Text: Urs Heller
200 Gäste. 400 Mitarbeiter. Nordmann-Tannen in den Suiten. Natürlich ist der Finanzchef tief unglücklich: Das «Badrutt’s Palace» lebt von wohlhabenden Gästen aus dem Ausland, gerade über die Festtage waren Schweizer Gäste immer an einer Hand abzuzählen. Jetzt bleiben die Amis zu Hause und die Engländer haben Einreiseverbot. Über 200 Gäste haben trotzdem eingecheckt im Swiss Deluxe-Palast, über 400 Mitarbeiter kümmern sich um ihr Wohl. Noch aufmerksamer als sonst, immer bereit für die Extrameile, glücklich, trotz Corona einen coolen Arbeitsplatz zu haben. Die «Palace-Society» dankt. Die Gäste fühlen sich geborgen, sicher, sind auffallend ausgabefreudig und sehr diszipliniert: Maske bei jedem Schritt, auch bei Barkeeper Andrea kein Dichtestress. Die Ambiance ist festlich: Dutzende von silbern schimmernden Christbäumen in der «Grand Hall», eine liebevoll dekorierte Nordmann-Tanne in jeder Suite!
Der Neue: Executive Chef Maxime Luvara. Das «Badrutt’s Palace» hat wieder einen Küchenchef: Maxime Luvara (grosses Bild oben). Ein Mann mit Vergangenheit: One&Only St. Géran Mauritius, Burj Al Arab Dubai, Intercontinental Hongkong. Sieben Jahre auf Schlüsselpositionen im Imperium von Alain Ducasse. Chef Maxime ist glücklich im «Palace», schweisst die (italienische) Brigade zusammen, stellt sein kulinarisches Ego zurück: Klassiker dominieren die Karte des «Grand Restaurant», zubereitet mit grösster Sorgfalt und spürbar konsequenter angesetzten Saucen. Der Chef steht am Pass, sitzt nicht im Büro. An die besonderen Gesetze im Haus hat sich der Neue schnell gewöhnt. Luvara: «Ich kann auf die Karte schreiben, was ich will. Die Stammgäste entscheiden lieber selber, was sie essen mögen: Mal eine Bresse-Poularde. Mal ein vier Kilo schweres Rib Eye. Mal eine Ente à l’orange. Mal auch nur «due, tre Tagliolini» mit Alba-Trüffel.» Extrawünsche, so will es der «Palace»-Kodex, werden umgehend erfüllt.
Marcel Skibba & die «Formel Igniv». Die angesagten «Fantastic international Live-Bands» aus England durften wg. Corona nicht einreisen, die Köche machen dieses Jahr die Musik. Sie sind ziemlich gefordert, weil viele Stammgäste wochenlang in St. Moritz bleiben und nur «in-house» essen dürfen. Bei Chef Marcel Skibba im «Igniv» (17 Punkte, zwei Sterne) macht es besonders Spass. Andreas Caminadas Statthalter im Engadin hat je drei Köchinnen und Köche um sich geschart, die alle bei Top-Chefs gearbeitet haben, ein tolles Menü liegt auf. Wie in allen vier «Igniv» ist Sharing angesagt, kommen über ein Dutzend kleiner Gerichte zum Teilen auf den Tisch. Alle sind prima, perfekt bis ins letzte Detail ausgearbeitet. Ein «Special» ist besonders gut: Die glasierte Kalbsmilke, sous-vide gegart, paniert, lackiert, innen saftig, aussen knusprig. Besser geht Milke nicht! Der «Fun Dish»: Bouillabaisse aus der grossen weissen Schüssel. Der Gast taucht Rouget, St. Pierre, Turbot und Jakobsmuschel selber in die perfekte Bouillon. Der Service ist selbstbewusst, fachkundig, schnell. Muss so sein: Um 23 Uhr ist wg. der Corona-Vorschriften Lichterlöschen im ganzen Haus.
Das beste «Matsuhisa» der Welt? Nobu Matsuhisa ist ein begnadeter Koch, Erfinder der peruanisch-japanischen Küche – und ein smarter Businessman. «Nobu»-Restaurants gibt es auf allen Kontinenten, mit ziemlich standardisiertem Angebot. Am besten isst man wohl im «Matsuhisa» St. Moritz, in der raffiniert umgebauten früheren Tennishalle des «Badrutt’s Palace» (16 GaultMillau-Punkte). Das Menü «Special Omakase» richtet nicht etwa ein Japaner an, sondern ein begabter Chef aus Griechenland: Panagiotis Tziourtzioumis. Sein bestes Stück diesmal: Red Mullet Tempura. Er verpackt den heiklen Rouget in einen dünnen Teig, der Gast taucht die saftige Rotbarbe mit den Chop Sticks oder noch besser von Hand in eine berauschende Salsa aus Zitrone, Limone, Yuzu, Koriander und Zwiebel. Auch toll: Die Seezunge mit «Yuzu Kosho» (Zitrone, Pfeffer, Chili) in der Beurre blanc.
Der Silvester kann kommen. Die drei Top-Chefs haben ihr «New Year’s Eve»-Menü geschrieben. Kaviar «Réserve du Palace», Alaskan King Crab und Beef Tenderloin im «Grand Restaurant», New Year’s Sushi mit Kaviar und A5 Kagoshima Wagyu im «Matsuhisa», Turbot mit Sauerkraut & weissem Trüffel, Jakobsmuscheln mit Crème fraîche und Kaviar im «Igniv» Dresscode im ganzen Haus: «Black Tie».
PS. Wo steckt Valmiro Pasini? Der Kult-Chef (Markenzeichen Riesenschnauz) tritt kürzer, kommt aber noch als «special agent» zum Einsatz. Maxime Luvara: «Er macht mir beispielsweise die Foie gras. Das Badrutt’s Original-Rezept kennt nur er...» Auch die silbernen «Bolito misto»-Wagen rollen nur vor, wenn Chef Valmiro im Haus ist.
Fotos: Thomas Buchwalder, Olivia Pulver, Gian Giovanoli