Text: David Schnapp | Fotos: Remo Buess
Carcenat in «Smaragdgrün». Kraftvoll, lautlos und elektrisch vollzieht Benoît Carcenat die Kurven nach dem Dorfausgang von Rougemont VD und fährt zügig weiter ins nächste Dorf. GaultMillaus Koch des Jahres 2023 vom Hotel-Restaurant «La Table du Valrose» in Rougemont, sitzt am Steuer eines brandneuen Mercedes EQE SUV 350 4matic in edler Smaragdgrün-Lackierung und nimmt uns mit auf eine kurze Reise durch seine Bilderbuch-Schweiz aus grünen Hügeln und Wäldern, Chalets und friedlich grasenden Kühen, Schafen oder Eseln.
Im «Dreiländereck». Von den Feldern und Bergen oder aus den Wassern in diesem «Dreiländereck» zwischen den Kantonen Bern, Fribourg und Waadt bezieht der gut gelaunte Franzose viele der Zutaten für seine fantasievolle 18-Punkte-Küche. So haben etwa die Regenbogenforellen aus Neirivue FR einen festen Platz in seinen Menüs. Seit 1980 werden in der Pisciculture de la Gruyère Forellen gezüchtet, «für die es sogar ein Zertifikat für besonders hohen Vitamin-D-Anteil gibt», wie Produktionsleiter Yves Sailleau stolz sagt. Das kristallklare Wasser für die Becken stammt direkt aus einem Bergbach. «Es ist das ganze Jahr über zwischen sechs und neun Grad kalt. Deshalb wachsen die Fische nur langsam. Es braucht rund eineinhalb Jahre, bis sie die volle Grösse erreicht haben», erklärt Sailleau eins der Qualitätsmerkmale der Zucht. «C’est top!», sagt Benoît Carcenat dazu. Das Lob werden wir im Laufe des Tages immer wieder hören. Der Koch verwendet es immer dann, wenn ihn eine der vielfältigen Preziosen der Natur besonders begeistert.
In 15 Minuten aus dem Wasser ins Restaurant. Selbst in dieser Anlage, wo nur eine Forellenart gezüchtet wird, ist Vielfalt möglich: «Je nachdem, wie das Gericht aussieht, brauche ich die ganz grossen oder dann sehr kleine Fische», sagt Carcenat. «Die kleinen Exemplare haben wir zum Beispiel kürzlich auf japanische Art im Tempurateig ausgebacken und dazu eine Yuzu-Mayonnaise serviert. Die grösseren beizen und räuchern wir in der Regel leicht.» Dass fangfrischer Fisch innerhalb von 15 Minuten aus dem Wasser und ins Restaurant gelangen könne, sei einfach «top», so der Küchenchef, der den Titel «Meilleur Ouvrier de France» für herausragendes Handwerk tragen darf.
Blüten, Beeren, Bio-Gemüse. Als Nächstes hält Benoît Carcenat auf einer kleinen Ebene mit einem Bauernhof und Gemüsebeeten. Hier herrscht fast vollständige Stille. Zwei Esel weiden auf einer üppigen Wiese, irgendwo wird etwas umgegraben. Yaëlle Rossier führt den Koch durch ihre kleine Farm, wo sie mit ihrem Mann Bastien Biogemüse, aromatische Kräuter, essbare Blüten und Beeren zieht. Weil heute Leermond sei, werde nichts angepflanzt, sagt sie. «Man kann an solche Dinge glauben oder nicht, aber wir halten uns an diese Regel», sagt die junge Bäuerin mit einem Flair für die übergeordneten Gesetze der Natur.
Gemüse die Königsdisziplin. Benoît Carcenat fragt nach mexikanischem Estragon, der bei vollerem Mond ebenso angepflanzt wurde wie eine Reihe Erbsenpflanzen auf dem Feld und in einem kleinen Gewächshaus. Für den Koch des Jahres ist Gemüse die Königsdisziplin: «Bei Fleisch und Fisch gibt es einige Zubereitungsarten – und das wars dann. Die Möglichkeiten mit Gemüse aber sind schier unendlich», sagt er. Erbsen zum Beispiel verwende er gewissermassen «nose to tail». Neben den süssen grünen Hülsenfrüchten serviert er auch die Sprossen und die aromatischen Blüten – «damit kann man auch einen wunderbaren intensiven Sirup herstellen». Die fasrigen Hülsen kommen erst in die Zentrifuge, die dann einen Erbsenfond herausschleudert, danach werden die Reste im Pacojet ganz fein gemahlen und getrocknet – für ein Erbsenpulver. Benoît Carcenat erkundigt sich auch nach Radieschen, die er für sein Juli-Menü haben möchte. Es gibt zur Zufriedenheit des Kochs bereits ein Beet, wo die kleinen Rettichkugeln wachsen. «Wir sitzen immer zu Beginn des Jahres zusammen, dann kann ich meine Wünsche anbringen, was angepflanzt werden soll. C’est top!», sagt er, steigt in das dunkelgrüne Elektro-SUV und fährt bergwärts.
Der beste Käse der Welt. Nun geht es zusammen mit Käselieferant und -affineur Arnaud Guichard in die hoch gelegene Heimat des Etivaz AOP, der 2018/19 bei den World Cheese Awards zum besten Käse der Welt gekürt wurde. Der Alpkäse aus dem gleichnamigen Waadtländer Dorf wird traditionell vom 10. Mai bis 10. Oktober aus Bergmilch und nur in Kupferkesseln über Holzfeuer produziert. Danach reift er bis zu vier Jahre lang bei 14 Grad Celsius und 94 Prozent Luftfeuchtigkeit und wird regelmässig gewaschen und gedreht. Zuständig dafür ist eine Genossenschaft mit rund 70 Mitgliedern. Weil es sich dabei gewissermassen um den Mercedes unter den Schweizer Käsesorten handelt, ist dies der perfekte Abschluss der kleinen Tour durch das Gruyère-Idyll. Und wie es Benoît Carcenat formuliert: «C’est top!»