Fotos: Digitale Massarbeit
«Vielfalt ist der Schlüssel.» 75 massgeschneiderte Programme wurden seit dem Start im Jahr 2016 bereits absolviert, 70 gastronomische Top-Adressen weltweit sind Partner des einmaligen Angebots, welches die Stiftung Uccelin von Sarah und Andreas Caminada jungen Talenten in der Gastronomie macht. Während rund vier Monaten können sie in Restaurants, bei Produzenten oder Winzern Neues lernen und ihr Netzwerk erweitern. Für Dominique Crenn liegt genau darin die besondere Qualität: «Als junger Koch sollte man viel sehen und möglichst offen sein. Vielfalt ist der Schlüssel zum Erfolg», sagt die erste und einzige Frau, die in den USA ein Drei-Sterne-Restaurant führt («Atelier Crenn» in San Francisco). Grosses Bild oben: Andreas Caminada, Björn Frantzén; Dominique Crenn und Marcel Skibba (v.l.n.r.)
«Viel reisen und sehen.» Zum Wohle der Stiftung Uccelin, die durch Gönnern und Zuwendungen finanziert wird, ist die gebürtige Französin zu Besuch auf Schloss Schauenstein in Fürstenau. Zusammen mit ihrem Kollegen Björn Frantzén sowie Andreas Caminada und Marcel Skibba gibt es für Gäste die einmalige Gelegenheit, ein Essen dreier kulinarischer Schwergewichte zu erleben. Und wenn es darum geht, wie man seinen beruflichen Weg findet und Talent fördert, ist Dominique Crenn eine ausgezeichnete Gesprächspartnerin. Die 59-Jährige hat ursprünglich eine ökonomische Ausbildung gemacht, und ist in der Küche eine Autodidaktin. «Ich empfehle jungen Leuten, zu reisen und viel zu sehen. Aber Kochen hat auch viel mit Konstanz zu tun, zuerst muss man sein Handwerk beherrschen», sagt sie.
Suche nach dem Sinn. Auch zur angespannten Personalsituation in der Gastronomie hat Dominiqe Crenn eine dezidierte Meinung: «Chefs sind zu Filmstars geworden, und das erweckt einen falschen Eindruck von diesem Berufs. Und wir müssen auch selbstkritisch sein: Viele Restaurants haben die jungen Leute mit ihren Träumen missbraucht. Unsere Aufgabe als Chefs ist es, Talenten eine Grundlage zu geben.» Es gehe darum, aufzuzeigen, worin der Sinn der Tätigkeit in einer Küche liege, findet Crenn. Seit 14 Jahren betreibt sie auch eine Farm, und als Köchin sei sie wie eine Malerin: «Meine Hände sind wie Pinsel. Die Natur schenkt mir Schönheit in Form von Produkten, die ich in etwas Neues transformieren kann», sagt Crenn über ihr Selbstverständnis der Arbeit als Köchin.
Zwiebel, Mandel & Lakritze. Daraus entsteht dann beispielsweise die erdig-süsse Kombination aus glasierten Kastanien mit geräuchertem Hechtrogen, die Dominique Crenn beim 6-Hands-Lunch serviert. Das Gericht ist ein gutes Beispiel für Crenns Transformations-Philosophie. Das Gericht passt zur herbstlichen Jahreszeit, es ist ausgesprochen ästhetisch, aber letztlich schlicht, fügt sich aber nahtlos ein in die Reihe aussergewöhnlicher Kombinationen der drei Starchefs. Der eingelegte Zander mit Kohlrabi und verschiedenen Teilen der Kapuzinerkresse aus der Küche von Andreas Caminada und Marcel Skibba ist ebenso aussergewöhnlich wie Björn Frantzéns Signature-Kombination aus Zwiebel, Mandel und Lakritze, die er als kleines Löffelgericht serviert.
Zwiebeln statt Arsenal. Auch der 47-jährige Schwede hat nicht den klassischen Ausbildungsweg gemacht und wollte eigentlich Fussballprofi werden. «Kochen war eigentlich mein Plan B. Aber für Arsenal hat es nicht gereicht, deshalb habe ich halt Zwiebeln geschnitten», sagt Frantzén mit trockenem Humor. Seit der Eröffnung seines Restaurants Frantzén im Jahr 2017 an neuer Adresse in Stockholm steht der Name für ein beeindruckendes Gesamterlebnis auf Drei-Sterne-Niveau – gut vergleichbar mit dem Stil, den Andreas Caminada auf Schloss Schauenstein etabliert hat. Für Björn Frantzén ging es darum, etwas gegen die «Atmosphäre einer Bibliothek» zu tun, die viele Spitzenrestaurants etwas langweilig mache, wie er findet. «Deshalb spielen wir Metallica zu einem Grand-Cru-Wein», so der Koch und Unternehmer, der in den letzten Jahren in hohem Tempo expandiert hat. Zur Gruppe gehören unter anderem das ebenfalls mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete «Zén» in Singapur, seit kurzem «FZN» in Dubai oder die Brasserie Astoria in Stockholm und Singapur.
«Talent ist nicht entscheidend.» Wenn er Leute suche für neue Restaurants, sei er weder an Lebensläufen besonders interessiert, noch sei Talent an sich entscheidend. «Ronaldo wurde nicht einer der besten Fussballer – und spielt immer noch auf hohem Niveau – weil er so talentiert ist. Er hat einfach härter gearbeitet als andere», sagt Björn Frantzén. Ihm gehe es um grundsätzliche Werte: «Sei seriös, professionell und neugierig. Man sieht viel, wenn man mit offenen Augen aufmerksam durchs Leben geht», lautet sein Rat an junge Gastronomie-Profis.
Neu im Programm. Genau dies ist hat den jungen Sommelier Noris Conrad motiviert, sich für das Uccelin-Angebot zu bewerben. Seit kurzem ist der 24-Jährige im Programm und wird demnächst unter andrem eine Olivenöl-Produktion in Italien, die Schweizer Winzer Markus Ruch und Martin Donatsch oder die Top-Restaurants Per Se von Thomas Keller in New York und Sühring in Bangkok besuchen. «Das Angebot von Uccelin ist, wie als Kind im Süsswarenladen zu stehen», sagt er über diese einmalige Chance. Kontakte zu knüpfen sei unheimlich wichtig in der Gastronomie, findet Noris Conrad. Und er mag die «Ehrlichkeit der Branche». Die Uccelin-Erfahrung, soviel lässt sich jetzt schon sagen, wird die Karriere des Service-Talents beflügeln.