Text: Kathia Baltisberger Fotos: Olivia Pulver
Essen an der Bar? Ein Konzept, das den Schweizern nicht so behagt. Bis jetzt. Dave Wälti überholt das Image vom Essen an der Theke. Seit dem letzten Jahr ist er Chef der «Bistrobar» im Casino Bern (Mitglied Grandes Tables de Suisse). Mittags gibt es einen schnellen Lunch, zum Apéro gibt’s Snacks und abends Dinner in ungezwungener Atmosphäre. Die Gäste können von allen Seiten in Daves Küche schauen. Gar nicht so leicht, unter ständiger Beobachtung konzentriert zu arbeiten. «Die Gäste sprechen mit dir. Das ist eine Ablenkung. So zu kochen, musste mein Team erst lernen», erzählt Dave. Handelt es sich beim Gast um einen Politiker, Bundesrat oder Fussballer, ist die Ablenkung noch grösser. Doch der unmittelbare Kontakt zum Gast hat auch Vorteile. Die Köche können direkt Empfehlungen abgeben oder etwas über die Produkte und deren Herkunft erzählen. «Das wird auch honoriert.»
Ganze Tiere fürs Casino. Man isst aber nicht nur an der Bar. Es gibt auch Tische. Der Übergang ins «Restaurant» von Kollege Adrian Bürki ist fliessend. Genauso wie die Zusammenarbeit untereinander. Das Casino hat vier Gastro-Konzepte. Neben der Bistrobar und dem Restaurant gibt’s den Salon d’Or und ein japanischer Chefstisch. «Am Anfang kannten wir uns noch nicht so gut, mussten uns erst herantasten», sagt Wälti. Heute herrsche eine «natürliche Konkurrenz» und gleichzeitig versuche man die Ressourcen optimal zu nutzen. «Wir kaufen ganze Tiere – zum Beispiel Rinder von der St. Petersinsel. Diese teilen wir untereinander auf.» Bei Gemüse-Bauer Stefan Brunner können sie grössere Sammelbestellungen fürs ganze Haus tätigen.
Flache Hierarchie. Für den 32-Jährigen ist es die erste Stelle als Küchenchef. Die letzten Jahre kochte er bis zur Schliessung als Souschef bei Simon Apothéloz im 17-Punkte-Restaurant «Eisblume» in Worb. «Zunächst dachte ich, es sei ganz einfach Chef zu sein. Unser Team war sehr hierarchisch aufgebaut, ich war strikt und streng. Doch das stimmte für mich nicht.» Die Konsequenz? Dave flacht die Hierarchien ab. «Seither ist der Groove ein ganz anderer. Ich bin immer noch verantwortlich und habe das letzte Wort. Aber es kommen mehr Inputs aus dem Team. Meine Mitarbeiter haben in den besten Restaurants gearbeitet. Von diesen Erfahrungen muss man profitieren.» Erfahrungen hat auch Wälti selbst genügend im Gepäck. Das Bewusstsein für lokale Produkte und ein Gespür fürs Kochen hat er vom «Grosi». Dave war statt in der Krippe bei den Grosseltern auf dem Bauernhof. «In der Küche war ich für die Salatsauce zuständig», erinnert er sich. Nach der Lehre im Landgasthof Thalgut – eine währschafte Fischbeiz – folgten Stationen im «Schweizerhof» in Bern und im «Gustu» in La Paz in Bolivien.
Strassengerichte. Die Gerichte in der «Bistrobar» haben oft südamerikanische Einflüsse. Denn Dave Wälti hat selbst bolivianische Wurzeln, reiste erst letztes Jahr noch durch Peru und Bolivien, um sich inspirieren zu lassen. Auf der Karte steht zum Beispiel Tiradito. Wälti verwendet für das peruanisch inspirierte Gericht lokale Produkte: Rubiger Lachsforelle, mexikanische Mini-Gurken vom Brunner Eichhof. Dazu macht er eine schlotzige Sauce aus Süsskartoffeln, rohem Fisch, Sellerie, Knoblauch, Zwiebeln, Koriander. Auch beim Dessert schlägt er einen Bogen um die halbe Welt. «Das Zimtsorbet ist so ein typisches Strassengericht. Die Cholitas, die Frauen aus den Anden, benutzen alte Waschmaschinen, um das Sorbet herzustellen. Meine Version ist nicht ganz so süss wie das Original. Und statt Lebensmittelfarbe für das Rot nehme ich Hibiskus-Kombucha.»
Fleisch gezielt einsetzen. Dazwischen bietet Dave aber auch bekanntere Geschmäcker an: gebackener Blumenkohl mit Trüffel aus dem Seeland und fermentiertem Buchweizen. Fleisch findet man auf der Karte ebenfalls: Lammhaxe mit Chicoré und Quitte. Sous-vide gegart und auf dem Konro – einem japanischen Grill – knusprig grilliert. Es fällt aber auf, dass es auf der Bistrobar-Karte wesentlich weniger Fleisch-Gerichte gibt als andernorts. «Ich glaube schon, dass Fleisch seine Berechtigung hat. Aber der Fleischkonsum ist definitiv zu hoch. Deshalb setzen wir es ganz bewusst ein.»
>> Bistrobar
Casinoplatz 1
3011 Bern