Text: David Schnapp | Fotos: Lukas Lienhard
Kunst, Küche und Keller. Es wird viel gelacht im Dachgeschoss des Hotel Einstein mitten in St. Gallen, wo in grosszügigen, rustikal wirkenden Räumen ausgesuchte zeitgenössische Kunst auf modernisierte klassische Haute Cuisine trifft. Für Küche und Keller ist das gut gelaunte Trio Sebastian Zier und Richard Schmidtkonz am Pass sowie Loris Lenzo als Sommelier zuständig. Lenzo pflegt und verwaltet den neu gebauten spektakulären Weinkeller aus weissem Bordeaux-Kalkstein in welchem rund 3000 Positionen Wein sorgfältig geordnet sind.
Was passt zu Rosé-Champagner? Für die Champagner gibt es einen eigenen Raum mit gesonderter Klima-Zone, und Loris Lenzo öffnet eine Flasche Laurent-Perrier Cuvée Rosé, um einer ganz bestimmten Frage nachzugehen: Welche unterschiedlichen Gerichte lassen sich mit diesem Wein kombinieren, der während der Entstehung bis zu 72 Stunden mazeriert wird, um die intensiven Fruchtnoten des Pinot Noir herauszuarbeiten und die aussergewöhnlich kräftige Farbe zu erhalten?
Säure-Skala von 1 bis 10. «Wenn ich Wein zu einem Gang auswähle, bestimme ich zuerst auf einer Skala von 1 bis 10 das Säure-Niveau des Gerichts und achte ausserdem auf den Salz- und Zucker-Gehalt», erklärt Loris Lenzo seine Herangehensweise als Sommelier. «Die Textur eines Gerichts ist für mich ebenfalls sehr wichtig, und schliesslich der Umami-Gehalt: viel Umami verlangt nach weniger Tanninen und mehr Frucht. Säure auf dem Teller wiederum braucht Säure im Glas», sagt der Restaurant-Manager. Es helfe ihm beim Kombinieren, dass er gelernter Koch sei: Dadurch habe ich ein vertieftes Verständnis für den Aufbau eines Gerichts.»
Ausgleich durch Süsse. Das erste Beispiel für eine gelungene Champagner-Essen-Kombination ist eine leichte Vorspeise aus Balfego-Tuna, Nori Algen, Ingwerbier-Sud, eingelegten Karotten, Wasabi und Kaffir-Limettenabrieb – eine feine, aber kraftvolle Vorspeise von Sebastian Zier und Richard Schmidtkonz mit viel Umami, aber auch Säure, Frucht und etwas Schärfe. «Die Süsse der Dosage im Champagner hilft hier, die Schärfe auszugleichen», sagt Lenzo.
Demokratische Entscheidung. Dass solche Teller mit spitzen Nuancen und einem breiten Aromenspektrum für den Sommelier herausfordernd sein können, sieht auch Sebastian Zier. Um konstant zu einem guten Ergebnis in der Weinbegleitung zu kommen, gehe man immer gleich vor: «Alle Verantwortlichen essen das neue Gericht, Loris stellt zwei drei passende Weine dazu vor, und meistens entscheiden wir uns dann demokratisch für einen. Aber das letzte Wort hat natürlich immer Loris», sagt der «Einstein»-Executive Chef mit Vergangenheit in der «Schwarzwaldstube» bei Koch-Legende Harald Wohlfahrt.
Druck der Kohlensäure. Das nächste Gericht hat denn auch eine klassische Basis aus einer intensiven Krustentier-Bisque, welche – geschmacklich gesehen – den mächtigen Kaisergranat (Grösse 6/9) trägt. Diese traditionelle Kombination wird aber erweitert durch exotische Noten von Kimchi, Papaya-Salat und eine Mango-Kalamansi-Creme, was den geschmacklichen Fächer wieder weit öffnet und den Sommelier herausfordert. «Das ist ein sehr kräftiger Gang, aber durch den Druck der Kohlensäure im Champagner wirkt er sofort leichter und frischer», sagt Loris Lenzo dazu.
Rosé zum Dessert. Zuletzt schenkt er im Riesling-Glas – «weil dieser Champagner etwas Luft braucht» – die Cuvée Rosé von Laurent-Perrier zum Dessert aus: Mandel-Cheesecake mit Tessiner Kirschen, Passionsfrucht, Joghurt-Philadelphia-Espuma und Shiso. «Ich serviere nicht gerne zu süsse Weine, aber Rosé-Champagner passt ausgezeichnet zu roten Beeren oder Kirschen», findet Loris Lenzo. Am Ende dieser abwechslungsreichen Reise durch unterschiedliche Geschmackswelten haben Lenzo, Zier und Schmidtkonz immer noch viel zu lachen, die Zusammenarbeit zwischen Küche und Keller hat schliesslich ausgezeichnet funktioniert.