Text: Stephan Thomas Fotos: Digitale Massarbeit

Martin Dalsass bei den Kabier. «Kabier» begeistert die Spitzenköche. Wenn sie es denn bekommen können. Das Rindfleisch aus Stein AR ist begehrt und rar. Martin Dalsass vom «Talvo by Dalsass» in St. Moritz-Champfèr überlässt die begehrten Filets anderen Köchen. Er hat dafür einen Posten Haxe ergattert und im «Talvo» aufs Programm gesetzt. «Innerhalb von zwei Tagen war alles weg. Auch die Rindsrippen laufen wie verrückt.» Die Zubereitung ist überragend: Die Haxe kocht er mit Olivenöl, Petersilie, Brot und Parmesan, bis sie butterweich ist. Sardellen ersetzen das Salz in der Sauce. Die Rippe wird 14 Stunden lang sanft geschmort und mitsamt dem riesigen Knochen am Tisch präsentiert.

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Sie werden gehegt und gepflegt wie Kobe-Beef in Japan. Sepp Dähler und seine Kabier.

 

«Lieber weniger. Dafür in bester Qualität.» «Am Anfang steht das herausragende Produkt. Ein Koch kann es eigentlich immer nur schlechter machen. Seine nobelste Aufgabe ist es, die Qualität zu erhalten und in Szene zu setzen.» Dass hochwertige Produkte deutlich mehr kosten können als Mittelmass, ist für ihn kein Argument. «Man muss ja nicht jeden Tag Fleisch essen. Lieber einmal weniger, aber dafür in bester Qualität.» Kennengelernt hat Martin Dalsass das Kabier vor Jahren bei seinem Kollegen Robert Speth in der «Chesery» Gstaad. Auch er ein Spitzenkoch, der seit langem auf Kabier setzt.

Nüchtern trotz fünf Mass Bier. Was macht denn dieses Fleisch aus dem Appenzellerland so einzigartig? Sepp und Magdalena Dähler pflegen hier gerade mal dreissig Tiere. Es sind Kreuzungen von Braunvieh mit bekannten Rassen wie Aubrac, Limousin, Angus oder Ehringer. Das Besondere aber ist, dass die Rinder Bier und andere Brauereiprodukte der Brauerei Locher in Appenzell zu trinken bekommen. «Sie haben die Wahl zwischen Bier und Wasser», sagt Sepp Dähler schmunzelnd. «Aber bevor das Bier nicht ausgetrunken ist, schauen sie das Wasser nicht an.» Dazu werden sie täglich mit Bierhefe gebürstet und massiert. «Manchmal sind die Leute skeptisch und denken, hier alkoholisierte Rinder anzutreffen. Immerhin erhält ein Tier fünf Liter pro Tag. Nichts von alledem. Wir haben das vom gerichtsmedizinischen Institut abklären lassen. Die Rinder haben 0,0 Promille. Der Alkohol wird bereits im Magen vollständig abgebaut.» Anders sieht es bei den Schweinen aus, die Dählers auch halten. Sie würden nach dem Biergenuss wohl noch übermütiger werden, als sie jetzt schon sind. Deshalb bekommen sie nur alkoholfreie Bierhefe und Biertreber.

Appenzell ist Kobe. Vor über zwanzig Jahren haben sich Dählers die Kabier-Idee bei den japanischen Kobe-Rindern abgeschaut, die mit Sake behandelt werden. Ihnen geht es aber um mehr als nur um gutes Fleisch. Der ganzheitliche Ansatz steht im Vordergrund. Die Tiere werden artgerecht gehalten. Sie geniessen auf dem malerischen Hof ein herrliches Leben. Zudem haben sie einen grosszügigen Freilaufstall zur Verfügung. Die Schlachtung im nahen Schlachthof wird sorgfältigst aufgegleist. «Es geht uns auch darum, Kreisläufe zu schliessen. Wir bauen für die Brauerei Locher Weizen an. Die Braurückstände bekommen unsere Rinder. Sie düngen dann unsere Felder, auf denen später wieder Getreide wächst.» Auch Nebenprodukte werden verwertet. Eine traditionell und naturnah arbeitende Gerberei präpariert die Felle, stellt auch Gürtel her. Eine Nachbarin verarbeitet das Fett zu Handcrème.

An mein Fell lasse ich nur den Sepp. Grund genug also für Martin Dalsass, mit seiner Mannschaft aus dem Engadin ins Appenzellerland zu fahren, um den Rinderflüsterer persönlich kennenzulernen. Dalsass darf auch selber zupacken und eines der Rinder mit Bierhefe massieren. Das Rind, das sonst nur von Sepp Dähler gebürstet wird, ist anfänglich ein wenig skeptisch und versucht auszubüxen. «Es merkt halt, dass Du ein Koch bist», witzelt ein Mitglied der Küchenmannschaft, die ihren Chef ins Appenzellische begleitete.