Text: David Schnapp Fotos: Rémy Steinegger
Keine Kompromisse. Es gibt Köche, die ziehen von einem Gourmetfestival zum nächsten, als seien sie Artisten in einem Wanderzirkus. Und dann gibt es Köche, die verlassen ihr eigenes Restaurant kaum, als hätten sie Angst, dass ihnen draussen der Himmel auf den Kopf fallen könnten. Didier de Courten (grosses Bild oben zusammen mit Frank Oerthle) gehört zur zweiten Kategorie. Und das ist eine gute Nachricht, weil sie für ein Qualitätsverständnis ohne Kompromisse steht. Der scheue Walliser gehört schon lange zu den besten Chefs der Schweiz (19 Punkte, 2 Sterne), aber ausserhalb seiner Heimat Sierre vermutlich auch zu den unbekanntesten.
Seltener Auftritt. «Meine Küche ist schwer zu exportieren, deshalb mache ich das praktisch nie», sagt er am Sonntagabend in Lugano. Im «Arté» von Frank Oerthle (16 Punkte, 1 Stern) direkt am See hat Didier de Courten einer seiner seltenen Ausserhaus-Auftritte. Es ist der erste Abend des diesjährigen Gourmetfestivals San Pellegrino Sapori Ticino. Und es ist aus verschiedenen Gründen ein spezieller Abend. Eigentlich fängt das Festival erst am Montag an, aber de Courten war lediglich am Sonntag bereit zu kommen. «Ich musste so lange warten, bis er zugesagt hat, dass ich fast alles dafür getan hätte, damit es klappt», sagt Festival-Chef Dany Stauffacher.
Stiller Star. Vor allem aber hat Didier de Courten selbst den Abend zu einem aussergewöhnlichen Ereignis gemacht. «Am Samstag hatten wir noch 58 Gäste in Sierre, am Sonntag sind wir um 6.30 Uhr losgefahren Richtung Tessin», erzählt der stille Starchef. Ein Pick-up-Truck, ein Kleintransporter und ein eigens angemieteter Kühlwagen haben das notwendige Material nach Lugano transportiert. Selbst die Teller hat de Courten mitgebracht, Kompromisse macht der Mann wie gesagt keine.
5 Lachsforellen à 3,5 Kilogramm. Helle und dunkle Morcheln, Walliser Spargel, junge Enten aus Challans, Gariguette-Erdbeeren oder 5 eindrucksvolle Lachsforellen aus dem Genfersee – jede 3 bis 3,5 Kilogramm schwer –, Didier de Courten hat nur handverlesene Zutaten dabei, und eine Küchencrew von acht Männern und zwei Frauen sowie nochmals vier Mitarbeiter im Service. Es scheint, als habe er tatsächlich seine ganze Küche ins Tessin exportiert. Aber nur fast, in Sierre stehen normalerweise zwanzig Leute auf ihren Posten, um für das Gourmet-Restaurant und die Brasserie im «Hôtel Terminus» zu kochen.
Perfekte Balance. Überhaupt sei das Team der Grund, dass er die Reise angetreten habe, sagt de Courten: «Mit diesem Team habe ich erstmals das Gefühl, dass es möglich ist, auswärts zu kochen», sagt er am Ende des Abends unter dem grossen Applaus von über 70 Gästen. Zwei Stunden davor, in der relativ kleinen Küche des «Arté» steht de Courten mit einem Gesichtsausdruck, der höchste Konzentration verrät, am Herd und versenkt die portionierten Lachsforellen in einer Gewürzbutter, wo sie kurz bei kontrollierter Temperatur halb gegart werden. Davor wurden sie 30 Minuten in Salz und Randenpulver gebeizt und kommen dann mit gepickelten gelben Mangowürfeln und einer Kräuteremulsion auf die Teller – ein perfekt ausbalanciertes Gericht.
Morcheln, Milken, Gletscherwein. Didier de Courten mag kein Mann grosser Worte sein, aber er ist zweifelsohne ein Mann grosser Gerichte. Bester Gang des Abends: Morcheln, glasiertes Kalbsbries auf einer rechteckigen Gemüse-Chartreuse und einer grandiosen Sauce auf Basis von Walliser Gletscherwein. Pro Teller braucht es sechs Leute zum Anrichten, oder wie es de Courten beschreibt: «Meine Küche ist sehr detailversessen, das geht nicht schnell-schnell.»
Didier de Courten verlässt seine Küche dieses noch Jahr ein zweites Mal: Bei der GaultMillau Garden Party am 18. August im Grand Resort Bad Ragaz ist der Walliser dabei.