Text: Urs Heller | Fotos: Thomas Buchwalder
Zurück ins Tessin. Im «Eden Roc» Ascona hat man sich nach Jahrzehnten von Chef Cyrille Kamerzin getrennt: «Unterschiedliche Ansichten über die kulinarische Ausrichtung des Unternehmens» würde man das in der Wirtschaftspresse umschreiben. General Manager Simon Spiller hat die Nachfolge mutig geregelt. Er holt die junge Tessinerin Caterina Vosti zurück ins Tessin. Ein grosser Sprung: Im «The Capra» in Saas Fee stand sie praktisch allein in der Küche, im eleganten Swiss Deluxe Hotel führt sie eine 14 köpfige Brigade. Caterina: «Ich wurde gut aufgenommen. Wir sind alle jung, verstehen uns und arbeiten im Team an neuen Gerichten.»
Das Moving Mountain-Ding. Der Start war unerfreulich: Ein heisser Smoothie mit Rotkohl und Zimt, serviert in einem «0815-Gläsli». Das macht freiwillig kein Chef. Aber die Besitzerfamilie ist überzeugt von ihrem «Moving Mountain»-Gesundheitskonzept und will es mit der Brechstange in all ihren Restaurants durchsetzen. Auch im «Eden Roc», Jahrzehnte lang die von den Stammgästen sehr geschätzten Hochburg der klassischen Küche. Dass mit «Moving Mountain» auch Erstklassiges möglich ist, wollen wir nicht verschweigen. Das beweist im Resort Marco Campanella («La Brezza). Aber der kocht in einer anderen Liga.
Flambieren, auf Teufel komm raus! Gäste lassen sich von Konzepten nicht verbiegen. An neun von zehn Tischen entscheiden sie sich im «Eden Roc» für vertraute Gerichte. Die Maîtres flambieren mit Grandezza und auf Teufel komm raus: Scampi mit Rémy Martin und Hummersauce, Rindsfilet Stroganoff, Crêpe Suzette. Auch Châteaubriand und Wolfsbarsch im Salz sind sehr gefragt, selbst das Salatbuffet, ein Relikt aus alten Tagen, wird gestürmt. Glück für die Gäste: Die junge Tessinerin Caterina Vosti fühlt sich auch in der klassischen Küche sehr wohl und holt sich damit den ersten Applaus. Den gibt’s auch für den «Carpaccio di Scampi» mit Kamille (!), Erbsen, Minze und Vallemaggia-Brotchips. Hervorragend.
Caterinas Küche? Ravioli mit «Büscion». So langsam lässt die Chefin aus dem Valle Maggia ihre ersten eigenen Gerichte in die Karte einfliessen. Die sind vielversprechend. Der Lachs aus Lostallo ist hübsch angerichtet; im Zentrum ein Bergamotte-Joghurt, dazwischen teuflisch scharfe Elemente, pikant fermentierter Kohl. Die Ravioli waren wohl der Gang des Abends. Dünner, aber nicht zu dünner Teig, «Büscion» (Ziegenkäse) aus ihrer Heimat in der Füllung, dazu etwas Nocino-Sauce und dünn aufgeschnittene Birne für Süsse und Frische. Spaghetti gab’s auch. Zucchini-Spaghetti, um genau zu sein. Darauf wurde ein rechtes Stück Lucioperca (Zander, Lago Maggiore) angerichtet und ein Sud und Öl von Eisenkraut eingegossen. Prädikat gut und federleicht.
Lammkarre, Lammbauch. Auch für den Hauptgang wurde im Valle Maggia eingekauft: Karree und Bauch vom Lamm, bei niedriger Temperatur gegart, etwas zaghaft gewürzt. Beilagen: Kartoffelpüree, Steinpilze, von Caterinas Vater beschafft, in vier verschiedenen Konsistenzen. Aufregend die Friandises: Windbeutel mit Nougat, Zitronenkugel mit weisser Schokolade, Schokolade mit gesalzenem Karamell und Schokokuss mit schwarzem Sesam, Yuzu und Himbeeren. Signora Caterina kocht für gut gelaunte Gäste: Ein Sommerabend auf der «Eden Roc»-Terrasse mit Seesicht ist traumhaft schön.