San Giovanni (19. März) und San Giuseppe (24. Juni) im italienischen Albenga. Violett sind die übrigens nur, bis sie ins heisse Wasser kommen… Zweite Überraschung in einem spannenden Menü: Hausgemachte Tagliolini mit einer Gemüse-Dashi. Und mit einem «Salmerino» (Saibling).
«Le Relais»: Zwei Risotti auf einem Teller. Wir bestellten bei Alessandro Bolero einen Risotto und kriegten zwei: Einen mit den ersten Piselli (Erbsen) der Saison, einen mit Parmigiano Vacche Rosse, zubereitet in zwei Pfannen, liebevoll angerichtet auf einem Teller. Chef Boleso: «Entstanden ist das Gericht aus einem Missverständnis meiner Ragazzi. Aber die beiden Risotti passen zueinander. Das Resultat gefällt uns.» Uns auch. Die Zubereitung ist präzis und die Reisqualität auch: Tenuta Drovanti. Boleso will nicht «nur» Zweitrestaurant sein, drängt ebenfalls Richtung Pforte zum Gourmet-Himmel, etwa mit einem Carpaccio di lusso: Gamerbo rosso, hauchdünn aufgeschnitten, Sorbet von der dunklen Yoom-Tomate für die Säure, Streusel von Farina Bona für den «crunch». Prima auch die Hummer-Medaillons mit Kaviar und einer eleganten Bisque. Stammgäste wollen fast immer das eine: Branzino al sale.
«La Rucola»: Poke, Pasta, Tatar. Chef Boleso hat 20 Köche in der Brigade, aber die müssen auch im Ristorante «La Rucola» ran. Da brummt der Laden (oder besser: die Sonnenterrasse) vor allem mittags. «Fresh & easy» ist angesagt: Cheeseburger, Club Sandwich, vier verschieden Tatars, Poke Bowls und natürlich Pasta. Unsere Favoriten: Risotto «Terreni alla Maggia» mit Taleggio, Tagliolini mit Meergetier. Geheimtipps im Resort: Die «Banano Bar», eine leicht versteckte Gartenbar, umzingelt von Bananenpalmen. Und der private «Beachclub» direkt am Wasser.
>> Villa Castagnola. 72 Zimmer und Suiten mit Seesicht. Ab 465 CHF. Spa, Schwimmbad, Park, Beachclub. Eindrückliche Kunstsammlung. Drei Restaurants.
Fotos: Thomas Buchwalder, Rémy Steinegger, Liliana Lafranchi, HO