Text: David Schnapp | Fotos: Lukas Lienhard
Ein Platz an der Theke. In Zürich läuft die Saison der Restaurant-Eröffnungen gerade auf Hochtouren. Nach Markus Lindner («An») und Niklas Oberhofer («Sonnenberg»/«Epoca») folgt am 8. Dezember 2023 der vorläufige Höhepunkt des Neuheiten-Reigens in der «Food City»: Dann startet Mitja Birlo «The Counter» am Zürcher Hauptbahnhof und richtet in einem exklusiven Setting neu an. Am langen Holztresen vor der offenen Küche finden 17 Leute in bequemem, plüschigen Barhockern Platz, ein zusätzlicher Tisch für sechs Personen garantiert mehr Privatsphäre für kleinere Gruppen.
Marmor, Messing & Grossstadt. Die Architekten Suter Plus haben aus den Räumlichkeiten in der südlichen Ecke des Bahnhofs, die Richtung Bahnhofstrasse und Central weist, ein elegantes grossstädtisches Restaurant geformt – Marmor, Messing, Nussbaumholz oder Alabaster sind die Materialien der Wahl. «The Counter» erinnert in Bezug auf das Setting und die die transparente offene Atmosphäre an weltbekannte Konzepte wie «Frantzén» in Stockholm, «Chef’s Table at Brooklin Fare» in New York sowie die «Ateliers Robouchon» in Paris, Genf oder Tokio.
Koch und Entertainer. Mitja Birlo, bis April 2023 Küchenchef im «Silver» im 7132 Hotel in Vals, kommt diese neue Offenheit entgegen wie er sagt: «Jeder Koch, der in einer einsehbaren Küche arbeitet, muss auch ein bisschen Entertainer sein. Ich habe keine Angst vor den Gästen und kann gut mit Menschen. Das kommt mir in diesem Szenario zugute.» Als ihn Nenad Mlinarevic und Valentin Diem, die auch die Brasserie Süd gleich nebenan betreiben, für den Job an der Theke angefragt hätten, habe er nicht lange überlegen müssen: «Meine Frau Florentina und ich waren uns schnell einig, dass wir diese Chance packen wollen.»
Der passende Sound. Etwas vom Ersten, was für «The Counter» bereit war, war die Playlist. Viereinhalb Stunden Musik hat der Küchenchef und Koch des Jahres 2022 selbst zusammengestellt. Die Auswahl ist jetzt auf Spotify zu hören und passt mit dem entspannten Groove und den atmosphärischen Melodien perfekt zu einem Ort der Wünsche, Träume und Erinnerungen, wo Reisen starten oder zu Ende gehen. «Als ich angefangen habe, über dieses neue Restaurant nachzudenken, wollte ich vor allem eine Stimmung schaffen, die zu dieser Farb- und Materialienwelt passt», sagt Mitja Birlo. Rund sieben Monate Auszeit liegen hinter dem gebürtigen Deutschen mit Berliner Vergangenheit. Er hat sie genutzt, um zu heiraten, zu reisen und den Kopf freizukriegen.
Keine Neuerfindung. Kulinarisch habe er sich in dieser Zeit nicht komplett neu erfunden. «Man hat mich ja geholt wegen der Arbeit, die ich bisher gemacht habe», sagt er entspannt. Aber man entwickle sich als Koch sowieso laufend weiter, «das ist ein ständiger Prozess». Die Gerichte, die am «Counter» serviert werden, sind die Kreationen eines weltoffenen Geistes, der ohne Dogmen zur Arbeit geht und dennoch eine klare Linie findet. «Mein Menü hat Einflüsse aus Thailand oder Mexiko, aber auch aus der klassischen französischen Küche», sagt der 38-järige Birlo und serviert beispielsweise zum bei 46 Grad geämpften und dann mit Honig angebratenen Kabeljau eine Sauce auf Basis einer Thaicurry-Reduktion, die zu einer samtenen Zabaione aufgeschlagen wird. Dazu gibt es ein Chutney aus getrockneten Aprikosen und fermentierten Jalapenos sowie eine Art Stroh aus Kombu-Algen.
Überraschende Elemente. Traditionelles Handwerk in zeitgemässer Form findet sich bei der mit einer Grünkohl-Farce gefüllten und gebratenen Wachtel, die mit grilliertem Grünkohl und getrockneten, re-hydrierten Blaubeeren und einer klassischen Albuféra-Sauce mit Geflügelfond, Foie Gras und Sherry-Reduktion kombiniert wird. Daneben steht ein Schälchen mit Wachtelschenkel-Ragout, Reis-Espuma und confiertem Wachteleigelb. «Ich spüre keinen Druck, meinen Stil zu ändern», sagt Mitja Birlo. Wie aus Schubladen zieht der Zürich-Neuling immer wieder überraschende Elemente hervor, die spielerisch er zu geschmacksstarken abwechslungsreichen Gerichten zusammenfügt.
Sandwich als Dessert. Alles will der «Counter»-Chef vor der Eröffnung noch nicht zeigen, verrät aber immerhin, dass er sein Menü-Format an die lockeren Gegebenheiten am Tresen anpassen wird: «Es gibt mehr Snacks und Fingerfood, und die Gerichte werden auf kleineren Tellern serviert. Dazu passt auch eines der Desserts von Patissière Sabrina Blum, die wie auch Sous-Chef Julian Weller bereits in Vals zum Birlo-Ensemble gehörten. Ihre Interpretation des Bienenstiches mit Florentiner-Hülle und Vanille-Rhum-Parfait als Füllung lässt sich wie ein Sandwich essen.
Perfekte Bühne. Die letzten Arbeiten im neuen Restaurant laufen noch, und auch in der Küche gibt es für das fünfköpfige Team noch viel zu tun. Schon jetzt ist aber erkennbar, dass «The Counter» die perfekte Bühne für Florentina und Mitja Birlo bietet, um ihre sehr persönliche Vorstellung von gekonnter Gastfreundschaft und hochstehender Küche dem ebenso neugierigen wie anspruchsvollen Gästen in Zürich zu präsentieren. «Mr. Unbekannt aus Vals» dürfte hier bald einem breiteren Publikum ein Begriff sein.
>> «The Counter» im Hauptbahnhof Zürich (Südtrakt) ab 8. Dezember 2023
Mi–Sa ab 19 Uhr, Sa auch Lunch ab 12 Uhr
www.the-counter.ch