Fotos: Salvatore Vinci
Von den Männern überredet. Langenthal und Madiswil, zwei Ortschaften im Kanton Bern. Sie sind nicht mal zehn Autominuten voneinander entfernt, beide haben im Zentrum ein Restaurant, das auf den Namen «Bären» hört. Und, das ist viel überraschender, beide «Bären» werden von der gleichen Familie rund um Michèle Binnemann geführt. Wie ist es dazu gekommen? «Als die früheren Geranten im Sommer 2021 in Langenthal aufhören wollten, kamen die Inhaber des Gasthauses auf uns zu», erzählt die Vollblut-Gastronomin. Nach einem ersten Augenschein dort habe sie zwar so ihre Zweifel gehabt. «Aber dann wurde ich von den Männern überredet.» Grosses Bild oben: Patrick Pfister, Michèle Binnemann, Flavia Stutz, Martin Binnemann, Ramon Stutz (v.l.).
Familien-Bande(n). Die Männer? Dazu gehört Patrick Pfister, seit über 23 Jahren Küchenchef im Bären Madiswil, ausgezeichnet mit 14 Punkten. Dazu gehört Michèles Ehemann Martin Binnemann, der inzwischen in Langenthal als Gastgeber und Sommelier waltet. Dazu gehört nicht zuletzt Michèles Schwager Ramon Stutz, der Küchenchef «unde in Langenthal». Dessen Ehefrau, und so schliesst sich der Kreis wieder, ist die Schwester von Michèle und die Gastgeberin in «Madis», wie das Dorf salopp gern genannt wird.
Der Landgasthof in Madiswil. Zwei «Bären» in unmittelbarer Nachbarschaft – zerfleischen die sich, bildlich gesprochen, nicht? Schnappen sie sich nicht gegenseitig die Kundschaft weg? «So ähnlich sind die beiden Restaurants nicht», erklärt Michèle Binnemann, welche die Büroarbeiten für beide Betriebe erledigt. Sie nennt die Unterschiede: Der «Bären» im deutlich kleineren Ort Madiswil sei ein typischer Landgasthof. Die Grundmauern stammen aus dem Jahr 1646. Man komme mit dem Auto her, vor allem abends, lade etwa die Grossmutter zum 80. Geburtstag ein. Benutze das Säli oder den alten Kartoffelkeller für Anlässe. Grosser Star hier ist das «Stroganoff» mit Quarkspätzli von Pfister, das mache in der Region niemand so gut wie er.
Der Stadtbetrieb in Langenthal. Der Betrieb in Langenthal, «eine Stadt», sei dagegen den ganzen Tag am Brummen. Nach dem Wochenmarkt trifft man sich hier zum Kafi. Mittags kommen die Bürolisten zum Lunch, zur Apérozeit treffe man sich in der Bar, abends seien dann die Vereine wie der «Lions Club» und «Kiwanis» präsent. Die Geschichte geht bis 1602 zurück. Einziges Gericht übrigens, dass es in beiden «Bären» gibt, ist Cordon bleu mit Pommes frites, letztere «natürlich von Kadi». Allerdings macht Patrick Pfister das Fleisch-Päckli in einem Ei-Mantel, also eher an ein Piccata Milanese angelehnt. Bei Ramon Stutz wird es klassisch mit Semmelbrösel paniert.
Möglichst wenig Doppelspurigkeiten. Doppelter Bären – heisst das denn seit zwei doppelte Arbeit für Michèle Binnemann? Zu Beginn schon, aber so sei es glücklicherweise nicht mehr: «Wir haben da wie dort inzwischen fast die gleichen Lieferanten», so die Gastronomin. «Und manche Mitarbeiter können wir auch in beiden Restaurants einsetzen.» Zudem sei die Weinkarte zu grossen Teilen deckungsgleich, die Philosophie sowieso: Leidenschaft, Herzlichkeit, persönlicher Kontakt! Manche Gäste, sagt sie zufrieden, die früher nur einen der «Bären» frequentierten, seien jetzt beiderorts anzutreffen.
So & Mo geschlossen. Was aber gilt und dem Familienleben zuträglich sei: Die zwei «Bären» haben mit Sonntag und Montag die gleichen Ruhetage. Auch wenn dies in Langenthal erst zu leichten Unstimmigkeiten geführt habe: Der «Rotary» wollte weiterhin am Montag zusammenkommen – und suchte sich ein anderes Lokal. «Ich dachte mir schon, die müssen erst etwas Besseres finden…» Nach einigen Monaten sei der Serviceclub zurückgekehrt, er trifft sich jetzt jeweils am Dienstag.
Ein Grossteil der Kunden im «Bären», Langenthal bestellt das mehrgängige Menü: Zurzeit brilliert das Team von Küchenchef Ramon Stutz mit einer kräftigen Randensuppe mit Siedfleischwürfeln von Entremetier Pavel. Mit Kalbsfilet, Steinpilzknödel und Pommery-Senfsauce von Saucier Ronny. Mit dem Dessert aus Mandarine, Kaffee und Karotte von Patissière Tina. Wer Lust hat auf bodenständiges «Stroganoff» von Patrick muss halt noch ein paar Minuten fahren.