Text: Kathia Baltisberger | Fotos: Ellin Anderegg
Risiko oder Chance. Biel ist bekannt für Uhren und Bilingualität. Aber für eine gute Food-Szene? Auch. Zumindest, wenn man weiss, wo es sich lohnt zu reservieren. Das kleine Lokal «Du Bourg» befindet sich in der Altstadt beim Gerechtigkeitsbrunnen. Seit rund eineinhalb Jahren führen Christian Aeby und Fiona Liengme das Restaurant. Richtig durchstarten konnten sie erst nach dem zweiten Lockdown. Der junge Chef verwendet für seine Küche, was die nähere Umgebung so hergibt. Sommelière Fiona serviert die passenden Weine aus der Schweiz und dem nahen Ausland, sowie eine erstklassige alkoholfreie Getränkebegleitung. «Einige sagten uns, das funktioniert doch nie in Biel. Andere meinten: Doch, genau das fehlt in der Stadt», erzählt Fiona rückblickend.
«Angst gehört dazu.» Letztere hatten Recht. Das Konzept kommt an. Christian Aeby wurde vom GaultMillau im vergangenen Herbst als «Entdeckung des Jahres» ausgezeichnet. «Seither sind wir immer ausgebucht. Das gibt mir eine gewisse Sicherheit in der Küche», sagt der 27-Jährige. Sich so jung selbständig zu machen, sei schon ein Risiko. «Aber ein bisschen Angst gehört dazu, alles andere wäre naiv.» Naiv sind Christian und Fiona nicht. Im Gegenteil, im «Du Bourg» wirkt alles sehr überlegt, aber nicht verkopft. Gekocht wird, was Sinn ergibt. Und das bedeutet: wenig Fleisch. «Wenn wir Fleisch oder Fisch servieren, dann sehr bewusst.» Dann gibt es zum Beispiel Wagyu-Haxe aus dem Aargau.
Vegi-Hauptgang. Aeby versucht, Gemüse weiterzudenken, will es von der Beilage zum Hauptakteur befördern. «Beim Gemüse kann ich kreativer sein, ich finde es spannender als Fleisch und Fisch.» Nach der Sommerpause wagte es Christian erstmals, einen vegetarischen Hauptgang zu servieren. Einen im Ofen gebackenen Sellerie, dazu gibts einen grillierten Kräuterseitling, karamellisiertes Selleriepüree und frittierten Sellerie als Crunch. «Den Sellerie kochen wir sehr lange, damit das Gericht noch mehr Umami erhält.» Sinn macht für Christian auch, Gemüse vom Bauern zu kaufen, das nicht ganz perfekt ist. «Manchmal ist der Sellerie ein bisschen angefressen, den nehmen wir fürs Püree. Und die Stangensellerie ist eigentlich etwas zu klein geraten, um ihn zu verkaufen. Aber für uns sind so kleine Exemplare fast noch besser, weil ich sie ganz verwenden kann.»
Talentschmiede «Eisblume». Fiona und Christian sind beide in Fribourg aufgewachsen. Sie lernen sich im zweiten Lehrjahr in der Berufsschule kennen und gehen seither gemeinsam durchs Leben. Die beiden Teenager haben schon damals beschlossen, dass sie irgendwann ein eigenes Restaurant führen werden. Dass es auch beruflich harmoniert, haben die zwei in der «Eisblume» in Worb herausgefunden. Fiona arbeitete bereits im ehemaligen 17-Punkte-Restaurant, Christian konnte eine temporäre Stelle annehmen. Sein damaliger Chef, Simon Apothéloz, hat ihn stark geprägt. «Simon ist eine sehr inspirierende Person. Sehr ruhig und fokussiert. Er hat nicht rumgeschrien. Wir waren ein cooles Team. Auch dass Service und Küche so gut harmonieren, das habe ich noch an keinem anderen Ort erlebt.»
Team-Sache. Genau so will Christian auch sein Team führen. Er ist zwar der Chef, doch jeder im Team hat Raum, um Ideen einzubringen. «Das Menü kreieren wir zusammen. Auch das Service-Team darf Ideen einbringen.» Die Lorbeeren für das Dessert überlässt er auch voll und ganz seiner neuen Patissière Emilia dos Reis. «Wir haben die letzten Aprikosen des Jahres eingemacht.» Dazu gibts eine Crème aus weisser Schokolade und einen salzigen Schoggi-Espuma sowie ein Aprikosen-Sorbet.
>> GaultMillau und American Express scouten junge, begabte Köche, die die Zukunft vor sich haben für die Liste «Talente 2022». Fortsetzung folgt.